Die moderne Sklaverei ist ein allgegenwärtiges gesellschaftliches Übel, vor dem kaum ein Sektor der Weltwirtschaft sicher ist. Um die Möglichkeiten von Unternehmen, moderne Sklaverei in ihren Betrieben und Lieferketten auszuschließen, zu verstehen und zu verbessern, halten wir es für wichtig, ein sektorübergreifendes Best-Practice-Regelwerk anzuwenden. Wir verfügen über einen eigenen, auf fünf Säulen basierenden Ansatz, der auf die meisten Unternehmen übertragbar ist.
Das Regelwerk sollte zwar einheitlich angewendet werden, doch manche Sektoren sind besonders anfällig für die moderne Sklaverei, während andere eine sehr wichtige Rolle für ihre Erkennung und Überwindung spielen. In Bezug auf moderne Sklaverei stehen die Fischerei und die Finanzbranche in der ersten Reihe; dieser Umstand ist im aktiven Dialog mit den Geschäftsleitungen zu berücksichtigen.
Ein auf fünf Säulen basierender Ansatz für bewährte Praktiken
Die Erkennung und Minderung potenzieller Risiken für moderne Sklaverei in Portfolios erfordern einen regelmäßigen aktiven Dialog mit den Geschäftsleitungen der Unternehmen. Bei AB verfolgen wir das Ziel, ein umfassendes Mitwirkungsprogramm mit fünf Säulen umzusetzen, das den gesamten Bereich von den aktuellen Governance-Prozessen eines Unternehmens bis hin zu seinen Verbesserungsplänen abdeckt.
Best-Practices-Regelwerk im Bereich moderne Sklaverei
Governance- Regelwerk | Welche Schritte unternehmen Verwaltungsrat und Unternehmensleitung mittels Richtlinien und Verfahren, Kultur und Werten, um das Unternehmen auf das Ziel der Minderung des Risikos moderner Sklaverei auszurichten? |
Risikoermittlung | Da moderne Sklaverei eine Straftat ist und somit im Verborgenen stattfindet, ist dies eine schwierige und heikle, aber auch eine wichtige Aufgabe. Inwieweit ist das Unternehmen sich dieser Herausforderung bewusst und wie robust sind die eingesetzten Techniken und Prozesse zur Ermittlung des Risikos? |
Aktionsplan zur Risikominderung | Ist der Plan für das Unternehmen eine realistische Lösung, um die Risiken für Menschen in ihren Betrieben und Lieferketten zu mindern? Ergreift das Unternehmen angemessene, effektive Schritte zur Schulung und Befähigung der Mitarbeiter und Zulieferer in der Erkennung der Minderung von Risiken? |
Wirksamkeit des Aktionsplans | In welchem Ausmaß haben die Maßnahmen des Unternehmnes das Risiko gesenkt, und wie messen der Verwaltungsrat und die Führungskräfte die Fortschritte? Durch welche Verfahren wird sichergestellt, dass Folgemaßnahmen durchgeführt und überwacht werden? |
Künftige Verbesserung | Der Weg zur Bekämpfung der modernen Sklaverei wird für viele Unternehmen lang sein und sie durch unbekanntes Terrain führen. Die besten Unternehmen werden in der Lage sein, Ihre Fortschritte auf jeder Etappe dieses Weges zu bewerten und Veränderungen vorzunehmen, um ihre Leistung in Bezug auf jedes der vier genannten Kriterien zu messen. |
Dient ausschließlich Informationszwecken.
Stand: 1. September 2022
Quelle: AllianceBernstein (AB)
Obwohl das Thema „moderne Sklaverei“ in den letzten Jahren stärker in den Blickpunkt gerückt ist, ist das Bewusstsein in den Führungsetagen der Unternehmen in mehreren Branchen immer noch relativ gering — sowohl in Bezug auf die moderne Sklaverei an sich als auch auf die effektivsten Möglichkeiten, sie zu bekämpfen. In diesen Sektoren, zu denen auch die Fischerei und die Finanzwirtschaft gehören, legten wir den Schwerpunkt des aktiven Dialogs zunächst auf die Bewusstseinsbildung und die Festlegung von Maßnahmen, um die gröbsten Verstöße anzugehen. Im Rahmen unseres künftigen aktiven Dialogs mit den Unternehmen besteht unser Ziel in der Weiterentwicklung unseres Best-Practice-Programms.
Die Fischerei ist ein Bereich, in dem moderne Sklaverei im Verborgenen gedeihen kann
Auf See können sich Schiffe der Aufsicht durch Behörden entziehen; daher ist die illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei ein ernsthaftes globales Problem und ein Hauptfaktor der modernen Sklaverei auf See.
Industrieschiffe fahren immer weiter auf das Meer hinaus, um Fanggründe zu finden — aber auch um Kontrollen zu entgehen. Da die Hochseefischerei außerhalb der nationalen ausschließlichen Wirtschaftszonen stattfindet, können die Schiffe sich der Gerichtsbarkeit der Küstenstaaten entziehen und Straftaten wie moderne Sklaverei begehen. Fischereischiffe können ihren Fang auf andere Schiffe umladen und müssen zum Auftanken nicht in einen Hafen einlaufen. Daher können sie länger auf See bleiben, was die Kosten senkt, während die Besatzung unter sich bleibt.
Weit entfernt vom Festland, isoliert auf einem Schiff, sind die Opfer den schlimmsten Exzessen der modernen Sklaverei ausgesetzt. Vor Kurzem hat Greenpeace Südostasien eine Studie über Missbrauchsfälle veröffentlicht, aus der sich eine Reihe von Hauptindikatoren für Zwangsarbeit ergibt: Einbehaltung der Löhne (87% der Beschwerden), missbräuchliche Arbeits- und Lebensbedingungen (82%), Täuschung (80%) und Ausnutzung der Schutzbedürftigkeit (67%). Gefangen auf einem Schiff, können die Opfer Gewalt und Schikanen nicht entgehen, und wenn sie sich wehren, laufen sie schlimmstenfalls Gefahr, über Bord geworfen zu werden.
So können Anleger der modernen Sklaverei in der Fischerei entgegenwirken
Die meisten Fischereiunternehmen sind nicht börsennotiert und befinden sich daher außerhalb des Verantwortungsbereiches der Anleger. Dennoch verfügen Anleger über wirksame Ansatzpunkte, um moderne Sklaverei auf See zu bekämpfen. Börsennotierte Einzelhändler, die sich am Ende der Lieferkette befinden, sollten maßgeblich auf ihre Zulieferer einwirken, um dieses Problem anzugehen. Indem sie auf die Probleme der modernen Sklaverei auf See hinweisen, können Anleger zur Verbesserung beitragen.
Im Rahmen unseres aktiven Dialogs haben wir festgestellt, dass die Führungsteams von Lebensmitteleinzelhändlern bereit sind, dieses Thema anzusprechen, aber bisher nur wenig unternommen haben, um diese Probleme anzugehen. Daher wurden bislang auch kaum Verbesserungen erreicht.
Andererseits machen manche größere Lebensmitteleinzelhändler inzwischen Angaben zur Rückverfolgbarkeit bestimmter Fischarten und haben Nachhaltigkeitsstandards eingeführt, um nachweisen zu können, dass der Fisch, den sie verkaufen, aus der verantwortungsvollen Fischerei im Einklang mit eigenen und/oder Standards externer Stellen stammt. Aber dieser Ansatz dient eher dem Schutz der Meeresumwelt und der Fische als dem Schutz der Menschenrechte.
Verschiedene Lebensmitteleinzelhändler legen nun auch offen, ob ihr Fisch aus Ländern wie Thailand und Vietnam stammt, in denen das Risiko der Sklaverei akuter ist. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber nur einer in einem breiten Spektrum an bewährten Praktiken, die wir befürworten, um möglichem Missbrauch vorzubeugen. Zusammen sollen diese Praktiken die Maßnahmen der Einzelhandelskonzerne über ihre Geschäftsmodelle, Arbeitsschutzmaßnahmen und Prüfungen der Lieferketten hinweg stärken.
Bewertung der Richtlinien von Supermärkten in einem breiten Spektrum von Best-Practice-Kategorien
Geschäftsmodell und Beschaffungsstrategie | Gerährdete Arbeitskräfte | Lieferkette |
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Dient ausschließlich zu Informationszwecken.
Stand: 1. September 2022
Quelle: AB
Höchste Priorität hat für uns die Förderung von:
- Langfristigen Beziehungen zu den Zulieferern im Hinblick auf eine bessere Transparenz der Lieferkette
- Verbot von durch den Arbeitnehmer zu zahlenden Anwerbegebühren und Festlegung von Richtlinien in Bezug auf Wanderarbeiter, die das Risiko der Versklavung ausländischer Arbeitnehmer mindern
- Mehr Sozial-Audits und Worker-Voice-Initiativen, um missbräuchliche Arbeitspraktiken besser aufzudecken
Langfristige Beziehungen zu den Zulieferern tragen insbesondere dazu bei, vor Ort Vertrauen aufzubauen und die Mitarbeiterfluktuation zu verringern. Allzu dehnbare und unbeständige Regelungen mit Blick auf die Belegschaft können hingegen zu Praktiken beitragen, die moderne Sklaverei ermöglichen. Dazu gehören das Locken von Wanderarbeitern in die Schuldknechtschaft und der Betrug durch falsche Versprechen, was Lohnerhöhungen oder die Rückkehr nach Hause betrifft.
Bei der Umsetzung mancher Politiken gibt es praktische Schwierigkeiten: So sind beispielsweise Sozial-Audits auf einem Schiff auf hoher See nur schwer durchführbar. Anonymisierte Erhebungen über die Stimmung unter den Arbeitnehmern können ein Weg sein, um Hindernisse zu überwinden und Probleme zu erkennen. Auch die Rückverfolgbarkeit kann sich in der Fischerei als kompliziert erweisen. Fisch wird oft „gepoolt“, d. h. die Fänge mehrerer Boote werden zusammen verarbeitet und anschließend potenziell in vielen verschiedenen Produkten wie beispielsweise Tiefkühlgerichten und Katzenfutter verwendet. Folglich könnte das Risiko, dass gepoolter Fisch mit moderner Sklaverei in Berührung kommt, den Ruf von Marken und Unternehmen, darunter auch Lebensmitteleinzelhändler, belasten.
Wenn Anleger auch weiterhin das Bewusstsein in all diesen Bereichen erhöhen, werden die Geschäftsleitungen im Lebensmitteleinzelhandel nach unserem Dafürhalten schneller strengere Standards festlegen.
Das Finanzwesen ist von zentraler Bedeutung bei der Bekämpfung der modernen Sklaverei
Moderne Sklaverei ist eine kriminelle Machenschaft mit dem Ziel, mit Missbrauch Profit zu machen; die Verwahrung und der Transfer der so erhaltenen Gelder erfordern den Zugang zum Finanzsystem. Somit spielt der Finanzsektor eine Schlüsselrolle für die Beendigung der modernen Sklaverei.
Allerdings mangelt es der Finanzbranche an Bewusstsein für dieses Problem. Bei einer Umfrage unter britischen Finanzinstituten im Jahr 2020 gaben 43% der Verwaltungsratsmitglieder an, dass ihnen die Unternehmenspolitik in Bezug auf moderne Sklaverei nicht bekannt sei. Mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter gaben an, dass sie seitens der Unternehmensleitung bisher kaum oder gar nicht über das Thema informiert worden seien. Auch wenn sich die Lage in der letzten Zeit etwas verbessert hat, ist der Weg noch weit — und die Reputationsrisiken sind groß.
Beispielsweise erhielt das australische Kreditinstitut Westpac 2020 eine Strafe in Höhe von 1,3 Milliarden AUD zur Beilegung einer Geldwäscheklage im Zusammenhang mit der Finanzierung der Ausbeutung von Kindern — die höchste Zivilstrafe in der Geschichte Australiens. Viele Führungskräfte aus dem Finanzsektor sind sich immer noch nicht bewusst, dass moderne Sklaverei sowohl in den Industrie- als auch den Schwellenländern ein Problem ist, und glauben, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche, in deren Zusammenhang sie Kenntnisse über ihre Kunden erlangen, und die Prüfung auf Transaktionsrisiken ausreichen, um sie zu stoppen.
Doch aus Transaktionen resultierende Risiken machen nur einen kleinen Teil des Problems aus. Finanzinstitute vergeben Kredite an Unternehmen, die moderne Sklaverei möglich machen, und investieren in sie. Außerdem stellen sie Bankkonten bereit, mit denen sie unbeaufsichtigte Barmitteltransaktion in großem Umfang durchführen können. Viele Banken verzichten auf eine Prüfung auf verbotene Bargeldgeschäfte in einer Autowaschanlage oder einem Nagelstudio, die auf Ausbeutung hindeuten könnten. Ebenso wenig nehmen sie die Lieferketten ihrer Unternehmenskunden unter die Lupe, um herauszufinden, wie sie Produkte beschaffen, bei denen ein hohes Risiko besteht, dass bei ihrer Herstellung moderne Sklaverei eine Rolle spielte.
Stärkung der Richtlinien und Praktiken im Finanzsektor
Finanzgesellschaften können ihre vorhandenen Systeme zur Aufdeckung von Geldwäsche erweitern, sodass sie nach Indikatoren verdächtiger Aktivitäten suchen, die auf mögliche Verstöße von Kunden gegen Arbeitsgesetze und Menschenrechte hindeuten. Außerdem muss die Unternehmensleitung den Mitarbeitern deutlich signalisieren, dass das Bewusstsein für moderne Sklaverei wichtig ist. Vermögensverwalter können den Wandel vorantreiben, indem sie Research zu den Risiken ihrer Portfoliounternehmen in diesem Bereich liefern, in einen aktiven Dialog mit den Geschäftsleitungen der Unternehmen treten und sich für bessere Richtlinien und Praktiken im Umgang mit moderner Sklaverei einsetzen.
Wie wir festgestellt haben, konzentrieren sich Banken vor allem auf Finanztransaktionen und weniger auf die institutionelle Kreditvergabe. Unseres Erachtens vernachlässigen sie vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), ein Bereich mit hohem Risiko für moderne Sklaverei. Unsere Prioritäten im Dialog mit dem Bankensektor sind:
- Bessere Risikoermittlung bei der Kreditvergabe an KMU, einschließlich mittels Einstellung von oder Zusammenarbeit mit Sozial-Auditoren zur Erkennung von Risikobereichen
- Die Ausweitung der Transaktionsüberwachung von einem eingeschränkten Fokus auf sexueller Ausbeutung auf mehrere andere Formen der modernen Sklaverei, einschließlich Zwangsarbeit
Über diese Prioritäten hinaus umfasst unsere breiter angelegte Agenda die Politiken und Fähigkeiten auf Konzernebene, Finanztransaktionen und die Kreditvergabe sowohl an Institutionen als auch an KMU.
Vier wichtige Kategorien mit Handlungsbedarf für Banken
Konzern | Finanztransaktionen | Institutionelle Kreditvergabe | Kreditvergabe an KMU |
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Dient ausschließlich zu Informationszwecken.
Stand: 1. September 2022
Quelle: AB
Wir sind zuversichtlich, dass unsere Agenda an Dynamik gewinnen und bei den Banken das Bewusstsein für moderne Sklaverei steigen wird. Bei einer der größten Banken Australiens beispielsweise umfasste 2019 das Compliance-Dokument zum Thema moderne Sklaverei lediglich drei Seiten. Nachdem wir den Dialog mit dem Unternehmen aufnahmen und unsere ESG-Matrix erläuterten, konnten wir zu unserer Freude feststellen, dass dieses anschließend Fortschritte erzielte und die Berichterstattung detaillierter und transparenter wurde.
Um das Bewusstsein weiter zu steigern, bieten wir in Zusammenarbeit mit Themis und der britischen Regierung eine digitale Schulung zum Thema moderne Sklaverei für Finanzinstitute im Vereinigten Königreich an, die für alle Teilnehmer kostenlos ist. Sie umfasst interaktive Anleitungen für zehn Untersektoren der Branche, verwendet diverse Multimediaformate und basiert auf einem einmaligen sektorspezifischen Ansatz unter Berücksichtigung der Herausforderungen, mit denen die verschiedenen Institute konfrontiert sind.
Das große Ganze
Moderne Sklaverei ist ein massives und komplexes Problem. Laut dem US-Außenministerium erzielen die Täter und ihre Unterstützer dadurch illegale Gewinne in Höhe von über 150 Milliarden USD. Das Bewusstsein steigt zwar, aber Anleger und Unternehmen müssen dennoch erhebliche Veränderungen in die Wege leiten, wenn die moderne Sklaverei, wie von der UN vorgegeben, bis 2030 beseitigt werden soll.
Unser auf fünf Säulen basierender Ansatz stellt aus unserer Sicht eine solide Plattform für den branchenübergreifenden Dialog mit den Geschäftsleitungen der Unternehmen dar, wobei jedoch Schlüsselsektoren wie die Fischerei und die Finanzbranche besondere Aufmerksamkeit und Anstrengungen erfordern. Bisher ging es nur langsam voran, aber wir sind zuversichtlich, dass derzeit solide Grundlagen für bessere Politiken und Praktiken geschaffen werden.
Rechtliche Hinweise
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