Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihre geldpolitische Strategie auf Emittenten von Unternehmensanleihen mit „besserer klimabezogener Leistungsbilanz“ ausrichten. Das ist ein lobenswertes, aber schwierig zu erreichendes Ziel. Auch wenn einfache Regeln nützlich erscheinen mögen, sind wir der Meinung, dass Anleger ein ganzheitliches Verständnis von Klimafragen benötigen, um die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels anzugehen.
Die klimapolitische Ausrichtung wird nicht nur die Programme der Europäischen Zentralbank zum Ankauf von Unternehmensanleihen umfassen, sondern auch die Offenlegungspolitik der Bank, die Risikobewertung und den Rahmen für Sicherheiten. Der Plan sieht vor, dass der Anteil der Aktiva in der Bilanz des Eurosystems, die von Unternehmen mit einer besseren Klimabilanz emittiert werden, erhöht wird. Das hört sich einfach an, aber es gibt erhebliche praktische Schwierigkeiten.
Praxisprobleme bei Klima-Investitionen
Klimafragen sind komplex. Wir sehen vier Hauptbereiche, in denen klimabewusste Anleger bessere Daten, Expertenwissen und einen differenzierteren Ansatz benötigen, um einen effektiven Entscheidungsrahmen zu schaffen.
Emissionen verstehen: Ein rein quantitativ orientiertes Auswahlverfahren, das Unternehmen mit geringeren CO2-Emissionen belohnt, wird sich wahrscheinlich als unzureichend erweisen. Nur die Scope-1- und Scope-2-Emissionen von Unternehmen werden heute in großem Umfang gemeldet und erfasst, aber die Scope-3-Emissionen stellen für viele Branchen die wichtigste Umweltbelastung dar.
Da die Scope-3-Emissionen bisher nicht in großem Umfang gemeldet wurden, verlassen sich die Anleger häufig auf geschätzte Daten von Drittanbietern. Diese Daten weisen jedoch oft erhebliche Ungenauigkeiten auf. Durch den direkten Kontakt mit Unternehmen können Anleger das wahre Ausmaß der Scope-3-Emissionen verstehen und bewerten.
Zum Beispiel trafen wir uns kürzlich mit einem großen lateinamerikanischen Fast-Food-Franchise-Unternehmen. Obwohl es in den scheinbar harmlosen Restaurantsektor eingeordnet ist, stellte sich heraus, dass seine Scope-3-Emissionen erheblich sind. Die CO2-Intensität des Unternehmens entsprach der eines durchschnittlichen Chemieunternehmens, und seine CO2-Emissionen waren etwa dreizehnmal höher als eine weithin verfügbare Schätzung Dritter. (Wir sind der Meinung, dass die derzeitigen Schätzmethoden wahrscheinlich überarbeitet werden, wenn mehr Unternehmen ihre Scope-3-Emissionsdaten veröffentlichen.)
Während die Europäische Union (EU) immer noch auf eine verbindliche Offenlegungspraxis durch die vorgeschlagene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) setzt, könnte die Europäische Zentralbank versuchen, den Mangel an verlässlichen Scope-3-Daten dadurch zu beheben, dass sie Unternehmen mit freiwilligen Offenlegungspraktiken für indirekte Emissionen bevorzugt.
Wir sind der Meinung, dass dieser Ansatz einen wertvollen Anreiz für eine schnellere Offenlegung von Klimadaten schaffen könnte, da er Unternehmen für verbesserte Transparenz belohnen würde. Die daraus resultierenden Daten könnten jedoch nicht endgültig sein, und angesichts der derzeitigen Mängel der Schätzungen von Drittanbietern würden zuverlässige Vergleichsdaten fehlen.
Bewertung der Übergangspläne: Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftige Leistung. Eine nachhaltige Verringerung der CO2-Emissionen bedeutet, dass die strategischen Pläne der Unternehmen auf eine Verringerung ihrer künftigen Emissionen abzielen sollten. Daher ist es wichtig, Unternehmen zu identifizieren, die sich langfristig und glaubwürdig zum Klimaschutz verpflichtet haben. Die Heranziehung unabhängiger Experten und transparenter Klimazusagen wie der Science Based Targets Initiative (SBTi) und der Net-Zero Banking Alliance (NZBA) kann dabei helfen, zwischen Unternehmen mit nachweisbaren langfristigen Verpflichtungen und solchen, die noch nicht bereit sind, diesen Verpflichtungen nachzukommen, zu unterscheiden.
Es ist noch unklar, wie die Europäische Zentralbank langfristige Verpflichtungen bewerten wird. Die Science Based Targets Initiative wird zum Beispiel noch nicht direkt von der Europäischen Union unterstützt. Und ohne ein aktives Engagementprogramm wird es für die Europäische Zentralbank schwer sein, die Fortschritte eines Unternehmens zu beurteilen.
Wertschätzung von Klima-Innovationen: Einige Branchen, die derzeit hohe Emissionen aufweisen, werden eine zentrale Rolle bei der Bereitstellung künftiger Klimalösungen spielen. Die Automobilindustrie beispielsweise entwickelt Technologien und Produkte, um von der emissionsintensiven Technologie der Verbrennungsmotoren wegzukommen. Eine Reihe von Automobilherstellern und -zulieferern haben ehrgeizige langfristige Klimaziele und hohe Investitionsverpflichtungen, die für die Branche wirklich transformativ sein könnten – und daher einen tieferen Einblick in die Strategien der Unternehmen erfordern, als mit einer einzigen Kennzahl möglich ist.
Förderung von Klimaresilienz: Selbst wenn es der Menschheit gelingen sollte, die globale Erwärmung gemäß dem Pariser Abkommen auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, werden wir unsere Infrastruktur und unsere Gesellschaft anpassen müssen, um die unumkehrbaren Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen. Denn extreme Wetterereignisse werden weiter zunehmen und unsere Gebäude, Verkehrs- und Gesundheitssysteme belasten. So muss beispielsweise die energieintensive Bauwirtschaft eine zentrale Rolle bei der Förderung nachhaltiger Technologien, Strukturen und Materialien spielen, etwa durch wirksamere Gebäudeisolierungen.
Der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft ist ein wichtiger und dringender Schritt, um die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen. Wir unterstützen nachdrücklich Klimamaßnahmen und diejenigen, die Schritte zur Bekämpfung der globalen Erwärmung unternehmen.
Es muss jedoch sichergestellt werden, dass die Maßnahmen gut durchdacht sind, auf einem ganzheitlichen Verständnis der Problematik beruhen und Unternehmen belohnen, deren Aktivitäten für einen erfolgreichen Übergang von entscheidender Bedeutung sein werden.
Wir sehen die Initiative der Europäischen Zentralbank als einen Schritt in die richtige Richtung und freuen uns auf die Weiterentwicklung ihrer Leitlinien, um der komplexen Realität der Klimaproblematik noch besser gerecht zu werden.
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