Zeitenwende überall. Geopolitisch strukturiert sich die Welt neu. Die „Deglobalisierung“ nimmt Gestalt an. Demografisch wächst die Welt zwar weiter, wird dabei aber älter und die Zuwachsraten nehmen ab. Die Babyboomer verabschieden sich in die Rente. Bereits seit 2013 scheiden in den Industriestaaten mehr Menschen aus dem Arbeitsleben aus, als neue hinzutreten. Plötzlich werden Arbeitskräfte knapp, woran nicht zuletzt die jüngsten Arbeitsmarktdaten aus den USA erinnern.
Die Inflation – ein lange für tot geglaubtes Gespenst – meldet sich mit lautem Gepolter zurück und zwingt die Zentralbanken der Welt zum Handeln. Ob diese das in Anbetracht der sich abschwächenden Konjunkturdaten wollen oder nicht. Daran hat nicht zuletzt das Treffen der Zentralbanken in Jackson Hole erinnert. Von Seiten der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) aber auch der Europäischen Zentralbank (EZB) kamen geradezu erstaunlich klare Worte, dass die Inflationsbekämpfung Vorrang sogar vor Wachstumsfragen hat.
Die historisch einmalige Phase negativer (Nominal-)Zinsen kam zu einem abrupten Ende. Dafür sehen sich die Anleger nach Abzug der Inflation jetzt mit tiefroter Realrendite konfrontiert. Und während die aktuellen Konjunkturdaten immer argwöhnischer auf rezessive Tendenzen, ja sogar auf Stagflation abgeklopft werden, entfaltet sich die neue, langfristige Wachstumswelle hin zur klimaneutralen Ökonomie. Eine Zeitenwende. Die Verlierer und Gewinner des Dekarbonisierungstrends sortieren sich bereits jetzt. Für die Umstellung auf die treibhausgasneutrale Weltwirtschaft sind der Krieg gegen die Ukraine und die damit verbundenen Lieferengpässe bei Gas geradezu ein Katalysator. Ein Katalysator auch für die Deglobalisierung. Wurde diese schon von der Digitalisierung (welche Roboterarbeitsplätze im Inland gegenüber Arbeitsplätzen in Übersee preiswerter werden lässt) und der Brüchigkeit der Lieferketten beschleunigt, so kommen die geopolitischen Spannungen jetzt noch dazu.
In der Summe zeigt sich: Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben. Auch das eine Zeitenwende.
Bei niedrigen Nominal- und tiefroten Realrenditen ist es für die Kapitalanlage keine leichte Aufgabe zumindest die Kaufkraft des Vermögens zu verteidigen. Ohne risikoreichere Anlageformen wie Aktien wird es nicht gehen. Diese haben sich in der Vergangenheit gegenüber der Inflation gut geschlagen. Zu mehr Rendite gehört aber immer auch mehr Risiko. Und die Risiken haben nicht abgenommen: Die Konjunktur bewegt sich auf abschüssigen Pfaden, die Zentralbanken kämpfen gegen die Inflation und dürften, von Ausnahmen wie China abgesehen, die Zinsen weiter anheben. Und natürlich immer wieder die Geopolitik.
Dies ist eine gute Zeit, die mittel-/längerfristige Zusammensetzung der Kapitalanlage zu überdenken und auf die Segmente zu setzen, die von der Zeitenwende profitieren.
Taktische Allokation Aktien & Anleihen
- Die ökonomische Großwetterlage trübt sich weiter ein. Das wird auch in den Konsensus-Schätzungen deutlich. Während die Inflationserwartungen für das laufende und das kommende Jahr quer über alle Regionen immer weiter nach oben geschraubt werden, passen die Volkswirte ihre Wachstumserwartungen nach unten an.
- Nach hauseigenem proprietären Rezessions-Risiko-Indikator ist die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA deutlich gestiegen, auch wenn der Arbeitsmarkt dort noch unter Volldampf steht.
- Die Geldpolitik, vor allem jene der US-Notenbank Fed, sollte sich davon kaum beeindrucken lassen. Die Zentralbanken wissen, dass sie ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen müssen, nachdem sie viel zu lange von einer nur „vorrübergehenden“ Inflation ausgegangen sind. Die Folge: Sie haben jetzt in Sachen Zinsanhebungen mehr zu tun.
- Aus kurzfristiger, taktischer Sicht legt das Gesamtbild noch eine Untergewichtung von Aktien unter Risikoerwägungen nahe.
Aktien
- Die Bewertungen sowohl für Aktien als auch für Staats- wie Unternehmensanleihen haben sich über einen breiten Kriterienkranz hinweg verbessert, zeigen sich aber noch als sehr heterogen.
- So können Aktien aus der Eurozone, dem Vereinigten Königreich und den aufstrebenden Staaten als unterbewertet angesehen werden. Bei US-amerikanischen Aktien sind die Bewertungsabschläge der letzten Monate aber geringer ausgefallen, so dass dieses Marktsegment weiter als überbewertet erscheint. Insgesamt ergibt sich damit für globale Aktien ein merklicher Abbau von Überbewertungen.
- Die überhöhten Erwartungen an die Unternehmensgewinne der nächsten drei und fünf Jahre sind zurückgekommen, was Enttäuschungen verringern sollte.
Anleihen
- Nach der langen Phase negativer Nominalzinsen setzt sich die finanzielle Repression nun mit einer Phase negativer Realzinsen fort.
- Die Inflation verfestigt sich. Die von Energie- und Nahrungsmittelpreisen unabhängige Kernrate steigt weiter beharrlich.
- Die Finanzierungsbedingungen haben sich global verschlechtert, vor allem in den aufstrebenden Ländern.
- Bei den Staatsanleihen brachten die Renditeanstiege der letzten Monate eine eher überschaubare Verbesserung der Bewertungssituation. Staatsanleihen haben zwar fast durchgängig das negative Renditeterritorium verlassen, bewegen sich aber immer noch – besonders in Anbetracht der Inflation – auf niedrigen Niveaus. Das legt, in Anbetracht der Inflationsentwicklung und der zu erwartenden Geldpolitik, kürzere Laufzeiten nahe, da sie das Durationsrisiko einschränken.
- Im Euroraum sollte der Schwerpunkt der Anlage auf den Kernländern liegen.
Bange machen gilt nicht. Profitieren Sie von der Zeitenwende.
Dr. Hans-Jörg Naumer
Director Global Capital Markets & Thematic Research
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