Mehr und mehr setzt sich an den Kapitalmärkten die Stimmung durch, eine Rezession könne verhindert werden. Dies bei gleichzeitig fallender Inflation, was den Weg zu geldpolitischen Locke-rungen frei machen würde. Nicht zuletzt die jüngste Umfrage der Bank of America unter den Fondsmanagern weltweit scheint dieses Bild zu bestätigen. Unbeschadet der Tatsache, dass diese Haltung die unverändert bestehenden geo-politischen Risiken außen vorlässt, stellt sich die Frage, inwieweit die Stimmung mit der tatsächlichen Lage übereinstimmt.
Während die schneller als erwartete Rückkehr Chinas aus der LockdownPhase und ein weniger starker Energiepreisschock in Europa zwei wichtige Risiken für die Weltwirtschaft verringern, muss sich dies in den allgemeinen Wirtschaftsdaten erst noch widerspiegeln. Unser hauseigener Makro-Indikator zur Konjunkturdynamik („Macro Breadth Growth Index“), der ein breites Set von über 200 Datensätzen umfasst, ist im Januar den vierzehnten Monat in Folge gesunken. Er wurde in fast allen wichtigen Industrie und Schwellenländern durch eine Verschlechterung belastet. Dabei bildeten die Eurozone (dritter Monat mit Verbesserung) und Indien bemerkenswerte Ausnahmen. Bei der US-Wirtschaft dagegen ist noch nicht ausgemacht, ob sie einer Rezession entgehen kann oder nicht. Was den USA, bei noch bestehenden Risiken, zugutekommt, ist der starke Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote sank zwischenzeitlich auf ein neues 53-Jahres-Tief.
Entspannung zeigt sich bei der Inflation. Die Inflationsdynamik hat weiter nachgelassen. Und unser Makro-Indikator zur Inflationsdynamik („Macro Breadth Inflation Index“) ist zum sechsten Mal in Folge gesunken. Obwohl dieser Trend durch einen langsameren Anstieg der globalen Verbraucherpreise von 6,7 % im Dezember (nach einem Höchststand von 7,8 % im dritten Quartal 2022) bestätigt wurde, bleibt der zugrunde liegende Preisdruck noch immer viel zu stark.
Der langsamere Anstieg der Inflationsraten im Jahresvergleich sollte nicht als Zeichen einer nachhaltigen und breit angelegten Disinflation missverstanden werden. Schon allein die Historie zeigt, ein Anstieg der Inflation klingt in der Regel nur langsam und über mehrere Jahre ab. Dazu kommen die säkularen Preistreiber Demografie, Deglobalisierung und Dekarbonisierung. Außerdem spüren wir aktuell ein Überspringen der Inflationstreiber auf die Kernkomponenten des Warenkorbes, weil z. B. Energiepreise oder steigende Lohnkosten übertragen werden.
In diesem Kontext dürften sowohl die US-amerikanische Zentralbank Federal Reserve (Fed) als auch die Europäische Zentralbank (EZB) die Geldpolitik weiter straffen. Das wird nicht jedem schmecken, der auf eine allzu schnelle geldpolitische Wende und wieder fallende Zinsen hofft. Auch die Bank of Japan (BoJ) scheint nicht länger untätig bleiben zu wollen: Die Lockerungen bei der Zinskurvensteuerung, welche in Japan wieder (leicht) steigende Anleiherenditen zulassen, sollten als erster Schritt der BoJ zur Überwindung des langanhaltenden Null- bzw. Negativrenditeumfelds interpretiert werden.
In der Summe bedeutet dies: Die konjunkturellen Risiken sind noch nicht überwunden. Der Inflationsdruck dürfte uns weiterhin begleiten. Die Geldpolitik könnte länger restriktiv bleiben als dies die Geldmärkte aktuell vorwegnehmen.
Das legt folgende taktische Allokation für Aktien und Anleihen nahe:
- Die Bewertungen an den Märkten für Aktien, Staatsund Unternehmensanleihen liegen mittlerweile näher an der neutralen Marke, sind aber zumeist noch nicht günstig zu nennen.
- Besonders der US-amerikanische Aktienmarkt sticht durch eine hohe Bewertung hervor. Dies ist u. a. auch seinem Status als „sicherer Hafen“ geschuldet, was schon in der Vergangenheit i. d. R. höhere Bewertungen mit sich brachte.
- Die Skepsis der Fondsmanager weltweit hat sich derweil nur kaum gelegt, die Positionierung bleibt vorsichtig. Gleichzeitig haben gemäß Umfrage der Bank of America die Rezessionssorgen nachgelassen. Die im längerfristigen Vergleich auffällig hohen Cash-Bestände wurden nur leicht abgebaut. Das heißt, die „starken Hände“ am Kapitalmarkt sollten die Möglichkeit zum Aufstocken von Aktien haben, was dieses Segment insgesamt stützen dürfte.
- Während aus strategisch-langfristiger Sicht das Renditepotenzial von Aktien benötigt werden dürfte, liegt aus kurzfristig-taktischer Betrachtung eine neutrale Gewichtung von Aktien und Anleihen nahe.
Investmentthema: Dividenden – Stabilität in unruhigen Zeiten
- Die Erholung bei den Dividendenausschüttungen nach dem Pandemiejahr 2020 setzt sich auch 2022 fort. Der Anteil der Dividendenzahler im STOXX Europe 600 liegt zwar noch nicht ganz auf dem Vor-Pandemieniveau von 2019, hat aber im abgelaufenen Jahr weiter zugelegt und erreicht nahezu die 90-%-Schwelle. Beim S&P 500 konnte der Anteil der Dividenden zahlenden Unternehmen ebenfalls schon fast wieder zum vorherigen Niveau aufschließen.
- Vor allem Investoren in europäischen Aktien konnten sich in der Vergangenheit über hohe Ausschüttungssummen freuen. Diese halfen, die Gesamtperformance in Jahren negativer Kursentwicklung zu stabilisieren, wie die Betrachtung 5-jähriger Anlageperioden von 1978 bis Ende 2022 zeigt. Bezogen auf die annualisierte Rendite über fünf Jahre konnten Dividenden Kursverluste teilweise kompensieren.
- Über den gesamten Zeitraum von 1978 bis Ende 2022 wurde die annualisierte Gesamtrendite der Aktienanlage für den MSCI Europa zu ungefähr 35 % durch den Performance-Beitrag der Dividenden getragen. In Nordamerika (MSCI Nordamerika) bzw. Asien-Pazifik (MSCI Pazifik) wurde die Gesamtperformance zu gut 26 % bzw. knapp 31 %, also jeweils zu mehr als einem Viertel, durch die Dividende bestimmt.
- Die Dividenden selbst schwanken im Allgemeinen weniger als die Konzerngewinne, wie hauseigene Berechnungen auf Grundlage der Daten von Robert Shiller1 verdeutlichen.
- Die Vergangenheitsbetrachtung zeigt: Dividenden können vielleicht nicht jedem Sturm – wie beispielsweise der Pandemie – standhalten. Sie können jedoch ein bestimmtes Maß an Verlässlichkeit aufzeigen, was gerade in Zeiten der Disruption sehr willkommen ist. Dabei leisten sie einen hohen Beitrag zur Gesamtrendite.
Dr. Hans-Jörg Naumer
Director Global Capital Markets & Thematic Research
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