Vor einigen Wochen haben wir an dieser Stelle darüber nachgedacht, ob die ersten Risse im Finanzsystem die Zentralbanken vorsichtiger in Ihren Zinserhöhungszyklen werden lassen könnten. Die Finanzmärkte hatten auf diese Frage eine klare Antwort gegeben – teilweise war am US-Geldmarkt für das Jahresende ein Leitzins von 3.75% vorausgesehen worden, das hätte zu diesem konkreten Zeitpunkt Mitte März Zinssenkungen von gerundet einem Prozent (!) im restlichen Jahresverlauf 2023 entsprochen.
In der Zwischenzeit hat sich die Lage im Bankensystem beruhigen können, entsprechend haben sich auch die Zinssenkungserwartungen etwas zurückgebildet. Eine systemische Abwärtsspirale konnte durch schnell bereitgestellte Liquidität recht zügig gestoppt werden. Banken werden immer eng verknüpft sein mit den Volkswirtschaften, in denen sie aktiv sind. Ohne den weichen Faktor Vertrauen kann eine Bank dauerhaft nicht überleben. Aber: Es spricht Stand heute wenig dafür, dass sich der traditionelle, einigermaßen engmaschig regulierte Bankensektor ähnlich wie 2007 bis 2009 im Epizentrum der nächsten Krise befinden wird, auch wenn einzelne US-Institute in diesen Tagen um ihr Überleben kämpfen.
Unterdessen hat sich die Furcht vor einer Energiekrise und einer Winterdepression in Europa endgültig verflüchtigt. In China kommt vor allem die Binnenwirtschaft wieder zügig in Gang. Und in den USA? Hier trotzt bisher vor allem der Dienstleistungssektor standhaft den Bemühungen der Federal Reserve (Fed), die Wirtschaft abzukühlen. Der Konsum bleibt ausreichend untermauert. Noch immer scheint auf Pandemie-Ersparnisse zurückgegriffen werden zu können, zudem spült der brummende Arbeitsmarkt eine auskömmliche Lohnsumme zu den Haushalten.
Dies bedeutet auf der anderen Seite wenig Fortschritt bei der Inflationsbekämpfung. Die Kerninflationsrate des bei der Fed bevorzugten Warenkorbes der persönlichen Konsumausgaben („Core PCE“) liegt mit einer Jahresrate von 4.6% weiter mehr als doppelt so hoch wie das 2%-Ziel. Andere Messmethoden wie der Index der selten angepassten „starren“ Preise der Atlanta Fed ergeben sogar Preissteigerungsraten über 6% im Jahresvergleich.
Global betrachtet erscheint das Wachstum gerade widerstandsfähiger als gedacht, eine Rezession in den USA und anderswo etwas weiter weg als vor einigen Monaten befürchtet. Aber ist der Konjunkturzyklus unkaputtbar? Eher nicht. Zum einen dürfte die Wirkung der bereits erfolgten Zinserhöhungen schrittweise stärker durchschlagen, zum anderen könnten noch einige (wenige?) weitere Zinsschritte erfolgen – insbesondere von den Nachzüglern in Sachen Zinsnormalisierung, wie beispielsweise der Europäischen Zentralbank (EZB).
Nach den Anspannungen im Bankensektor könnten sich die Kreditvergabebedingungen in wichtigen Regionen verschärfen, ein Trend, der bereits vor der jüngsten Abwicklung einiger Banken begonnen hat. Im Verarbeitenden Gewerbe sind auch schon Bremsspuren bei Auftragseingängen zu beobachten, derzeit wird die Produktion aber noch durch das Abarbeiten des Auftragsbestandes gestützt.
Nach den durchaus erfreulichen Wachstumszahlen in China gilt es nunmehr im Auge zu behalten, wie sich die Konjunktur in anderen Regionen der Welt verhält, vor allem mit Blick auf die Inflations- und damit auch die BIPEntwicklung. In der kommenden Woche finden Sitzungen zweier der großen Notenbanken statt, von denen Zinsentscheidungen zu erwarten sind. Darüber hinaus werden auch die neuesten Umfragedaten aus China bekannt gegeben.
Dies schlägt auch schrittweise auf die Gewinnentwicklung der Unternehmen durch: Sowohl Umsätze als auch Gewinnmargen sind im Vergleich zum extrem starken Vorjahr rückläufig. Allerdings können Aktien als „reale“ Unternehmensbeteiligungen ihre Fähigkeit ausspielen, Preissteigerungen in einem gewissen Rahmen zeitnah an ihre Kunden weiterreichen zu können. Im Vergleich zu einer längeren Historie sehen Umsatzwachstum sowie Margen bislang weiter robust aus.
Für Anleger ergeben sich daraus folgende Konsequenzen bei der Vermögensallokation:
Die Aktienmärkte, vor allem in Europa, haben zuletzt den Eindruck erweckt, die „Mauer der Sorgen“ erklimmen zu können. Je länger die Konjunktur unkaputtbar erscheint, je höher könnten sie klettern. Es gibt aber weiter sehr valide Argumente für einen deutlich unruhigeren Ausblick. Wir bleiben vorerst auf der vorsichtigen Seite, regional präferieren wir europäische und asiatische Märkte.
Je unruhiger das Fahrwasser, je höher die Chancen, dass Staatsanleihen als sicherer Hafen angesteuert werden dürften. Die Unklarheit darüber wie viele Zinserhöhungen von den wichtigsten Zentralbanken noch erfolgen werden, bleibt jedoch bestehen. Der Kampf gegen die Inflation dürfte sich als Marathon erweisen.
Sollte die US-Notenbank Fed etwas früher als andere Zentralbanken ein Abebben des Zinserhöhungszyklus signalisieren, könnte sich eine Aufwertung von Währungen wie dem Euro oder dem Yen ergeben – bei diesen Zentralbanken sehen wir noch stärkeres Potential für eine geldpolitische Verschärfung.
Ich wünsche Ihnen eine unkaputtbare Gemütslage für die kommenden Wochen,
Stefan Rondorf
Senior Investment Strategist, Global Economics & Strategy
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