Welche Ursachen liegen den aktuellen Spannungen im Bankensystem zugrunde? Und mit welchen Folgen müssen Anleger in den kommenden Monaten rechnen?
Die erste Frage beantwortet sich mit einem Blick zurück in das Jahr 2009: Die Beweggründe für die damalige Strategie der quantitativen Lockerung, die der seinerzeitige US-Notenbankchef Ben Bernanke formulierte, geben Aufschluss. Das Ziel dieser Maßnahme war es, Investoren zu zwingen, sich von sicheren Anlagen mit niedrigen Renditen zu trennen, um dem Einbruch der Geldnachfrage im Zuge der globalen Finanzkrise entgegenzuwirken. Der durch die zahlreichen Bankenzusammenbrüche ausgelöste negative Schock hatte die Bilanzen, das Anlegervertrauen und in gewissem Maße auch das ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte stark in Mitleidenschaft gezogen. So dauerte es lange, bis diese Strategie Wirkung zeigte.
Die quantitative Lockerung wurde schließlich von anderen Zentralbanken vor dem Hintergrund einer anhaltend niedrigen Inflation und bei jedem danach auftretenden Konjunkturschock angewandt. Während der Corona-Pandemie erwies sie sich allerdings als schwerer Fehler. Denn im Gegensatz zu 2008 zog die Liquiditätsnachfrage an, weil sich die Staaten und auch die Privatwirtschaft eilig um Lösungen für die Krise bemühten. Dies führte zu einer Verknappung der ohnehin begrenzten Ressourcen in der Realwirtschaft.
In der Folge kam es zu steigenden Preisen, auf die die Notenbanken erst mit einem zeitlichen Nachlauf reagierten und abrupt die Zinswende einläuteten. Diese setzte schließlich das Bankensystem unter Druck, als risikoscheue Einleger Schwachstellen im Risikomanagement ans Tageslicht brachten bzw. die Sorgen der Investoren über mögliche Liquiditätsengpässe der Institute verstärkten. Besonders deutlich zeigten sich diese Belastungen bei kleineren Banken in den USA (auch als Regionalbanken bezeichnet), was zum Teil auf die Deregulierung dieses Segments unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump zurückzuführen ist.
Somit ist die Häufung finanzieller „Unfälle“ in den letzten sechs Monaten kein Zufall. Es handelt sich vielmehr um den lang andauernden zeitlichen Nachlauf in der Geldpolitik, der seinen Tribut fordert – Im Gegensatz zu der langen Phase ruhiger Inflation bis zum Jahr 2020, in der Konjunkturrisiken nur langsam entstanden, erleben wir heute immer schneller eintretende Wendungen. Und tatsächlich spiegelt sich diese Entwicklung in der Zurückhaltung der Notenbanken, die Zinsen weiter anzuheben, solange keine eindeutigen Beweise für eine Beeinträchtigung der Transmissionskanäle für die Kreditvergabe durch die Belastungen der Banken vorliegen.
Bis die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) ihre jeweiligen Umfragen zur Kreditvergabe im Mai 2023 veröffentlichen, bleibt ein gewisses Vakuum. Sollte es bis dahin zu keinen weiteren Verwerfungen kommen, dürften die Sorgen der Marktteilnehmer über eine akute Schieflage und die Notwendigkeit von Notfall-Zinssenkungen abnehmen.
Die Weichen in Richtung noch restriktiverer Kreditbedingungen dürften bereits gestellt sein. Und wir sollten von weiter steigenden Finanzierungskosten der Banken ausgehen. Dies wiederum wird im Laufe der Zeit zu teureren Krediten für Unternehmen und Haushalte führen. Vor allem in den USA, wo die Regionalbanken eine Schlüsselrolle im gewerblichen Immobiliensektor spielen, ist bestenfalls mit einem sehr mageren Wachstum in der zweiten Jahreshälfte zu rechnen.
Für Anleger ergeben sich daraus folgende Ansätze bei der Asset Allokation:
- Das unsichere Umfeld im Bankensektor verstärkt die allgemeinen Konjunktur- und Anlagerisiken. Insgesamt empfiehlt sich bei Aktien eine vorsichtige Gewichtung, wobei die Eurozone und China zu den bevorzugten Regionen gehören dürften.
- Mit einer Outperformance von Staatsanleihen der Industriestaaten darf weiterhin gerechnet werden. Die Notenbanken müssen derzeit noch für die Wiederherstellung der Preisstabilität sorgen. Sollte sich allerdings die Erwartung eines schwächeren Wirtschaftswachstums im weiteren Jahresverlauf bestätigen, dürfte sich das Ende des Zinserhöhungszyklus deutlicher abzeichnen.
- Zwar neigt der US-Dollar in Phasen finanzieller Anspannung dazu, an Stärke zu gewinnen. Doch dürften die mittelfristigen Aussichten für den Kurs Euro/US-Dollar zunehmen. Ohne die Erwartung weiterer signifikanter Zinserhöhungen durch die US-Notenbank ist nach hauseigenen Berechnungen eine anhaltende Aufwertung des Euro auf über 1,10 US-Dollar zunehmend wahrscheinlich.
Halten Sie Ausschau nach den Risiken und Chancen, die sich aus dem langen zeitlichen Nachlauf der Geldpolitik ergeben!
Ihr
Sean Shepley
Director, Senior Economist
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