Marktberichte

Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 06.09.2024

„September Rain“?

Gemütlich war er nicht, der August, aber am Ende war dann doch wieder alles im grünen Bereich. Was sich zu Beginn des Vormonats unter dem Signum des "Börsenbebens" abzeichnete, getriggert von Wachstumssorgen mit Blick auf die USA, aber auch von Spekulanten, die von einem aufwertenden Yen und gleichzeitig steigenden (Leit-)Zinsen auf dem falschen Fuß erwischt wurden, war Tage später schon wieder ausgeglichen. Der Nikkei 225, als Leitzindex für Japan, brauchte etwas länger, bis er den roten Bereich abschütteln konnte (er war ja auch am tiefsten gefallen), aber auch er konnte sich aus dem Sog nach unten befreien. Zum September hin herrschte fast schon wieder eitler Sonnenschein.

Kurios: Während die deutsche Wirtschaft im 2. Quartal schrumpfte, Investitionen und Konsum rückläufig waren, erreichte der DAX, als Benchmark für den deutschen Aktienmarkt ein neues Rekordhoch. Ein Beleg dafür, wie gut die "offene Wirtschaft" (in Anlehnung an Karl Popper) den Unternehmen tut, und ein kleiner Vorgeschmack darauf, was "Deglobalisierung“ noch mit sich bringen könnte, denn ein Großteil der Gewinne der DAX-Titel wird im Ausland erzielt.

Auch einige der anderen großen Indizes nahmen zum Zeitpunkt des Schreibens wieder Anlauf auf ihre Allzeithochs, oder hatten dieses bereits überschritten, wie der - gleichgewichtete - S&P 500 für den US-Markt. Während das letzte Drittel des Jahres anläuft, schauen die Märkte über den anstehenden Zinsentscheid der Federal Reserve Bank (Fed) hinweg schon beinahe auf das neue Jahr, welches nicht zuletzt auch vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA (5. November) geprägt werden dürfte.

Mit der Nominierung von Kamala Harris durch die Demokraten ist zwar ein neuer Schwung in den Wahlkampf gekommen, der auch zu veränderten Meinungsumfragen führte. Aber wer am Ende Präsidentin oder Präsident wird, ist damit nicht sicher, auch nicht, über welche Mehrheiten der/die neue „POTUS“ („Präsident of the United States“) in den beiden Häusern des Kongresses verfügen wird, denn auch dort wird ein Anteil der Mitglieder neugewählt. Für Unsicherheiten ist also gesorgt.

Unsicherheiten – das führt zum Kalendereffekt, also etwas, was es nach der Lehre rationaler Erwartungen und effizienter Kapitalmärkte gar nicht geben darf. Tatsächlich aber wies der September, gemessen z.B. am MSCIWelt oder auch am DAX, im Durchschnitt der letzten Jahrzehnte eine negative Rendite aus. Ist eine verregnete Performance im September angesagt – „September Rain“ also?

Vor schematischem Denken sei gewarnt. Zwar weisen Median- und Mittelwert über die letzten Jahrzehnte für den MSCI-Welt und den DAX eine negative Performance aus (vgl. unsere Grafik), aber die Varianz darum ist ebenfalls sehr groß. Kein Grund also die fundamentale Entwicklung außer Acht zu lassen: Hier schreibt sich das Szenario der „sanften Landung“ fort.

Nachdem das Wachstum im 2. Quartal 2024 leicht unter dem Potenzial lag, verlor die Weltwirtschaft zu Beginn der zweiten Jahreshälfte weiter an Schwung. Von den großen Industrieländern verzeichneten die Vereinigten Staaten die deutlichste Verlangsamung, und auch in der Eurozone und im Vereinigten Königreich gab es Anzeichen für einen Rückschlag, nachdem in den Monaten zuvor eine Erholung zu verzeichnen war. Japan konnte sich jedoch diesem negativen Trend widersetzen und ist auf dem Weg zu einem stärkeren Wachstum des Bruttoinlandsproduktes im 2. Halbjahr. Die makroökonomische Stimmung blieb gedämpft, wobei die schwächere Stimmung der Unternehmen weltweit teilweise durch eine leichte Verbesserung des Verbrauchervertrauens ausgeglichen wurde.

Zusammen mit dem inflationären Umfeld spricht nichts dagegen, dass die großen Zentralbanken ihre Politik der Zinslockerung einsteuern (Fed) bzw. fortsetzen (wie z.B. EZB, BoE - Bank of England und Schweizer Nationalbank).

Das legt folgende taktische Allokation für Aktien und Anleihen nahe:

  • Mit den anstehenden Leitzinssenkungen wird „Cash“ als Anlageform immer unattraktiver.
  • Bei einer zu erwartenden Versteilerung der Zinsstrukturkurven von den kurzen und mittleren Laufzeiten her, werden die längeren Laufzeiten attraktiver.
  • Die längeren Laufzeiten dürften sich, in Anbetracht der konjunkturellen Verlangsamung bei Beruhigung an der Preisfront als stabil erweisen.
  • Risikoreichere – und damit renditeträchtigere – Anlageformen wie Aktien geraten in den Fokus.
  • Nach unserem breiten Set an Bewertungskriterien sind die Aktienmärkte regional aufgefächert unterschiedlich attraktiv gepreist.
  • Während unsere hauseigene Bewertungs-„Ampel“ für die Eurozone, das Vereinigte Königreich und die aufstrebenden Länder auf „gelb“ oder sogar „grün“ steht, zeigt sich der US-amerikanische Aktienmarkt als sehr fordernd gepreist.
  • Dabei muss jedoch die starke Bewertung der „großartigen 7“ Aktien gesondert berücksichtigt werden. Ohne diese erscheinen das Technologiesegment wie der Gesamtmarkt als nicht überbewertet.
  • Auch sollten die Bewertungen im Kontext der Gewinnentwicklung gesehen werden. Wie die Unternehmensberichte zum 2. Quartal gezeigt haben, verfügen die US-Unternehmen immer noch über Preissetzungsmacht.
  • Dabei fällt nach dem „Beben“ im August auf, dass die Konzentration auf die „Fantastischen 7“ nachzulassen scheint, was wichtig wäre, damit der Aktienmarkt mehr an Breite gewinnt.
  • Tatsächlich haben sich der S&P 500, gleich- wie marktkapitalisierungsgewichtet, gut erholt, die relative Performance der beiden Indexberechnungen zeigt jedoch, dass der gleichgewichtete S&P 500 besser abschnitt. So schnitt dieser zuletzt auch gegenüber NASDAQ und FANG+ Index über den Monatswechsel hinweg besser ab.
  • Schneidet der gleichgewichtete Index relativ besser ab, deutet dies daraufhin, dass die Dominanz der vorher tonangebenden Indexmitglieder nachgelassen hat, deshalb gilt es, diese Entwicklung genau zu verfolgen.

Und weil wir gerade beim „Regen“ sind: Es gibt ihn auch, den warmen „November Rain“. Die letzten beiden Monate waren in der Vergangenheit gute Monate an den Aktienmärkten. In diesem Jahr könnte der Novembereffekt mit den Wahlen in den USA in dem Sinn zusammenfallen, als die Nachwahlphase performanceseitig oft die bessere ist, da Unsicherheiten, die sich im Vorfeld des Urnengangs ergeben, dann wieder ausgepreist werden.

Investmentthema:

Dividenden - Stabilität in Zeiten der Disruption

  • Ob Deglobalisierung, Digitalisierung, Demographie oder Dekarbonisierung – Disruption findet allerorten statt. Spätestens hier kommen die Dividenden ins Spiel. Sie sollten in ihrer stabilisierenden Wirkung auf die Gesamtperformance nicht unterschätzt werden.
  • Gemäß unseren Berechnungen lieferten Dividenden historisch betrachtet einen signifikanten Beitrag zur Gesamtrendite von Aktien. Über die letzten 40 Jahre lieferten sie bei europäischen Aktien mehr als ein Drittel der Gesamtperformance.
  • Die Unternehmen tendieren dazu, ihre einmal eingeschlagene Dividendenpolitik beizubehalten und Dividenden eher zu erhöhen als zu senken, auch wenn sich die Unternehmensgewinne schwächer entwickeln.
  • Aktien von Unternehmen, die Dividenden ausschütten, haben sich in der Vergangenheit zudem als weniger schwankungsanfällig erwiesen als Aktien von Firmen, die nicht ausschütten.
  • Das rückt auch das Kapitaleinkommen in den Blick der Anlage: Warum nicht Investieren in der Erwartung dadurch ein „Zubrot“ zum laufenden Arbeits- oder Renteneinkommen zu erhalten?

Einen warmen Renditeregen wünscht Ihnen

Dr. Hans-Jörg Naumer
Director Global Capital Markets & Thematic Research


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