Die aktuelle Lage an den Kapitalmärkten hat so etwas von Samuel Becketts „Warten auf die Godot“: Es wird viel gesprochen über die Rezession, aber ob sie am Ende kommt, ist unklar, zumindest was die größte Volkswirtschaft der Welt, die USA betrifft. Deutschlands Wachstumsraten bewegen sich bereits im leicht negativen Terrain. Dem wird sich auch die Eurozone nicht entziehen können. Dazu kommt eine merkliche Abschwächung in China, die am Rest der Welt nicht vorbeigehen wird. Die US-Volkswirtschaft zeigt sich noch sehr robust und die Rezessionsprognosen schieben sich immer etwas weiter nach hinten. Der ungewöhnlich starke Arbeitsmarkt macht es nicht gerade leichter eine genauere Schätzung für eine Phase negativen Wachstums anzugeben. Die demographische Entwicklung und vor allem ein Nachhalleffet der Covid-Pandemie, die dazu führte, dass ein Teil der Beschäftigten einfach nicht mehr in den Arbeitsmarkt zurückkehrte, sorgen unverändert für eine hohe Auslastung. Wer will da schon bei sehr niedrigen Arbeitslosenzahlen von Rezession sprechen? Da gilt man fast als Spielverderber.
Tatsächlich muss man ins Kleinklein des Datenreigens schauen, um Verspannungen am US-Arbeitsmarkt zu erkennen. So zeigt der jüngste Bericht einen leichten Anstieg der Arbeitslosenrate an, der von einer wieder steigenden Partizipationsrate getrieben sein dürfte. Es kehren wieder mehr Menschen grundsätzlich in den Arbeitsmarkt zurück. Die Logik dahinter: Die aus der Pandemie-Zeit stammenden Überschussersparnisse werden langsam aufgebraucht. Die hohe Zahl der offenen Stellen lädt zu Bewerbungen ein. Durch die noch immer hohe Inflation bei gleichzeitig steigenden Löhnen werden die Opportunitätskosten des Zu-HauseBleibens höher.
Verständlich, wenn die US-Zentralbank Fed weiter sehr wachsam und immer bereit zum nächsten Zinsschritt bleibt. Verständlich auch, wenn es bei den verbleibenden Unsicherheiten zu einer Abkoppelung von Aktien- und Anleihemärkten kommt: Setzen die Aktienmärkte noch auf ein Softlanding-Szenario, preisen die Anleihemärkte mit zunehmender Hartnäckigkeit die Rezession ein, wie es sich aus den inversen Zinsstrukturkurven ablesen lässt (vgl. Grafik der Woche).
Die Woche voraus
Aus dem Datenreigen der kommenden Woche stechen der ZEW-Index der Konjunkturerwartungen am Dienstag für die Eurozone und die Verbraucherpreise für die USA am Mittwoch hervor. Der Ölpreisanstieg der letzten Wochen dürfte für einen Anstieg auch der Vorjahres-Veränderungsrate der Verbraucherpreise gesorgt haben, wohingegen es bei der Kernrate auf Vorjahresbasis zu einer leichten Verbesserung gekommen sein dürfte. Die für Datenpunkte am Freitag ergeben ein leicht gemischtes Bild für die USA: Der Empire State Index sollte weniger negativ ausfallen, während es nur zu einem schwachen Anstieg der Industrieproduktion im Vergleich zum Vormonat kommt und das Verbrauchervertrauen der Universität von Michigan einen leichten Zugewinn ausweisen sollte.
Wichtigstes Ereignis der neuen Woche sollte die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag sein. Diese hat von ihrer „Forward Guidance“ auf Datenabhängigkeit umgestellt, d.h. sie tastet sich bzgl. des weiteren Zinspfades an der Entwicklung von Preisen und Konjunktur entlang, um dann zu entscheiden, was zu tun ist. Einfach hat sie es dabei nicht. Die Konjunkturentwicklung würde ein Nichtstun unterstützen, bleibt die Konjunktur der Eurozone doch hinter der EZB-Projektion zurück. Bei der Inflation kam es zwar zu Rückgängen bei den Veränderungsraten, Gründe sich zurückzulehnen, lassen sich daraus aber noch nicht ableiten. Dennoch hat sich der Markt-Konsensus laut Bloomberg derweil mehrheitlich schon auf unveränderte Leitzinsen eingestellt. Eine Zinsanhebung, die auch aus Gründen der Glaubwürdigkeit erfreulich wäre, dürfte den Markt verschnupft zurücklassen.
Die technische Situation an den Aktienmärkten ist eher begünstigend. Die Relative-Stärke-Indikatoren bewegen sich in den großen Aktienmarktsegmenten im neutralen Terrain. Ein Abgabedruck ist nicht zu sehen. Die AdvanceDecline-Linien, welche die Anzahl der im Kurs gestiegenen zur Anzahl der gefallenen Aktien ausweisen, deuten auf eine zunehmende Marktbreite des Anstiegs hin. Was allerdings Sorgen bereitet, ist unser „SchwerelosigkeitsIndikator“ für die USA, der das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der auf 12-Monatssicht erwarteten Gewinne der S&P 500 Firmen ins Verhältnis der (niedrigen) Volatilität setzt. Bei einer Standardabweichung nach oben zeigt sich, dass sich dieser in geradezu luftigem Terrain bewegt. Mehr Rezessionsrealismus wäre angebracht.
Davon ausgehend, dass die EZB keinen weiteren Zinsschritt geht, sieht es nach einer eher unauffälligen Woche an den Kapitalmärkten aus. Die technische Lage erscheint stabil. Die Konjunkturdaten geben aller Voraussicht nach wenig her für eine grundlegende Revision des vorherrschenden Bildes. Auch die Frage nach der Rezession dürfte kaum beantwortet werden.
Hoffen wir, dass Godot, pardon, die Rezession der US-Wirtschaft dann am Ende doch nicht kommt, und sich das von den Aktienmärkten präferierten Szenario einer weichen Landung einstellt,
Dr. Hans-Jörg Naumer
Director Global Capital Markets & Thematic Research
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