„Alle Jahre wieder, …“ – so auch in diesem Jahr, wird die Frage nach der Jahresendrallye aufgeworfen. Verständlich. Obwohl Märkte ja nach der reinen Lehre so unglaublich effizient sind, gibt es dennoch wiederkehrende Kalendereffekte, so auch die viel gerühmte Jahresendrallye. Tatsächlich zeigen unsere Berechnungen bis zum Jahr 1965, dass der Dezember im Durchschnitt der Jahre eine positive Rendite auswies.1
Dieses Jahr erscheint es so, als habe die Jahresendrallye an den Aktienmärkten bereits im Oktober begonnen, mit leichten Ermüdungserscheinungen über die letzten Tage. Es war auch nicht einfach sich im Wechselbad der Gefühle zu behaupten. Die Daten widersprachen sich teilweise in ihrer Richtung und gaben auch keine klaren Signale für die Geldpolitik. Dabei scheint immer noch die zwiespältige Haltung durch, dass schwächere Daten als gut erachtet werden, da sie einer Verlangsamung der Geldpolitik den Weg bereiteten. Positive Signale kamen aus China. Dort kommt es zu Lockerungen bei den Anti-Covid-Einschränkungen.
Die Woche voraus
Es wird eine richtig volle Woche. Zentrale Termine in der kommenden Woche werden die Sitzung des geldpolitischen Ausschusses der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed; Mittwoch) und der Entscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) bzgl. ihres nächsten Zinsschrittes (Donnerstag) sein. In beiden Fällen dürfte eine Anhebung von den (Geld-)Märkten bereits vorweggenommen werden. Die Frage scheint nur noch zu sein, wie hoch dieser Schritt ausfällt und mit welchem Zungenschlag er begleitet wird. Dabei scheint von dem Gremium um FedChef Powell nur noch eine Anhebung von 50 Basispunkten erwartet zu werden. Eine Sichtweise, die sich auch bei den Erwartungen um die EZB durchzusetzen scheint. Die Frage ist aber weniger, ob „75“ oder „50“, sondern wie viele Zinserhöhungen noch kommen werden und wie lange ein höheres Leitzinsniveau beibehalten werden wird.
Hier waren zuletzt „Zinshoffnungen“ in Folge von Powells Rede vor dem Brookings Institut aufgekommen. Tatsächlich hat die Fed die schwierige Aufgabe in die konjunkturelle Abschwächung hineinzusteuern, nicht zuletzt auch um ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Inflationsbekämpfung zu stärken. So werden die Kern- wie die Gesamtrate der Verbraucherpreisinflation in den USA (Dienstag) wichtig. Diese sollten, auch in Anbetracht der Energiepreise, das Bild fortschreiben, dass der Gipfel der Inflationsrate zwar überschritten worden ist („peak inflation“), aber von Normalisierung nicht die Rede sein kann.
Die Klopfzeichen aus dem EZB-Turm dagegen waren in jüngerer Zeit deutlicher und prägnanter geworden. Die Währungshüter des Euro scheinen noch keine Anzeichen für ein gemächlicheres Vorgehen zu sehen. Mit Blick auf die Fed kann ein von der Geldpolitik ausgehendes Enttäuschungssignal nicht ausgeschlossen werden. Die US-Zentralbank scheint gewillt, auch eine Konjunkturschwächung in Kauf zu nehmen, wie sie von den Anleihemärkten angezeigt wird.
Rund um die geldpolitischen Termine ist der Datenkalender prall gefüllt mit Konjunkturdaten (siehe Kalender). Neben den Verbraucherpreisen kommen aus den USA u.a. die Einzelhandelsumsätze (hier wird ein Rückgang erwartet), der Empire State Index, sowie Industrieproduktion und Kapazitätsauslastung (jeweils donnerstags). Bei der Kapazitätsauslastung stellt sich der Markt lediglich auf einen kleinen Rückschritt ein – ein wichtiges Signal auch für den verbleibenden Preisdruck.
Beachtung sollte auch der ZEW-Konjunkturindex2 für die Eurozone (Dienstag) finden. Hier wird es wichtig zu sehen, ob sich die jüngste Erholung bei der Erwartungs- wie bei der Lagekomponente weiter fortsetzt. Am Mittwoch folgen dann die Industrieproduktion und zum Wochenschluss ein Schwung der S&P Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe.
Für Japan wird der Tankan-Bericht (Mittwoch) wichtig, bei dem ein Rückgang erwartet wird.
Aus China stehen am Donnerstag die Industrieproduktion und die Einzelhandelsumsätze an, die von den Zero-Covid-Maßnahmen geprägt sein sollten. Auf Vorjahresbasis geht der Konsensus bei der Industrieproduktion von einer einem geringen Anstieg als noch im Vormonat aus. Die Einzelhandelsumsätze sollten einen merklichen Rückgang aufweisen.
Die technische Lage für sich alleine genommen sieht derweil recht stabil aus. An den Aktienmärkten haben wichtige Leitindizes die 200-Tageslinie nach oben durchbrochen, während von den Relative-Stärke-Indikatoren wenig Verkaufsdruck ausgehen sollte.
Im Zusammenspiel mit Geldpolitik und Konjunkturdaten dagegen kann es noch einmal bewegt zugehen, da so einige Glaubensschablonen hinterfragt werden könnten. Die Jahresendrally ist noch nicht in trockenen Tüchern. Am Ende war sie vielleicht nur vorgezogen.
Hoffen wir auf einen rasanten Schlussspurt an den Märkten im ablaufenden Jahr 2022,
Dr. Hans-Jörg Naumer
Director Global Capital Markets & Thematic Research
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Fußnoten
¹ Quelle: Datastream, Stand: März 2022, Eqzuity-Index DAX40 als Referenz.
² Der ZEW-Index ist ein Konjunkturindex des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Rund 400 Analysten und institutionelle Anleger werden zu ihren mittelfristigen Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung von Wirtschaft und Kapitalmärkten befragt.