Die Inflationsdaten der kommenden beiden Wochen dürften einen Kontrollpunkt für die US-Geldpolitik liefern. Die jährliche Inflationsrate – gemessen anhand des von der Federal Reserve (Fed) bevorzugten Maßstabs, nämlich der Kernrate des Index für den privaten Konsum (personal consumption expenditure, PCE), also ohne Energie- und Lebensmittelpreise – wird voraussichtlich zum ersten Mal unter dem von der Fed festgelegten Zielkorri-dor für die Kurzfristzinsen liegen, seit sich die Inflation im Nachgang der Coronapandemie beschleunigt hat. Das bedeutet: Nach diesem einfachen Maßstab wären die Realzinsen positiv.
Es heißt aber für sich genommen nicht, dass die Fed ihre Arbeit für getan halten wird: Die Notenbank fällt ihre Entscheidungen mit Blick auf die Inflationserwartungen für die kommenden ein bis zwei Jahre. Nichtsdestotrotz lässt sich daraus schließen, dass die monetären Bedingungen anscheinend langsam restriktiver werden.
Bei ihrer Sitzung Anfang Februar deutete die Fed an, sie halte Zinsanhebungen auch künftig für erforderlich, aber eine Straffung der Geldpolitik sei wohl nicht mehr so akut vonnöten wie bisher. Für diese Akzentverschiebung gibt es unseres Erachtens zwei Gründe.
Erstens haben sich die kurzfristigen, annualisierten Inflationsraten zuletzt einem Niveau angenähert, das schon eher dem mittelfristigen Inflationsziel der Zentralbank entspricht. Zusammen mit der oben erwähnten, einfachen Rechnung spricht dies dafür, dass die Realzinsen sich zunehmend auf die Ausgabenentscheidungen von Verbrauchern und Unter-nehmen auswirken und so die Nachfrage dämpfen.
Zweitens haben sich einige Frühindikatoren für die US-Konjunktur in den vergangenen Monaten abgeschwächt. Dies gilt insbesondere für das verarbeitende Gewerbe. Die Fed legt großen Wert darauf, die Inflation wieder zum Zielwert zurückzuschleusen. Dabei möchte sie aber einen Konjunktureinbruch möglichst vermeiden, so dass sie sorgfältig erwägen muss, wann der optimale Zeitpunkt für das Ende des Straffungszyklus gekommen ist.
Allerdings haben sich nicht alle US-Konjunkturdaten so stetig abgeschwächt wie im verarbeitenden Gewerbe. Insbesondere am Arbeitsmarkt besteht weiterhin eine sehr lebhafte Nach-frage nach Arbeitskräften. Daher ist es unwahrscheinlich, dass sich das Lohnwachstum in einer Weise abschwächt, die mit dem Zielwert der Fed im Einklang steht. Es erscheint also optimistisch, wenn die Marktteilnehmer für den weiteren Jahresverlauf Zinssenkungen erwarten; womöglich werden die Zinsen sogar wieder rascher angehoben, wenn die Inflationsraten über den Prognosen liegen.
Außerhalb der USA überdenken andere G7-Zentralbanken ihre Geldpolitik ebenfalls. Die Bank of Canada hat als erste wichtige Zentralbank eine Unterbrechung des Straffungszyklus signalisiert – wahrscheinlich aufgrund von Schwächeanzeichen am anfälligen Immobilienmarkt. Auch die Bank of England hat angedeutet, dass sie bald eine Pause einlegen könnte. Das ist allerdings weniger verständlich, da der Preisauftrieb im britischen Dienstleistungssektor überraschend kräftig ist und die Löhne merklich ansteigen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat dagegen noch Boden gutzumachen, da sie den Straffungszyklus im vergangenen Jahr später als andere Zentralbanken eingeleitet hat. Präsidentin Christine Lagarde hat die Marktteilnehmer mit einigen Antworten bei der Pressekonferenz im Februar etwas verwirrt. In unserem Basisszenario gehen wir jedoch davon aus, dass die EZB ihren Leitzins bis zum späten Frühjahr auf 3,5% anheben und erst danach weitere Zinsschritte überdenken wird. Die Bank of Japan hat den größten Aufholbedarf, scheint sich aber damit begnügen zu wollen, den Stimulus durch eine Beendigung oder weitere Lockerung der Renditekurvenkontrolle zu reduzieren. Wir schätzen die Wahrscheinlichkeit von Zinserhöhungen in Japan derzeit als sehr gering ein.
Die Woche voraus
Vor diesem Hintergrund wird klar, warum die US-Verbraucherpreisinflationsdaten in der kommenden Woche so wichtig sind. Die Inflation gegenüber dem Vorjahr dürfte zwar weiter sinken, aber die kürzerfristigen, annualisierten Inflationsraten dürften stärker zulegen. Die Wende bei den Anleiherenditen ist also wohl noch nicht zu Ende. Dies gilt umso mehr, wenn ie US-Einzelhandelsumsätze – vor allem aufgrund von Autoverkäufen – wie erwartet weiter ansteigen. In der kommenden Woche stehen in den USA außerdem Produzentenpreisdaten, Daten zur Industrieproduktion und die Unternehmensumfrage der Philadelphia Fed an.
Außerhalb der USA dürften die VPI- und Arbeitsmarktdaten für Großbritannien genau beobachtet werden. Die Inflationsrate hat in Großbritannien zwar wahrscheinlich den Höchststand überschritten, aber die Kernrate bleibt hoch, und wie in den USA hat der Arbeitsmarkt bisher nicht auf die Verschlechterung der Makrodaten reagiert.
Im Euroraum steht aus Datensicht insgesamt eine ruhige Woche bevor. Die zweite Veröffentlichung der BIP-Daten für das vierte Quartal sollte belegen, dass bisher keine Rezession eingetreten ist. Gleichzeitig dürfte der Leistungsbilanzsaldo vom Rückgang der Erdgaspreise profitieren, der Energieimporte billiger macht. Die Industrieproduktion könnte nach dem kräftigen Rückgang im Oktober moderat weiter ansteigen.
Insgesamt dürften die Daten in den kommenden Wochen zeigen, dass zwar ein Kontrollpunkt für die US-Geldpolitik erreicht worden ist, aber das endgültige Ziel noch in der Ferne liegt, so dass die Politik weiter gestrafft werden muss.
Sean Shepley
Senior Economist
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