Rund um die Welt interessieren sich die Anleger für Neuigkeiten und Daten aus den USA. Brummt die amerikanische Konjunktur weiterhin oder kühlt sie ab? Wird die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) die Leitzinsen senken? Welche Auswirkungen könnten die Präsidentschaftswahlen auf die Märkte haben? Das sind bedeutsame Fragen – nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt.
Schauen wir uns erst einmal die aktuelle Situation an. Pessimistisch gestimmte Anleger werden feststellen, dass die Inversion der Renditestrukturkurve für US-Staatsanleihen („Treasuries“) inzwischen länger andauert als je zuvor – knapp 700 Tage. Das könnte ein Warnsignal sein, denn im Vorfeld der meisten US-Rezessionen ist die Renditestrukturkurve invers.
Könnte dieser bewährte Konjunkturindikator dieses Mal ein falsches Signal aussenden? Das werden wir erst im Rückblick wissen. Derzeit können wir sagen, dass die USA wahrscheinlich nach wie vor mit recht achtbarem Tempo expandieren. Dem weithin beobachteten GDPnow-Tracker der Atlanta Fed zufolge („GDP“ ist die Abkürzung für „gross domestic product“ = Bruttoinlandsprodukt) ist für das laufende Quartal ein Wirtschaftswachstum von rund 2,5% zu erwarten, wobei der Konsum eine wichtige Wachstumsstütze ist.
Die Risikoverteilung spricht für eine anhaltende Dynamik. Zwar hat sich der Stellenaufbau verlangsamt, aber die Zahl der Entlassungen verharrt auf einem historischen Tiefstand, die inflationsbereinigten Löhne steigen an, und es gibt nach wie vor mehr offene Stellen als Arbeitssuchende.
Dies erklärt, warum der Konsum so robust ist. Da reichlich Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden sind, muss sich der durchschnittliche private US-Haushalt nicht auf eine Rezession vorbereiten. Natürlich besteht in einzelnen Bereichen Druck; so ist die Zahl der Kreditkarten-Zahlungsausfälle angestiegen. Aber es ist nicht ungewöhnlich, wenn die Lage in vereinzelten Bereichen schwächer ist, und in anderen wichtigen Konsumkredit-Kategorien, vor allem bei Hypotheken, ist die Lage günstig.
Es ist doch so: Wenn die privaten Haushalte in den USA finanzielle Probleme hätten, sollte sich das wohl eher bei den Ausgaben z. B. für Flugreisen zeigen, die großenteils diskretionär sind. Das klingt doch logisch, oder? Wie sieht es also bei Flugreisen aus? Am jüngsten langen „Labor Day“-Wochenende lag die Zahl der abgefertigten Passagiere an US-Flughäfen nahe dem Allzeithoch vom Unabhängigkeitstags-Wochenende (4. Juli). (Vgl. unsere „Grafik der Woche“).
Nichtsdestotrotz sind wir nach wie vor der Auffassung, dass sich die US-Konjunktur in den kommenden Quartalen abkühlen könnte.
Die wirtschaftlichen Nachwehen der Pandemie sind weitgehend abgeklungen, und allmählich erscheint die Geldpolitik der Fed allzu restriktiv. Aber die Fed dürfte über den Mut und die erforderlichen Rezepte verfügen, um erforderlichenfalls Impulse zu geben und die Wachstumsphase zu verlängern. Bei der Fed-Sitzung in der kommenden Woche werden wir mehr zu diesem Thema hören.
Die Woche voraus:
In punkto Wirtschaftsdaten fängt die Woche langsam an, bevor dann ein großes Finale mit Zentralbankentscheidungen in Asien, Europa und den USA ansteht.
Am Montag dürfte es relativ ruhig sein, da die Märkte in China, Japan und Südkorea wegen Feiertagen geschlossen sind. An Makrodaten interessierte Anleger dürften nicht viel finden, was die Märkte bewegen könnte. Das Datenangebot beschränkt sich auf die Lohninflation im Euroraum, die Verbraucherpreisinflation in Italien und die Hauspreise in Großbritannien.
Am Dienstag wird es dann spannender. In Europa werden die Anleger den ZEW-Stimmungsindex für Deutschland daraufhin in den Blick nehmen, ob sich der jüngste Abwärtstrend im September fortsetzt. In den USA ist vor allem die Frage interessant, ob die Einzelhandelsumsätze nach dem kräftigen Anstieg im Juli auch im August robust blieben.
Am Mittwoch wird die US-Notenbank Federal Reserve wohl einen Zinssenkungszyklus einläuten. Damit stellt sich für die Anleger die Frage, ob die Fed ihren Zielkorridor der Fed um 25 oder 50 Basispunkte (Bp.) reduziert. Derzeit deutet das „FedWatch“-Tool der Chicago Mercantile Exchange mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 75% auf einen kleineren Zinsschritt von 25 Bp. hin. Daneben stehen am Mittwoch die Verbraucherpreisinflation in Großbritannien und in Deutschland sowie die Auftragseingänge im Maschinenbau in Japan als wichtige Daten an.
Am Donnerstag und Freitag werden die People‘s Bank of China, die Bank of England und die Bank of Japan geldpolitische Entscheidungen treffen. Aus Anlegersicht geht es dabei vor allem darum, ob die Banken einen unterschiedlichen Kurs in der Geldpolitik einschlagen. Viele Zentralbanken senken derzeit die Zinsen; die Bank of Japan verfolgt dagegen ein anderes Rezept und hebt sie an. Das ist nicht unbedingt problematisch, muss aber – wie die Zubereitung eines guten Wagyu-Steaks – genau im Blick behalten werden.
Auf dass Sie das richtige Rezept für Ihre Anlagen befolgen!
Greg Meier
Director, Senior Economist, Global Economics and Strategy
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