Einfach haben sie es nicht, die Geldpolitiker in diesen Tagen. Während sich konjunkturell Schwächeanzeichen bemerkbar machen, die Zinsstrukturkurven für die großen Regionen mit ihrer inversen Lage bereits die Rezession vorwegnehmen und die Inflationsdynamik nachlässt, stehen die Arbeitsmärkte zum Teil noch unter Volldampf. So in den Vereinigten Staaten. Der jüngste ADP-Report weist die stärksten Zuwächse innerhalb eines Jahres aus. Die Beschäftigungskomponente des ISM-Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor ist wieder über die 50’er Marke geklettert und liegt damit im expansiven Bereich.
Anders als beim Arbeitsmarkt ist die Lage bei anderen Konjunkturindikatoren diffiziler. Die Weltwirtschaft bewegt sich zum Abschluss des ersten Halbjahres hin in einem heiklen Gleichgewicht zwischen kurzfristiger Widerstandsfähigkeit und zunehmender mittelfristiger Anfälligkeit. Trotz einer weiter nachlassenden Wachstumsdynamik stieg unser proprietärer KonjunkturIndex („Makro Breadth Index“) im Juni inmitten einer anhaltenden regionalen Rotation den fünften Monat in Folge an. Während sich die Wirtschaftsdaten in den USA, Europa, Japan und mehreren Schwellenländern leicht verbesserten, wurde dies durch eine spürbare Verschlechterung in China teilweise wieder ausgeglichen. Gleichzeitig haben die anhaltende Schwäche des weltweiten verarbeitenden Gewerbes und die Auswirkung der strafferen Geldpolitik auf zinssensitive Segmente der Wirtschaft, insbesondere den Wohnungsbau, noch nicht auf den Dienstleistungssektor durchgeschlagen. Der verzeichnet weiterhin gesunde, aber mäßige Zuwächse.
Unser globaler Inflationsindex („Macro Breadth Inflation Index“) verzeichnete im vergangenen Monat dagegen den elften Rückgang in Folge. Wobei allerdings die zähe, weiter hohe Kernrate unverändert für Kopfzerbrechen sorgt.
Das Ringen um einen ausreichend restriktiven, geldpolitischen Kurs muss in dieser Gemengelage also weitergehen. Die Ungewissheit über den notwendigen Umfang der zusätzlichen Straffung und ihre Auswirkungen auf die Realwirtschaft erhöht das Risiko geldpolitischer Fehler.
Bei Anwendung eines Ansatzes nach dem Ökonomen Knut Wicksell, welcher den realen Leitzins mit dem „natürlichen“ Zinssatz vergleicht, erscheint die Geldpolitik in vielen Industrieländern, einschließlich der Vereinigten Staaten, immer noch nicht als ausreichend restriktiv. Nachdem die US Notenbank Federal Reserve (Fed) im Juni eine Zinspause eingelegt hat, erscheinen zwei weitere Zinserhöhungen um 25 Basispunkte im Juli und September als am wahrscheinlichsten. Darüberhinausgehend sollten bei der Europäischen Zentralbank (EZB) noch Anhebungen um insgesamt 50 Basispunkte und bei der Bank of England (BoE) um 75 Basispunkte drin sein. Es ist zu erwarten, dass alle drei Zentralbanken in der Folge eine Strategie von „Höher für länger“ ("Higher for longer") beibehalten und die Leitzinsen bis weit in das Jahr 2024 hinein stabil halten werden, selbst in einem leicht rezessiven Umfeld. An den Geldmärkten scheint diese Erwartung auch immer mehr Anhänger zu finden. Die Bank of Japan (BoJ) könnte in der zweiten Jahreshälfte weitere Anpassungen bei der Zinskurvensteuerung als nächsten Schritt zur Abkehr von ihrer langjährigen Politik niedriger/negativer Zinsen vornehmen.
In diesem Kontext dürften die globalen Finanzmärkte ihre Aufmerksamkeit zunehmend auf die erhöhten mittelfristigen Rezessionsrisiken richten. Um so wichtiger bleiben also die Konjunkturdaten der nächsten Wochen und Monate.
Die Woche voraus
In der kommenden Woche geht es also weiter mit dem Beobachten der Konjunkturkurdaten. Wichtig werden u.a. das Bruttoinlandsprodukt für das zweite Quartal und die Industrieproduktion aus China (Montag), bei denen sich der Konsensus der von Bloomberg gefragten Volkswirte jeweils auf geringere Zuwachsraten einstellt. Für die Einzelhandelsumsätze und die Industrieproduktion in den USA (Dienstag) werden dagegen Verbesserungen erwartet. Das Verbrauchervertrauen in der Eurozone sollte sich kaum aus seiner eingetrübten Stimmung befreien können, während von den Erst- und Folgeanträgen auf Arbeitslosenunterstützung für die USA unverändert falkenhafte Signale für die Geldpolitik ausgehen sollten. Der Philly Fed Index und der Index der Frühindikatoren für die USA sollten, so die Konsensus-Schätzungen, eine zum Vormonat weniger negative Lage ausweisen (jeweils Donnerstag).
In einer technisch nicht ganz eindeutigen Situation (die Relative-Stärke-Indizes zeigen für die großen Märkte weder Verkaufs- noch Kaufdruck an), lässt die Datenlage eine insgesamt eher unspektakuläre Woche erwarten, bei der Kursavancen nach oben bei den Aktien eher schwer werden. So oder so dürfte sich aber die Erkenntnis eines „Höher für Länger“ weiter durchsetzen.
Eine Woche neuer Hochs wünscht,
Dr. Hans-Jörg Naumer
Director Global Capital Markets & Thematic Research
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