In die abgelaufene Woche schwappte noch die gute Laune an den Kapitalmärkten aus der Woche davor rüber. Sie wurde inspiriert von der Hoffnung, die Inflationsentwicklung in den USA habe ihren Höchststand („Peak“) erreicht, und die Federal Reserve (Fed) könnte es nun gemütlicher angehen lassen. Tatsächlich verlangsamte sich die Kerninflation des Verbraucherpreisindex in den Vereinigten Staaten im Oktober und erreichte damit die niedrigste Rate seit 13 Monaten. Auch wenn ein einzelner Datenpunkt noch keinen Trend ergibt und die Oktoberdaten immer noch über dem Niveau liegen, das mit einer jährlichen Inflationsrate von 2 % vereinbar ist, deutet dies darauf hin, dass die USA den Höhepunkt der Inflation überschritten haben könnten. Die zugrundeliegenden Details des Berichts waren günstig, mit einer Verlangsamung in Schlüsselkategorien, einschließlich der Miete für Eigentumswohnungen, medizinischer Dienstleistungen, Bekleidung, Flugtickets und Gebrauchtwagenpreise. Alles andere gleichbleibend dürfte die langsamere Inflation das Tempo der Fed-Zinserhöhungen dämpfen, aber wohl kaum zu einer Kehrtwende führen. So oder so, die Märkte freuen sich über jedes Anzeichen, die Flut des billigen Zentralbankgeldes könne doch langsamer abgesaugt werden, als zu erwarten ist.
Tatsächlich war es doch vor allem der geldpolitische Gezeitenwechsel, der zu einer historisch wohl einmaligen Trendwende an den Anleihe- und Aktienmärkten führte, die sich über die gestiegenen Hypothekenzinsen auch an den Immobilienmärkten bemerkbar macht. Und nicht nur dort. Die sogenannten Krypto-„Währungen“, allen voran Bitcoin, kamen in Folge dessen unter die Räder. Genau ein Jahr nach Markieren eines Allzeithochs von 67.559 US-Dollar brach der Kurs von Bitcoin und anderen Token oder Coins deutlich ein, nachdem diese schon eine lange Leidensstrecke mit wiederholten Aufbäumversuchen hinter sich hatten. Bitcoin fiel zwischenzeitlich auf unter 16.000 US-Dollar – dies ist ein geradezu sagenhafter Absturz um mehr als 75 Prozent vom Höchststand, der bei anderen Anlageformen wohl zu Panik geführt hätte.
Die Schieflage einer Handelsplattform für Krypto-Tokens als (einzigen) Grund für den jüngsten Kursrutsch anzuführen, wäre jedoch zu einfach. Generell gilt am Kapitalmarkt: Wenn die Flut zurückgeht, fallen die Preise für Vermögenswerte. Dazu kommt: Je spekulativer eine Anlageklasse und je geringer deren Marktkapitalisierung ist, desto größer ist das Abwärtsrisiko. Und spekulativ ist Bitcoin. Mit einer Marktkapitalisierung dieser Tage von ca. 333 Mrd. US-Dollar beläuft sie sich auf weniger als ein Drittel der Kapitalisierung des DAX, auf ca. 1% des S&P 500 und ca. 0,66% des MSCI Welt. Die Volatilität von Bitcoin lag dabei während der letzten Jahre um gut das Dreifache über jener des Weltaktienmarktes, während sich die Kursentwicklung – bis zur geldpolitischen Kehrtwende – entlang des USGeldmengenaggregats M2 nach oben geschlängelt hat. „Wenn die Flut zurückgeht, sieht man, wer ohne Badehose draußen war“, dieses frei übersetzte Zitat von Investmentlegende Warren Buffett trifft hier in ganz besonderer Weise zu.
„Peak Inflation“ hin oder her, die großen Zentralbanken, allen voran die Fed, dürften sich von ihrem Kurs der Inflationsbekämpfung kaum abbringen lassen. Eine kleinere Schrittfolge ist noch keine Kehrtwende. Die „Flut“ sollte also weiter zurückgehen. Damit bleiben die Preisdaten als Rauchzeichen für die geldpolitische Entwicklung weiter auf der Agenda der Märkte ganz weit oben. Besser wäre es, sich statt entlang der Preisdaten, entlang der Konjunkturindikatoren in den Markt zu tasten. Je näher wir dem Konjunkturtief kommen (da sind wir aber noch nicht), desto verlässlicher sollte sich ein Aufwärtstrend an den Aktienmärkten einstellen.
Die Woche voraus
In der kommenden Woche sollten die Erzeugerpreise für die USA (Montag), die Verbraucherpreise aus dem Vereinigten Königreich (Mittwoch) sowie die Im- und Exportpreise für die USA (Mittwoch) von der Inflationsseite her bedeutsam werden. Dazu kommt eine ganze Serie wichtiger Konjunkturindikatoren. Es beginnt mit der Industrieproduktion für die Eurozone (Montag) und China (Dienstag), den ZEW-Konjunkturerwartungen für den Euroraum und den Empire State Index für die USA (jeweils Dienstag). Am Mittwoch dann kommt die Industrieproduktion für die größte Ökonomie der Welt. Am Donnerstag dann sollten der Philly Fed Index, der Kansas City Fed Index für das verarbeitende Gewerbe sowie die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe (jeweils für die USA) auf der Agenda stehen. Den Abschluss bildet dann der Index der Frühindikatoren für die USA am Freitag. Eine Kehrtwende bei der konjunkturellen Entwicklung dürfte sich daraus nicht ablesen lassen, aber die eine oder andere Unterstützung für das Peak-Inflation-Szenario sollte möglich sein.
Dass wir den Höhepunkt der Inflation überschritten haben, wünscht Ihnen
Dr. Hans-Jörg Naumer
Director Global Capital Markets & Thematic Research
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