Die Weltwirtschaft kam im zweiten Quartal einer Stagnation nahe, belastet durch die sich ausweitenden Folgen des Krieges in der Ukraine und einem Zusammentreffen von ständig steigender Inflation, angespannteren Finanzierungsbedingungen und einem konjunkturellen Rückschlag in China, der durch die dortige Null-COVID-Politik ausgelöst wurde. Dementsprechend verschlechterte sich unser proprietärer „Macro Breadth Index“ (welcher die Entwicklung der Makro-Daten in der Breite misst) erneut und war im zehnten Monat der letzten zwölf Monate rückläufig. Vor diesem ernüchternden Hintergrund wurden die Konsens-Schätzungen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) für die große Mehrheit der Länder erneut gesenkt.
Obwohl wir immer noch eine gute Chance sehen, dass die Weltwirtschaft im zweiten Halbjahr 2022 mit einer schwachen, aber positiven Rate weiter wächst, haben die Risiken eines kurzfristigen Abschwungs erheblich zugenommen. Eine anhaltende Eskalation der geopolitischen Krisen und ein daraus resultierender weiterer Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise könnten die ohnehin angeschlagene europäische wie auch die globale Wirtschaft schnell in die Knie zwingen. Für die Vereinigten Staaten weisen unsere Modelle derzeit auf eine Rezessionswahrscheinlichkeit von über 60 % in den nächsten 12 Monaten hin.
Ausgehend von bereits hohen Niveaus verzeichneten die Inflationsindikatoren im ersten Halbjahr dieses Jahres einen weite.ren breiten Anstieg. Die weltweite (Kern-)Verbraucherpreisinflation stieg von 5 % im Vorjahresvergleich im Dezember auf ein Hoch von 7,1 %, wie es über Jahrzehnte nicht mehr gesehen wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der starke Anstieg der Energie-, Agrar- und Lebensmittelpreise noch nicht vollständig in den Einzelhandelspreisen niedergeschlagen hat und in den kommenden Monaten zu einer weiteren Welle steigender Verbraucher preise beitragen könnte. Dabei zeigt sich schon jetzt, dass sich die Inflation über die volatilen Segmente Nahrungsmittel und Energie immer weiter in die Kernrate vorfrisst.
Die Zentralbanken können es sich nicht leisten, die ernsthaften Inflationsherausforderungen zu vernachlässigen, denen sie gegenüberstehen. Die Schwächung der Nachfrage ist zu einem bitteren, aber notwendigen Teil der Heilung geworden. In der Entscheidung weniger Wachstum (Anpassungsrezession) oder weniger Inflation, scheinen die Währungshüter die Schwächung des Wachstums als das kleinere Übel anzusehen. Von den großen Zentralbanken geht lediglich die People’s Bank of China in die andere Richtung. Sie senkte die Zinsen um die Konjunktur zu stimulieren.
Die Woche voraus
In der neuen Woche wird es da von der Datenlage her nicht entspannter. Es stehen eine ganze Serie an vornehmlich Stimmungsindikatoren für die Konjunktur an, die auf die Frage „Rezession“ und/oder „Inflationsdruck“ abgeklopft werden sollten.
Den Reigen eröffnet am Montag der Aktivitätsindex der Universität von Chicago. Am Dienstag folgen das Verbrauchervertrauen sowie die Flash-Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende und das Dienstleistungsgewerbe jeweils für die Eurozone. Entsprechend kommen dazu die Einkaufsmanagerindizes für Japan. Wichtig sollten am Mittwoch die USAuftragseingänge werden. Hier wird ein Anstieg von einem Prozent gegenüber dem Vormonat erwartet. Zuletzt belief sich der Anstieg noch auf 2%. Am Donnerstag dann die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA, welche daran erinnern sollten, dass der Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten unter Dampf steht – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Inflation. Beim ebenfalls am Donnerstag anstehenden ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland wird es wichtig zu sehen, ob die schon sehr stark gefallenen Erwartungen nunmehr auch die Lagekomponente mit nach unten ziehen. Wichtigster Datenpunkt am Freitag dürfte der PCE Deflator für die USA werden. Der Inflationsindex für die privaten Konsumausgaben („Personal consumption expenditures price index“) gehört nicht nur zu einem der wichtigsten Indikatoren der Fed, sondern bildet die Verbraucherpreisinflation in der Breite ab.
Die Kombination aus geopolitischen Spannungen, einer anhaltend hohen Inflation, schnell nachlassender Wirtschafts dynamik und in die Enge getriebener Zentralbanken, die deutlich „hinter die Kurve“ gefallen sind, bieten ein herausforderndes Umfeld für Anleger. Aus fundamentaler Sicht legt dies nach wie vor eine insgesamt vorsichtige Haltung gegenüber riskanten Anlagen nahe. Enttäuschungen bzgl. zwischenzeitlich aufgeflammter Hoffnungen, die Fed könne doch etwas weniger restriktiv verfahren als angenommen, sind da ebenfalls nicht auszuschließen. Die Staatsanleihenmärkte bewegen sich zwischen den Antipoden erhöhter Inflations- und nun steigender Rezessionsrisiken. Kein einfaches Navigieren!
Inflationsfreies, nachhaltiges Wachstum wünsche ich uns allen.
Dr. Hans-Jörg Naumer
Director Global Capital Markets & Thematic Research
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