Der Hochpunkt in der globalen Konjunkturdynamik rückt näher. Daran erinnerten zu Wochenbeginn enttäuschende Wirtschaftsdaten aus China, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Die jüngsten Indikatoren untermauern unsere Einschätzung, dass sich Chinas Wirtschaftswachstum in den kommenden Quartalen fortgesetzt abschwächen wird, da der außenwirtschaftliche Rückenwind nachlässt, während binnenwirtschaftlich die Erholung des privaten Verbrauchs bislang glanzlos ausfällt. Allerdings dürfte die Konjunkturabkühlung durch wirtschaftspolitische Maßnahmen abgefedert werden. Die Zeichen stehen auf Lockerung – und dementsprechend sollte die Divergenz zwischen der chinesischen Notenbank (PBoC – People’s Bank of China) und der US-amerikanischen Federal Reserve (Fed) in der zweiten Jahreshälfte stärker zum Vorschein treten. Denn die Fed bereitet die Märkte auf eine Drosselung ihrer Anleihekäufe von aktuell 120 Mrd. USDollar pro Monat vor (“Tapering“). Eine tatsächliche Rückführung könnte (spätestens) im ersten Quartal 2022 erfolgen, eine erste Zinserhöhung im Jahr 2023.
Die Woche voraus
Zu Beginn der kommenden Handelswoche geben die Einkaufsmanagerindizes für die USA, den Euroraum und Großbritannien (Mo) Hinweise auf die Wachstumsperspektiven im Herbst. In Summe bleibt das Konjunkturumfeld – ein Rückgrat für die Unternehmensgewinne – günstig für risikoreiche Anlageklassen wie Aktien. So rechnen wir für das Gesamtjahr 2021 unverändert mit einem Wachstum der Weltwirtschaft von über 6%, dem stärksten Anstieg in mehr als vier Dekaden. Doch ein differenzierter Blick lohnt sich. Gerade in den USA ist die Luft für positive Überraschungen – wohlgemerkt ausgehend von überschäumenden Niveaus – dünner geworden. So signalisierte unser globaler „Macro Breadth Index“ bereits für den Monat Juli eine erste Verlangsamung, wobei bessere Wirtschaftsdaten aus Europa mit verhalteneren Zahlen aus den USA, Japan, China (dritter monatlicher Rückgang in Folge) und mehreren anderen Schwellenländern kontrastieren. In sektoraler Betrachtung holten Dienstleistungsunternehmen im Zuge weiterer Lockerungsschritte auf. Diese Trends könnten sich zunächst fortsetzen.
Taktgeber für die Rentenmärkte wird – neben der internationalen Notenbank-Konferenz in Jackson Hole (26.-28. August), auf der in der Vergangenheit häufig bedeutende Kurswechsel angekündigt wurden – das bevorzugte Inflationsmaß der Fed sein, der Deflator des privaten Verbrauchs PCE (Fr). Im Juli hatte die Teuerung bei 4% ggü. Vorjahr gelegen, deutlich oberhalb des Notenbankziels von durchschnittlich 2%. Eine der Kernfragen für Investoren bleibt: Sind es allein Sondereffekte, die die Teuerung in die Höhe treiben und die im Jahr 2022 keine allzu große Rolle mehr spielen? Laut des jüngsten Global Fund Manager Survey betrachten zwar weniger, aber immerhin noch 65% der von Bank of America befragten Investoren die anziehenden Inflationsraten als vorübergehend. In der mittleren Frist könnte sich diese Erwartung als trügerisch erweisen.
An der fiskalpolitischen Front nimmt der Rückenwind nach dem Ausnahmejahr 2020 auf globaler Ebene ab, angeführt von der Gruppe der Schwellenländer. Dies gilt jedoch nicht für die USA. Kurz vor der politischen Sommerpause in Washington nahm das netto 550 Mrd. US-Dollar schwere „harte“ Infrastrukturpaket eine wichtige Hürde im Senat. Die Abstimmung im Repräsentantenhaus steht noch aus und könnte Ende August oder im September erfolgen. Die nächsten Schritte sind für Präsident Joe Biden jedoch schwieriger zu gehen. Eine Verabschiedung des avisierten, 3,5 Bio. schweren Folgegesetzes, einschließlich kontrovers diskutierter Steuererhöhungen, wird frühestens im Oktober stattfinden – in voraussichtlich stark verwässerter Form.
Es bleibt dabei:
- Nach den kräftigen Kurssteigerungen in den vergangenen Monaten sollten Investoren sich auf schwankungsreichere Börsen einstellen, da auf globaler Ebene der konjunkturelle und wirtschaftspolitische Rückenwind voraussichtlich spürbarer nachlässt, wenngleich bei regionalen und sektoralen Divergenzen.
- In der kurzen Frist ist vor allem der Blick auf die Fed für die Märkte maßgeblich. Wir erwarten bei Staatsanleihen nach wie vor einen moderaten Anstieg der Langfristrenditen ausgehend von den USA. Taktisch bietet sich eine neutrale bis leicht übergewichtete Aktienpositionierung an.
Bei all den Divergenzen ist weiterhin das Fingerspitzengefühl aktiver Fondsmanager gefragt, meint Ihre
Ann-Katrin Petersen
Vice President, Global Economics & Strategy
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