Die Märkte in Konfusion, sind gute Nachrichten schlecht für den Markt oder schlechte Nachrichten gut, oder braucht es noch bessere Wirtschaftsmeldungen?
In den vergangenen Wochen haben oft vermeintliche schlechte Meldungen wie z.B. die letzte Leitzinserhöhung der US-amerikanischen Zentralbank plötzlich steigende Märkte ausgelöst. Manchmal war es aber auch umgekehrt, so lösen zu gute Meldungen vom US-Arbeitsmarkt Marktkorrekturen aus. Woran liegt das? Die Gründe sind vielschichtig. So gilt der Grundzusammenhang, dass Inflationsbekämpfung aktuell das wichtigste wirtschaftspolitische Ziel ist. Deshalb wird alles, was inflationsdämpfend aussieht, also steigende Leitzinsen oder schwache Stimmungszahlen positiv am Aktienmarkt gewertet. Positive Frühindikatoren dagegen lassen Befürchtungen aufkommen, die Fed könnte noch länger restriktiver werden daher negativ gewertet, weil die Zinsen länger steigen und hoch bleiben. Schlimmer noch, nach der letzten Zinserhöhung, die mit 75 Basispunkten massiv ausfiel, begann der Rentenmarkt per Futures schon wieder niedrigere Zinsen für das Jahr 2023 einzuarbeiten, in der Annahme, dass die Wirtschaft durch hohe Zinsen schon zur Jahreswende in die Knie geht, und die Fed bei rezessionsartigen Tendenzen im kommenden Jahr schon wieder Zinsschritte zurücknehmen könnte. Der Markt denkt also zwei Schritte voraus. Die Korrelation von Aktienmärkten und Rentenmärkten bleibt positiv. Soll heißen fallende Zinsen und steigende Staatsanleihekurse sind auch positiv für die Aktienmärkte und umgekehrt. Damit kämpfen die Investoren in diesem Jahr, weil beide Marktsegmente negative Ergebnisse liefern und keine Diversifikationseffekte erzielt werden konnten. Die Worte von der US-Zentralbank Federal Reserve („Fed“) Präsident Powell werden daher weiter auf die Goldwaage gelegt, wie man aktuell beobachten kann. Investoren wäre es am liebsten Powells restriktive Maßnahmen würden schnell Wirkung zeigen, damit der Spuk im kommenden Jahr vorbei ist. Aber so einfach wird es nicht sein.
Eine Rückkehr zur gewohnten guten alten Geldpolitik mit niedrigen Zinsen wird es nicht so schnell geben. Einige Inflationstreiber könnten sich als hartnäckig erweisen. So kostet die Umstellung der Infrastruktur und der Produktion im Rahmen der Klimapolitik Geld und wirkt Kosten-treibend. Die Arbeitsmärkte bleiben eng, insbesondere in den USA aber auch in Deutschland kann die Lohnspirale nicht schnell gestoppt werden. Auch Immobilienpreise gehen zwar in eine mögliche Plateaubildung, zeigen sich aber persistent, insbesondere im privaten Wohnungsbau. Die Lieferkettenprobleme weltweit beginnen sich leicht zu entspannen und Containerkosten fallen, aber wer als Industrie in den G7 Ländern keine Risiken mehr eingehen will, holt Vorprodukte in der Produktion zurück. Diese Repatriierung kostet Geld. Auch die Demographie mit immer weniger jungen Arbeitskräften lässt Lohnkosten strukturell steigen.
Demgegenüber geben zyklische Kräfte wegen der von führenden Instituten antizipierten Wirtschaftsschwäche zur Jahreswende Hoffnung auf niedrigere Inflationsraten. Allen voran sind dabei die Chinesen zu nennen, deren konsequent durchgeführte „Lockdown-Politik“ mit schwächerer Industrieproduktion schon in vielen Bereichen wie bei Kupfer und Öl zu einer Entspannung beigetragen hat. So liegt der Kupferpreis um ca. 20% unter dem Niveau von Jahresanfang, der Ölpreis in den USA ist auf dem Weg in Richtung $ 80 pro Barrel, in Europa wurde die Marke von $ 90 pro Barrel unterschritten. Das ist vor dem Hintergrund noch im Sommer wegen des Ukraine Kriegs stark steigender Prognosen für Energie doch erstaunlich. Auch liegt die Notierung für Weizen an der Warenbörse nur noch knapp über dem Niveau von Jahresanfang, trotz der Tatsache, dass die Ukraine zu den größten Weizenexporteuren weltweit gehört. Damit bleibt es wahrscheinlich, dass unter der Annahme heutigen Preisniveaus im kommenden Jahr, diejenigen Komponenten in den Preisindizes, die mit Rohstoffen speziell Öl zu tun haben, deutlich niedrigere Vorjahresvergleiche und damit niedrigere Inflationsraten ausweisen werden als aktuell. Eine Beruhigung in Richtung 3,5% erscheint bis Ende 2023 im Wettstreit struktureller und zyklischer Kräfte möglich.
Die Woche voraus
In der kommenden Woche geben Konsumentenpreise in Deutschland (auch regional) und der Eurozone detailliertere Auskunft über die aktuelle Lage. Die Erwartungen auf EU harmonisierter Basis gehen in Richtung 8,8% für September, was immer noch eine viel zu hohe Dynamik wäre. Stimmungsindikatoren für Konsumenten und Betriebe (ifo) geben weiteren Aufschluss, wie hart die Inflation und steigende Zinsen bewertet werden. In den USA kommen Zahlen zu den Konsumausgaben im August, viel beachtet dabei der Deflator als Inflationsmaß und nicht zuletzt das Verbrauchervertrauen für September. Werden also schlechte Nachrichten gute Meldungen für die Börse sein und umgekehrt? Möglich. Die Daten der kommenden Woche sollten die Erkenntnis fördern, dass die Ökonomie in den USA mit einem starken Arbeitsmarkt und hohen Konsumausgaben immer noch Stärke zeigt. Das könnte mit Blick auf Inflations- und Zinsanhebungssorgen negativ interpretiert werden. Erst mit der Berichterstattung der Unternehmen im Oktober für das dritte Quartal kann sich dieser Zusammenhang wieder auflösen und einen Blick auf die Gewinne ermöglichen. Hier gilt dann wieder: Gute Zahlen sind positive Treiber für die Börse!
Thomas Tilse
Director, Head of Portfolio Strategy Private Clients
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