Zu Wochenbeginn waren die Börsen vornehmlich damit beschäftigt, die Sitzung der US-Notenbank (Fed) zu verdauen. Denn in gleich zweifacher Hinsicht hatte die Fed am 16. Juni signalisiert, dass in Anbetracht aufgehellter Konjunktur- und Inflationsperspektiven erste geldpolitische Normalisierungsschritte bevorstehen:
1 Die Diskussion über ein „Tapering“, also eine Drosselung der milliardenschweren Anleihekäufe, wurde eröffnet. Eine tatsächliche Rückführung der Käufe könnte im ersten Quartal 2022 erfolgen.
2 Die Zinserhöhungsdiskussion wurde jedoch ebenfalls eröffnet, zumindest aus Marktsicht. Denn die Projektionen der US-Notenbanker deuten nun im Median auf zwei Zinsschritte im Jahr 2023 hin – früher als vom Konsens erwartet worden war. Sieben der 18 Notenbanker befürworten sogar einen Zinsschritt bereits im kommenden Jahr.
Eine ausgeprägtere Divergenz der globalen Geldpolitik nach den breiten Lockerungsmaßnahmen im letzten Jahr ist ein Phänomen, das ab dem dritten Quartal 2021 stärker zum Vorschein kommen dürfte. Doch nicht nur die geldpolitische Unterstützung könnte sich allmählich ihrem Höhepunkt nähern.
- Gipfel des Konjunkturoptimismus? Für das Gesamtjahr 2021 rechnen wir mit einem Wachstum der Weltwirtschaft von mehr als 6%, dem stärksten Anstieg in mehr als vier Dekaden. Doch nach der weiteren Beschleunigung des Wachstumstempos im zweiten Quartal im Zuge stetiger Impffortschritte und einer schrittweisen Rücknahme der „Lockdown“-Maßnahmen, angesichts ambitionierter Konsenserwartungen und einer langen Phase positiver Überraschungen („Economic Surprises“) scheint der Hochpunkt im Konjunkturoptimismus allmählich näher zu rücken. Dies gilt insbesondere für die USA, während sich Europa noch inmitten der konjunkturellen Aufholbewegung befindet.
- Gipfel der Inflation? In den USA, in Großbritannien und im Euroraum haben die Inflationsraten zuletzt die Preisstabilitätsmarken der Notenbanken gestreift oder sogar überschossen. Eine der Kernfragen für Investoren bleibt: Sind es allein Sondereffekte (u.a. Basiseffekte, steigende Rohstoffpreise, Engpässe im Zuge der breiteren Öffnung der Wirtschaft), die die Teuerung in die Höhe treiben und die im Jahr 2022 keine allzu große Rolle mehr spielen? Laut des jüngsten Global Fund Manager Survey betrachten 72% der von Bank of America befragten Investoren die anziehenden Inflationsraten als vorübergehend.
- Gipfel der fiskalpolitischen Unterstützung? Die globale Fiskalpolitik wird in diesem Jahr weniger locker und heterogener ausfallen. Diese Konsolidierung wird dabei von der Gruppe der Schwellenländer angeführt, während viele Industrieländer weiterhin versuchen, zeitnahe „fiskalische Klippen“ zu umschiffen. So bleibt die US-Fiskalpolitik im Jahresdurchschnitt expansiv, während in der Eurozone im zweiten Halbjahr erste Auszahlungen aus dem „Next Generation EU“-Programm anstehen.
Die Quintessenz: Das makroökonomische Umfeld bleibt zwar insgesamt günstig für risikoreiche Anlageklassen wie Aktien. Je mehr Anleger und Analysten jedoch das „Beste aller Welten“ in ihren Prognosen für Konjunktur und Unternehmensgewinne einflechten, desto dünner wird die Luft für positive Überraschungen. Investoren sollten sich auf schwankungsreichere Märkte einstellen, sofern ab dem dritten Quartal der konjunkturelle und wirtschaftspolitische Rückenwind tatsächlich nachlässt.
Die Woche voraus
Taktgeber in der kommenden Handelswoche wird, im Nachbeben der Fed-Sitzung, der US-Arbeitsmarktbericht sein – denn neben Preisstabilität verfolgt die Fed das Ziel der Vollbeschäftigung. Trotz einer steigenden Nachfrage US-amerikanischer Firmen nach Arbeitskräften war das Beschäftigungswachstum zuletzt enttäuschend ausgefallen. Mehrere Gründe sprechen dafür, dass das derzeitige Ungleichgewicht am US-Arbeitsmarkt – rekordhohes Stellenangebot bei gleichzeitig hoher Arbeitslosigkeit – im zweiten Halbjahr nachlässt. So dürften das Ende der zusätzlichen Arbeitslosenunterstützung und weitere Impffortschritte wieder mehr Amerikaner auf den Jobmarkt drängen. Robustere Beschäftigungszahlen in den kommenden Monaten sollten die Fed in ihrem Normalisierungskurs bestärken.
In Bezug auf die Frage, wie nachhaltig die USInflation überschießen könnte, lohnt sich ein Blick auf die schwebenden Hausverkäufe (Mi). In der Vergangenheit hat sich ein überhitzter Wohnungsmarkt über die Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum mit einer Verzögerung von zwölf bis 18 Monaten in höheren Verbraucherpreisen entladen.
Der ISM-Einkaufsmanagerindex (Do) dürfte eine gipfelnde Konjunkturdynamik in den USA hindeuten, während Chinas Konjunktur – die chinesischen Einkaufsmanagerindizes werden am Mittwoch und Donnerstag veröffentlicht – bereits zu Jahresbeginn an Tempo verloren hat. Derweil wird der Economic Sentiment Indikator (Di) der EU-Kommission voraussichtlich das Szenario einer (noch) an Fahrt gewinnenden Wirtschaftsaktivität im Euroraum untermauern Für europäische Anleger wird darüber hinaus die Schnellschätzung für die Verbraucherpreise (Mi) von Interesse sein, nachdem die Inflationsrate im Mai erstmals seit zweieinhalb Jahren die 2%- Preisstabilitätsmarke der Europäischen Zentralbank gestreift hatte. Insbesondere im Herbst ist mit temporär überschießenden Inflationsraten zu rechnen.
In Japan sollten Einzelhandelsumsätze (Di), Industrieproduktion (Mi) und die vierteljährliche Tankan-Umfrage (Do) eine weitere graduelle Erholung signalisieren, nachdem die Wirtschaft zum Jahresauftakt aufgrund der verschärften Corona-Lage einen erneuten Rückschlag erlitten hatte.
Noch wird der Konjunkturgipfel auf globaler Ebene erklommen, doch ein differenzierter Blick lohnt sich, meint Ihre,
Ann-Katrin Petersen
Vice President, Global Economics & Strategy
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