Das jüngste CIO-Update fand direkt nach der US-Wahl statt, um Investoren zeitnah eine Analyse zu den Folgen für die Finanzmärkte zu geben. Thomas Kruse, CIO bei Amundi Deutschland, und die Wirtschaftsjournalistin sowie renommierte USA-Expertin Annette Weisbach erörterten gemeinsam, was Anlegerinnen und Anleger nach dem Trump-Sieg beachten sollten.
Herr Kruse, wie steht es aktuell um die US-Wirtschaft?
Unabhängig von den jüngsten politischen Folgen der US-Wahl ist die amerikanische Konjunktur doch recht robust. Der Arbeitsmarkt zeigt sich zwar verhalten, aber die Frühindikatoren – etwa im so wichtigen Dienstleistungssektor – steigen leicht an. Das verweist klar auf Wachstum. Der Markt rechnet zudem noch mit zwei Zinssenkungen seitens der Federal Reserve.
Die Inflationsrate ist im September leicht auf 2,4% zurückgegangen. Allerdings liegt die Kerninflation, die Verbraucherpreise ohne die Bereiche Energie und Nahrungsmittel umfasst, immer noch bei 3,3%.
Wie bewerten Sie den überraschend klaren Ausgang der US-Präsidentschaftswahl und den Sieg Donald Trumps?
Es ist sehr positiv, dass wir so schnell Klarheit über den Ausgang der Wahl bekommen haben und kein Patt mit einer längeren Lähmung der Regierung oder gar Unruhen befürchten müssen. Da Donald Trump sich neben dem Präsidentenamt wahrscheinlich auch auf eine Mehrheit im Repräsentantenhaus und Senat stützen kann, dürfte er die kommenden zwei Jahre eher durchregieren und die Ankündigungen aus dem Wahlkampf in die Tat umsetzen.
Die Märkte hatten zwar seit Oktober bereits einen Wahlsieg Trumps eingepreist, doch die ersten Reaktionen der Märkte sind nun recht aufschlussreich.
Welche im Detail?
Beispielsweise sind die Zinsen für 2- und 10-jährige Anleihen in den USA bereits deutlich angestiegen, was eine Reaktion auf die mittelfristige Wirkung der geplanten Zölle sein könnte – diese dürften das Preisniveau und somit letztlich die Inflation hochhalten. Bei den Aktien hat vor allem der Small-Cap-Index „Russel 2000“ zugelegt, weil die Schutzzölle der US-Binnenwirtschaft und damit den kleineren und mittleren Unternehmen besonders helfen könnten.
Aber auch Banken und der Energiesektor haben einen Kurssprung hingelegt. Gold hingegen tendiert etwas schwächer. Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Anspannung wegen der möglichen Eskalationen rund um ein knappes Wahlergebnis sich nun auflösen dürfte.
Wie könnte sich ein Durchregieren Donald Trumps auf den US-Schuldenstand auswirken?
Die Schulden dürften deutlich ansteigen. Allein die geplante Senkung der Unternehmenssteuer von 21% auf 15% könnte beispielsweise rund 800 Mrd. US-Dollar kosten. Auch die US-Zölle zahlt ja letztlich der US-Konsument, zudem verteuert die steilere Zinsstrukturkurve viele Kredite.
Auch eine strenge Migrationspolitik dürfte zu einer Lohninflation führen, die sich aus dem verknappten Angebot an Arbeitskräften ergibt. Die US-Staatsverschuldung wird ohnehin schätzungsweise von heute 35 Bio. US-Dollar auf 50 Bio. US-Dollar bis 2034 ansteigen. Trumps Politik könnte allerdings eine zusätzliche Schuldenlast von 6 oder 7 Bio. US-Dollar zusätzlich verursachen.
Was bedeutet das konkret für die Kapital- und Finanzmärkte?
Da muss man differenzieren. Die Senkung der Unternehmenssteuern wirkt kurzfristig positiv. Wenn die Zinsen wegen der höheren Verschuldung ansteigen, müsste man aber längerfristig vielleicht gar mit einem schlechteren Rating für US-Staatsanleihen rechnen. Und die Inflation mit einer steileren Zinsstrukturkurve hat die Anleihemärkte belastet. Allerdings ist einiges davon bereits vor der Wahl eingepreist gewesen. Es wird also für die künftige Entwicklung an den Märkten entscheidend darauf ankommen, wie stark die US-Konjunktur unter den konkreten Maßnahmen leidet.
Frau Weisbach, wieso konnte Donald Trump das Rennen so klar für sich entscheiden?
Bei den Wahlkampfauftritten von Kamala Harris sah man bereits früh, dass sie die Bedürfnisse der Bevölkerung nicht so gut adressieren konnte, wie Trump. Für viele Amerikaner geht es erst einmal um die die Lebenshaltungskosten, Benzin, Essen und – wegen der schwachen Sozialsysteme – auch um die soziale Absicherung aus eigener finanzieller Kraft. Das Bürgertum stellt nun mal in den USA nicht die Mehrheit und Harris wurde von vielen als eher elitär wahrgenommen.
Wie dürften sich unter Trump die transatlantischen Beziehungen mit Europa entwickeln?
Ich rechne mit keinem Abgesang auf die weiterhin wichtigen transatlantischen Beziehungen. Aber Europa wird lernen müssen, eine selbständigere Politik zu machen und braucht auch andere Verbündete, um die Abhängigkeit von den USA – mit Blick auf Militär, Rohstoffe, Technologie oder Lieferketten – etwas zu verringern. Allerdings ist das im Grunde nichts grundlegend Neues, denn bereits unter Joe Biden verlagerten die USA ihren Fokus bereits mehr auf Asien.
Herr Kruse, am gleichen Tag wie Trumps Wahlsieg besiegelte die deutsche Ampelregierung ihr Ende. Wie könnte sich das auf die Märkte auswirken?
Für eine seriöse Einschätzung ist es noch reichlich früh. Doch egal ob die Neuwahlen schneller oder wie momentan anvisiert erst im März 2025 kommen, kann man sagen, dass ein Ende der vielen und unübersehbaren Differenzen in der „Ampel“ eher begrüßt werden dürfte. Die aktuellen Umfragen machen eine nächste CDU-geführte Regierung wahrscheinlich, die ja als wirtschaftsfreundlich gilt. Das könnte somit bald neue politische und damit wirtschaftliche Spielräume eröffnen.