Die geopolitische Eskalation zum Monatsende markiert einen weiteren Anstieg der Volatilität. Die Credit Spreads – also die Renditeabstände – für Anleihen hoher Bonität (Investment Grade), Hochzins-Anleihen und Euro-Peripherie-Anleihen weiteten sich weiter aus, während sich die Korrektur an den Aktienmärkten fortsetzte.
Die Rotation in Richtung „Value“ (wertorientierte Aktien) setzte sich fort, allerdings angesichts der zunehmenden Risiken für das Wirtschaftswachstum durch den Russland-Ukraine-Konflikt mit einer Pause in den zyklischsten Segmenten. Vor dem Hintergrund dieser Krise bewerten die Märkte die Wende der US-Notenbank Fed und der EZB hin zu einer strengeren Geldpolitik neu. Auf der Makro-Ebene lagen die US-Arbeitsmarktdaten deutlich über den Erwartungen; die Inflationswerte für Januar erreichten den höchsten Stand seit vier Jahrzehnten. Dies erschwert es den Zentralbanken, zwischen einer vielleicht noch steigenden Inflation und einem sich abschwächenden Wachstum ihren Weg zu finden („zunehmendes Stagflationsrisiko“).
Im Gegensatz dazu scheint China im Jahr des Tigers zunehmend auf eine akkommodierende Geldpolitik zu setzen und verfolgt damit einen anderen Ansatz als der Rest der Welt. Hier zeigt sich, dass Chinas Wirtschaftszyklus offenbar nicht mit dem der USA synchron läuft, weswegen im globalen Kontext chinesische Vermögenswerte der Diversifizierung dienen können, wie wir meinen.
In der gegenwärtigen Situation, in der seit Jahresbeginn bereits erhebliche Kursveränderungen zu verzeichnen sind, stellen sich für die Anleger zwei brennende Fragen:
Erstens, könnte die derzeitige Volatilität in einen doppelten Bärenmarkt für Anleihen und Aktien münden und damit eine strukturelle Risikoreduzierung in der Asset Allokation nötig machen?
Die Volatilität nimmt sicherlich in allen Bereichen zu (Anleihen, Aktien, Rohstoffe, Währungen), und die Anlagelandschaft erscheint riskanter als noch vor einem Monat. Das Wachstum dürfte 2022 angesichts der wirtschaftlichen Erholung nach der Omikron-Welle und der weichen Landung in China aus unserer Sicht aber solide bleiben. Dementsprechend dürfte sich das Ertragswachstum gegenüber dem Höchststand zwar verlangsamen, aber weiterhin positiv bleiben. Das große Risiko besteht in einem möglichen Übergreifen des Russland-Ukraine-Konflikts, der sich erheblich auf Wachstum und Inflationsaussichten auswirken könnte. Dies ist der entscheidende Punkt, den Anleger im Auge behalten sollten. Aktienbärenmärkte treten in der Regel während Rezessionen auf (außer während des Crashs 1987). Wir rechnen nicht mit einer Rezession, aber das Risiko dafür steigt in Europa angesichts des zunehmenden Inflationsdrucks, während die EZB plant, ihre quantitative Lockerung der Geldpolitik zurückzuführen.
Die geopolitischen Risiken sind sehr schwer abzuschätzen, weil jede positive Entwicklung zu einer Erleichterungsrallye führen könnte, während eine weitere Eskalation den Markt weiter unter Druck setzen dürfte. Deshalb sollten Anleger nach unserer Auffassung weiterhin versuchen, in erster Linie über ausgesuchte Aktienmärkte von der Erholung zu profitieren, dabei aber auf das Schlimmste vorbereitet sein, also ihre Absicherung anpassen, um einer möglichen weiteren Verschlechterung der Situation zu begegnen. Alles in allem erhält die Inflation weiteren Auftrieb, was wiederum eine mittelfristige Präferenz für Value/Qualität im Aktienbereich nahelegt, auch wenn wir kurzfristige Pausen in der Value-Rotation erleben könnten. Bei Anleihen sind wir angesichts steigender Liquiditätsrisiken und eines im Vergleich zu Aktien weniger attraktiven Risiko-Ertrags-Profils vorsichtiger geworden.
Zweitens, sind 2 % ein Zielwert für die Renditen von US-Staatsanleihen? Oder ist das Ende noch nicht in Sicht, so dass die Duration – ein Maß für die Zinssensitivität – kurz gehalten werden sollte?
Der Kurswechsel der US-Notenbank und die überraschende Inflation haben die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen zum ersten Mal seit Juli 2019 vorübergehend über die 2 %-Schwelle gehoben und insbesondere am kurzen Ende der Kurve zu einer Wertaufholung geführt. Der Russland-Ukraine-Konflikt birgt in erster Linie Risiken für Finanzsysteme und Inflation, aber auch für die Weltwirtschaft. Da der Markt offenbar bereits einschneidende Maßnahmen der Fed einpreist, könnte der Renditeanstieg unserer Meinung nach bis zur März-Sitzung der Fed pausieren. Einige technische Anpassungen der Duration sind unseres Erachtens fällig, und wir empfehlen daher einen aktiven Ansatz. Vorerst bestätigen wir unsere vorsichtige Durationshaltung, während wir aktiv Chancen im Zinskurvenbereich und auf Länderebene nutzen.
Fazit
Die Marktunsicherheit wird sehr wahrscheinlich hoch bleiben. Wir stehen am Beginn einer Phase geringer Transparenz in Bezug auf geopolitische Entwicklungen und deren wirtschaftlichen Auswirkungen. Die Aktienvolatilität dürfte hoch bleiben, da Aktien aufgrund ihres hohen Liquiditätsprofils für viele Investoren das erste Ziel im Falle einer schnellen Risikoanpassung sein werden. Solche Momente können aber auch Gelegenheiten bieten, in überverkaufte Bereiche des Marktes neu einzusteigen.
Der Zeitrahmen der Krise wird von entscheidender Bedeutung sein, da eine längere Phase der Unsicherheit mit zunehmender Eskalation zu einer weiteren Neubewertung der Risikoprämien führen könnte. Die Zentralbanken werden im Rampenlicht stehen und müssen möglicherweise irgendwann ihre Agenda anpassen, um dem steigenden Stagflationsrisiko zu begegnen. Für Anleger bedeutet das aus unserer Sicht, am besten gut diversifiziert zu bleiben, Absicherungen weiter auszubauen und sich auf Bereiche zu konzentrieren, die gegen hohe Inflation möglichst resistent sind.
Von Vincent Mortier, Group CIO Amundi und Matteo Germano, Deputy Group CIO Amundi
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