In einem historischen Zinsschritt senkte die EZB erstmals in ihrer Geschichte den Leitzins noch vor der US-Notenbank Federal Reserve. Was das für die Anleihemärkte konkret bedeutet und warum Multi-Asset-Strategien aktuell für viele Anleger sinnvoll sein könnten, erläutert Portfoliomanagerin Helen Windischbauer von Amundi im ausführlichen Interview.
Zum ersten Mal seit Langem hatte die EZB Anfang Juni den Leitzins wieder gesenkt. Frau Windischbauer, hat das die Märkte beruhigt?
Ja, mit Blick auf die europäischen Anleihemärkte kehrte in der Tat wieder etwas Ruhe ein. Es war ein gutes Signal, einen ersten Senkungsschritt zu wagen. Wie es nun 2024 mit der Leitzinspolitik weitergeht, bleibt natürlich eine entscheidende Frage. Die Mehrheit der Kapitalmarktteilnehmer rechnet jedenfalls damit, dass die EZB in diesem Jahr noch ein oder zwei Zinsschritte gehen wird.
Wenn es denn so kommen sollte: Welche Anlagestrategie passt dann gut zu diesem Szenario?
Die EZB hat ja angekündigt, dass sie streng nach der Datenlage entscheiden wird und Kennziffern wie Inflation und Konjunktur genau im Blick behält. Das heißt allerdings, dass wir auch weiter mit Unsicherheiten am Markt rechnen müssen. Ein solches, komplexes Szenario ist die Domäne von – auch Multi-Asset genannten – gemischten Portfolios, die Chancen von Anleihen und Aktien gezielt ausbalancieren.
Welche Rolle haben denn die Aktien seit Jahresbeginn in Multi-Asset-Portfolios gespielt?
Aktien konnten vom deutlich verbesserten konjunkturellen Umfeld profitieren, sodass sie einen großen Beitrag zur positiven Kursentwicklung vieler gemischter Portfolios geleistet haben.
Und wie schätzen Sie die Bedeutung festverzinslicher Wertpapiere für einen attraktiven Anlage-Mix derzeit ein?
Gemessen an den langen Niedrigzinsjahren sind die Zinsen für Anleihen wieder attraktiv – die Rendite ist also auch in dieser Anlageklasse zurück. Doch sollte man etwas differenzieren: Denn für ein breites Investment in Staatsanleihen ist es – trotz des Anstiegs der Renditen seit Jahresbeginn – vielleicht noch etwas früh. Unternehmensanleihen sind hingegen für Anleger momentan sehr interessant. Sie bieten neben den relativ hohen Zinsen auch die Chance, von einer stabilen Unternehmensentwicklung zu profitieren.
Welche Punkte sind Ihnen als Portfoliomanagerin besonders wichtig, um in der Praxis eine gute Balance zwischen Aktien und Anleihen herzustellen?
Wir schauen zuerst genau, wie sich die Korrelation, also das Verhältnis der Kursentwicklung zwischen Aktien und Anleihen, entwickelt – vor allem weil die historisch dominante Gegenläufigkeit der Entwicklung beider Anlageklassen seit einigen Jahren von einer sehr wechselhaften Beziehung geprägt ist. Auf der Basis unserer Analyse justieren wir dann die grundsätzliche Gewichtung der beiden großen Portfoliobestandteile. Zudem legen wir insgesamt großen Wert auf eine breite Streuung, sowohl innerhalb des Aktien- bzw. Anleiheanteils als auch in Bezug auf weitere Anlageklassen, wie etwa Gold.
Wenn nun ein Portfoliobestandteil stark an Wert gewinnt und das gemischte Portfolio dominiert, wie reagieren Sie?
Das hängt vom Anlageziel des jeweiligen Portfolios ab. Häufig sorgen wir in unseren Fonds für ein regelmäßiges sogenanntes „Rebalancing“. Das bedeutet, dass wir den Anteil der gut gelaufenen Investments wieder reduzieren, indem wir Gewinne einlösen und in aussichtsreiche Wertpapiere anderer Anlageklassen reinvestieren. Das mindert auch das Klumpenrisiko, das bei sehr positiven Wertentwicklungen einzelner Wertpapiere entstehen kann.
Wie machen Sie Mischportfolios resistenter gegen geopolitische Risiken, die wir in letzter Zeit häufig sehen?
Wir machen unsere Portfolios wetterfest, indem wir weitere Anlageklassen als Risikodiversifizierer beimischen. Dazu zählen etwa Gold, Währungen wie der US-Dollar oder Rohstoffe. Der Anteil dieser Werte ist variabel und richtet sich nach der strategischen Ausrichtung des Portfolios. Wer sein Risiko aktuell etwas senken will, könnte beispielsweise 2–3% der Investments in solche Werte stecken. Eine breite Mischung kann helfen Risiken zu begrenzen und Chancen gezielt zu nutzen. Multi-Asset-Portfolios bieten dafür die nötige Flexibilität.
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