Auf der jüngsten Amundi Investment Konferenz am 8. Mai analysierte Thomas Kruse, CIO von Amundi Deutschland, aktuelle Fragen zu Zinspolitik, Inflationsentwicklung, Konjunktur und Geopolitik. Warum Anlegerinnen und Anleger momentan besonders auf eine breite Diversifikation verschiedener Assetklassen achten sollten, erläuterte der renommierte Experte im ausführlichen Interview.
Herr Kruse, sind die aktuellen Höchstkurse an den internationalen Aktienmärkten gerechtfertigt und von Dauer?
Es ist jedenfalls plausibel, wie der Höhenflug begann und auch, dass es immer noch gute Gründe für ein ansprechendes Kursniveau gibt. Wenn wir ein paar Monate auf die Entwicklung in den USA zurückblicken, wird schnell klar, dass die Aktienmärkte die robuste US-Konjunktur positiv werteten und angesichts abflauender Inflationszahlen eine gute Portion Zinssenkungsphantasie die Kurse trieb. Bis vor kurzem blieb die Konjunktur auch erstaunlich gut, doch jetzt sehen wir erste Anzeichen für eine leichte Abschwächung.
Weil sich zugleich die Kerninflation hartnäckiger zeigt, als viele erwartet haben und die Fed die Aussicht auf größere, schnelle Zinssenkungen jüngst nicht gerade befeuerte hat, könnte es im zweiten Halbjahr zu einer leichten Konsolidierung bei Aktien kommen. Wir rechnen für dieses Jahr auch nur mit rund 2,3% Wachstum in den USA.
In den letzten Jahren sprang oft China als Wachstumslokomotive ein, wenn die traditionellen Industrieländer schwächelten. Könnte das auch dieses und nächstes Jahr der Fall sein?
Wir sind überzeugt, die Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaft dürfte dort mittelfristig eher zu niedrigeren Wachstumsraten führen. In den 2010er Jahren verzeichnete China unter dem Eindruck der rasanten Globalisierung einen jährlichen BIP-Wachstumsdurchschnitt um die 6%. Auch wenn wir für 2024 noch einmal mit einem Plus von etwa 4% rechnen, dürfte sich der Dekaden-Durchschnitt bis Ende der 2020er irgendwo zwischen 3% und 4% einpendeln. Das ist der Preis, den China zum Teil für die Transformation von der „Werkbank der Welt“ zum High-Tech-Wettbewerber des industriellen Westens wird zahlen müssen.
Mit Blick auf Europa erwarten einige Beobachter, dass die EZB nun sogar früher als die US-Notenbank Fed die Zinsen senken könnte. Wie bewerten Sie diese Möglichkeit?
In der Tat hat sich die EZB sozusagen selbst unter Druck gesetzt und wird nach unserer Einschätzung im Juni einen ersten Zinsschritt in diese Richtung tätigen, was bei der Fed ja eventuell auch noch bis September dauern könnte. Dann hätten wir die historische Situation, dass die EZB noch vor der Fed die Zinsen senken würde. Die Zinsdifferenz würde den US-Dollar im Übrigen klar stärken. Im zweiten Halbjahr rechnen wir für die EZB momentan jedoch immer noch mit drei weiteren Zinsschritten. Unter der Annahme, dass die FED aber erstmals im September eine Zinssenkung vornimmt, könnte sich das auch auf zwei Schritte reduzieren.
Auch der deutsche Aktienmarkt schlägt sich wegen der globalen Ausrichtung vieler Unternehmen noch sehr gut, obwohl die Konjunktur hierzulande momentan kaum vom Fleck kommt. Welche Hausaufgaben müssten am Standort erledigt werden, damit die Dynamik im DAX anhält?
Wir sollten vor allem die strukturellen Probleme konsequent angehen, etwa in Sachen Demografie, geringem Produktionswachstum oder hoher Energiepreise. Auch eine starke KI könnte uns Produktionsfortschritte bescheren. Allerdings müssen wir dazu beispielsweise noch besser darin werden, unsere sehr gute KI-Basisforschung in marktfähige Produkte zu übersetzen.
Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen an den Märkten beeinflussen in letzter Zeit immer mehr geopolitische Konflikte Handel, Konjunktur, Lieferketten oder Rohstoffpreise. Was bedeutet das konkret für Anlegerinnen und Anleger?
Ihre Feststellung ist richtig. Allerdings ist das aus Investorensicht nicht nur eine Belastung. Denn gerade komplexe Märkte können für völlig unterschiedliche Entwicklungen in verschiedenen Regionen, Sektoren und Anlageklassen sorgen, was neben Risiken immer auch Chancen bringen kann. Deshalb ist aktuell zum einen Diversifikation von ganz zentraler Bedeutung, aber auch die selektive Auswahl bestimmter Investments, etwa von Aktien, Anleihen oder Rohstoffen wie Gold oder Öl – und natürlich sind zudem Gewichtung und Timing für den Anlageerfolg entscheidend. So haben in volatilen Märkten Multi-Asset-Portfolios, bzw. Mischfonds, besondere Vorzüge. Ein erfahrenes Fondsmanagement kann hier mit einer Mischung aus Aktien und festverzinslichen Wertpapieren sowie einer Absicherung von geopolitischen Risiken mit einer Beimischung, beispielsweise von Gold, attraktive Renditen erzielen. Das sieht man derzeit auch an der überzeugenden Performance in der breit diversifizierten Anlageklasse Multi-Asset.
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