Die Europäische Union fordert die Umorientierung in Richtung Kreislaufwirtschaft. Wie kann die Branche diese Vorgabe in ihr Geschäftsmodell integrieren?
Der Kampf der EU gegen den Elektroschrott
Die Folge des Wachstums der Elektronik-Branche ist eine permanent zunehmende Abfallmenge. 2019 wurden nur 17% des weltweiten Elektroschrotts gesammelt und ordnungsgemäß recycelt. 44 Millionen Tonnen wurden dagegen entweder auf Deponien gelagert, verbrannt oder gerieten in den illegalen Handel. In der EU wird die Recyclingquote auf unter 40% geschätzt.
Elektroschrott enthält eine Anzahl problematischer Stoffe, die bei unsachgemäßer Entsorgung Wasser und Nahrungsketten verschmutzen. In vielen Ländern werden Menschen, die auf Deponien bei der Rückgewinnung von Metallen aus dem Elektroschrott arbeiten, giftigen Substanzen und damit Gesundheitsgefahren ausgesetzt.
Nicht nur um den Abfall zu reduzieren, sondern auch um den mit der Neuproduktion von Geräten verbundenen CO2-Ausstoß und Rohstoffabbau zu verringern, befasst sich die EU mit der Verschärfung der Vorschriften. Im ersten Quartal 2021 trat eine neue Ökodesign-Verordnung mit Verpflichtungen für die Hersteller in Kraft:
- Die meisten Ersatzteile und Reparaturhandbücher müssen für Reparaturbetriebe noch mehrere Jahre nach Einstellung der Produktion des Geräts erhältlich sein.
- Die Lieferung von Ersatzteilen muss innerhalb von 15 Arbeitstagen erfolgen; Ersatzteile müssen mit handelsüblichen Werkzeugen und ohne Schäden am Produkt ausgetauscht werden können.
- Die aktuelle Version der Firmware muss zu einem "fairen" Preis zur Verfügung gestellt werden.
- Die Montageart einer Reihe von Bauteilen darf nicht dem Ausbau zu Reparaturzwecken oder zur Wiederverwendung entgegenstehen.
Wie Unternehmen die Kreislaufwirtschaft angehen
Die Kreislaufwirtschaft als ein strategisches Thema wird bei vielen Unternehmen in Vorstandssitzungen diskutiert. Allerdings wird hier oft nicht zwischen Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit im Allgemeinen unterschieden und die Kreislaufwirtschaft wird nicht als eigenständiges Ziel und neuer Ansatz behandelt. Man konzentriert sich stattdessen auf einige der leichter umzusetzenden Elemente der Kreislaufwirtschaft.
Sinnvoll wäre es, die Führungskräfte in den Bereichen „Chancen der Kreislaufwirtschaft“ und „Nachhaltigkeit“ weiterzubilden. Es sollte ein Verständnis dafür geschaffen werden, dass die Umstellung schnellstmöglich erfolgen muss, um der neuen Rechtslage, den Vorstellungen der Verbraucher und den ökologischen Herausforderungen gerecht zu werden.
Die Vorstandsebene sollte berücksichtigen, dass die Umsetzung einer neuen Unternehmensstrategie eine veränderte Mentalität und die Einbeziehung sämtlicher Abteilungen erfordert. Alle Elemente der Kreislaufwirtschaft, auch die komplizierteren, müssen Anwendung finden, von der nachhaltigen Beschaffung bis hin zu einer höheren Recyclingquote.
Empfehlenswert ist die Entwicklung eines Systems von Kennzahlen, mit dem sich Fortschritte feststellen lassen und das bei der Entscheidungsfindung hilft. So könnten die Circular Transition Indicators genutzt werden, die von 25 Unternehmen im Rahmen einer Arbeitsgruppe des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) entwickelt wurden.
Ökodesign und Produkt als Service
Die ökologische Gestaltung von Produkten im Hinblick auf deren gesamten Lebensweg ist ein sich schnell entwickelndes Gebiet. Energieeffizienz ist bislang wohl der Schwerpunkt bei Forschung und Entwicklung und der Kommunikation mit den Kunden; ebenfalls häufig erforscht und umgesetzt wird die Verwendung von recyceltem Material. Lebenszyklusanalysen werden von den Unternehmen zwar durchgeführt, aber nicht veröffentlicht. Geschlossene Wertschöpfungsketten bestehen in der Regel nur für bestimmte Bauteile aus einem bestimmten Material. Unternehmen sollten für ausgewählte Produkte ein gut entwickeltes geschlossenes Kreislaufsystem aufbauen, wie es etwa bei Multifunktionsdruckern zu finden ist. Dann könnte damit geworben werden, dass ein Teil der Produktpalette im Einklang mit der Kreislaufwirtschaft steht.
Product as a Service (PaaS) oder Leasing ist eine Möglichkeit, die Kreislaufwirtschaft zu stärken und dabei eine Einnahmequelle zu schaffen. In Bezug auf Treibhausgase und Ressourceneffizienz weisen PaaS-Systeme eine im Vergleich zum Gerätekauf bis zu 30% bessere Ökobilanz auf und leisten einen wichtigen Beitrag zur Verringerung des Elektroschrotts. Unternehmen sollten ihre Produkte dahingehend prüfen, ob sie sich nicht im B2B-Markt für das PaaS-Geschäftsmodell eignen. Dagegen dürfte sich das Modell bei Verbrauchern nur schwer durchsetzen, da im aktuellen Umfeld die Kosten für Neuanschaffungen relativ niedrig sind und die Kunden es vorziehen dürften, Eigentümer der von ihnen genutzten Elektrogeräte zu sein.
Die Integration der Kreislaufwirtschaft in die Unternehmensabläufe steht erst am Anfang. Es handelt sich um eine grundlegende Umstellung von dem früheren Geschäftsmodell des „immer mehr, immer schneller“, aber Unternehmen, die diesen Schritt wagen, werden die Gewinner von morgen sein und mehr und mehr Investoren für sich begeistern.
Von Caroline Le Meaux, Global Head of ESG Research, Engagement and Voting bei Amundi
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Quellenangaben
Quelleninformationen und die vollständige Publikation "Thematic Research Paper #4“ „The Electronic an ICT sector: designing a new matrix" finden Sie in der englischen Originalfassung im Amundi Research Center.