In Lateinamerika sind Frauen mit erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Trotz Fortschritten in den letzten Jahrzehnten bleibt die Gleichstellung der Geschlechter ein zentrales Anliegen. Der Weltfrauentag bot hier eine Gelegenheit, die aktuelle Situation von Frauen in der Region zu beleuchten, insbesondere hinsichtlich ihrer finanziellen Lage und des Zugangs zu Finanzmitteln. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Rolle der Mikrofinanzierung als Instrument zur Förderung der finanziellen Unabhängigkeit von Frauen.
Frauen in Lateinamerika tragen oft die Hauptverantwortung für Haushalt und Familie, was ihre Teilnahme am formellen Arbeitsmarkt einschränkt. Sie leisten durchschnittlich doppelt so viel unbezahlte Arbeit wie Männer. Die Folge: geringeres Einkommen und eingeschränkter Zugang zu sozialer Absicherung. Die Erwerbsquote von Frauen in Lateinamerika liegt bei etwa 54 Prozent, während die der Männer bei 80 Prozent liegt, was auf eine geschlechtsspezifische Kluft von 26 Prozentpunkten hinweist. Außerdem verdienen Frauen im Durchschnitt 17 Prozent weniger als Männer mit vergleichbarer Ausbildung und Erfahrung.1 Hinzu kommt, dass der Zugang zu finanziellen Ressourcen für viele Frauen in Lateinamerika eingeschränkt ist.
Eine mögliche Hilfestellung: Mikrofinanzierung. Sie hat sich als wirksames Mittel erwiesen, um Frauen den Zugang zu finanziellen Dienstleistungen zu ermöglichen. So hat sich beispielsweise Banco Pichincha, eine führende Bank in Ecuador, unter anderem auf die Vergabe von Mikrokrediten spezialisiert, um die finanzielle Inklusion zu fördern und insbesondere Kleinunternehmerinnen zu unterstützen. Durch die vielfältigen Angebote trägt Banco Pichincha auch zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Ecuador bei.
Bildung kann Risiken verringern und Chancen schaffen
Trotz der positiven Effekte birgt Mikrofinanzierung auch Risiken. Ohne angemessene finanzielle Bildung können Kreditnehmerinnen in die Schuldenfalle geraten. Deshalb ergänzen Mikrofinanzinstitute ihre Finanzdienstleistungen häufig mit Bildungs- und Qualifizierungsprogramme. So erhalten die Endkreditnehmer nicht nur Zugang zu finanziellen Ressourcen, sondern werden auch in Finanzwissen, Unternehmensführung und anderen relevanten Themen, die im direkten oder indirekten Zusammenhang mit der Kreditvergabe stehen, geschult. Durch diesen ganzheitlichen Ansatz bekommen sie Kenntnisse und Instrumente an die Hand, um fundierte Entscheidungen treffen zu können, ihr Unternehmen erfolgreich zu führen und sich in der Komplexität des Marktumfeldes, in dem sie sich bewegen, zurechtzufinden.
Perspektiven aus erster Hand: Ein Interview mit unserer Kollegin Susana Palate Alvarez
Unsere Kollegin Susana Palate Alvarez hat immer noch tief verankerte Wurzeln in ihrem Heimatland Ecuador. Durch ihre persönlichen und familiären Beweggründe ist es Susana wichtig, über die Rolle der Frau und deren gesellschaftliche Entwicklungen stets informiert zu bleiben. Um ein tieferes Verständnis für die finanzielle Situation von Frauen in Lateinamerika zu gewinnen, haben wir mit unserer Kollegin gesprochen.
Wie hat sich die wirtschaftliche und finanzielle Situation von Frauen in Ecuador in den letzten fünf Jahren entwickelt?
“Generell kann man sagen, dass sich die wirtschaftliche Situation der Frauen in Ecuador zukunftsorientiert entwickelt hat. Der Zugang zu Hochschulbildung hat sich positiv verändert, wodurch nun mehr Frauen in besser bezahlten Jobs Arbeit gefunden haben. Gleichzeitig wächst ihr Verständnis für Finanzthemen und ihre Bereitschaft, das Finanzsystem aktiv zu nutzen.”
Welche Herausforderungen bestehen beim Zugang zu Finanzdienstleistungen?
“Viele Banken verstehen die Bedürfnisse von Unternehmerinnen nicht ausreichend. Häufig verlangen sie die Unterschrift eines Ehemanns, um einen Kredit zu gewähren. Das macht Frauen finanziell abhängig und erschwert ihnen den Weg in die Eigenständigkeit. Mikrofinanzinstitute hingegen versuchen gezielt auf diese Zielgruppe einzugehen und bieten bessere Lösungen. Besonders Mikrokredite und Sparprodukte helfen Frauen, finanzielle Sicherheit aufzubauen.”
Welche Chancen und Risiken siehst du für die finanzielle Emanzipation von Frauen in Ecuador?
“Der Zugang zu Finanzprodukten bedeutet für Frauen mehr Unabhängigkeit. Sie können Ressourcen gezielt nutzen, Arbeitsplätze schaffen und bessere Lebensbedingungen für sich und ihre Familien erreichen. Insbesondere ist der Kredit das Produkt mit dem größten Potenzial. Ergänzende Mentorenprogramme, die die Entrepreneurin bei der Kreditverwendung begleiten, sind ebenfalls von großer Bedeutung.
Hast du in deinem persönlichen Umfeld erlebt, wie finanzielle Eigenständigkeit das Leben von Frauen verändert?
“Ja, meine Mutter ist das beste Beispiel dafür. Sie konnte die Schule nicht beenden, weil sie arbeiten musste. Mit 15 heiratete sie und hatte vier Kinder. Als mein Vater starb, stand sie plötzlich allein da. Doch sie ließ sich nicht entmutigen. Mit einer kleinen Imbissbude finanzierte sie unsere Ausbildung, kaufte ein eigenes Haus und genießt heute ihr Leben mit ihren Enkelkindern. Ihr größtes Kapital war ihre Disziplin und ihr Durchhaltevermögen.”
Eine persönliche Geschichte: Der Weg in die Unabhängigkeit
Ecuador ist aktuell mit einem Anteil von fast 10 Prozent des investierten Fondsvolumens das Top 1 Land des IIV Mikrofinanzfonds. Laut der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zählt Ecuador zu den Ländern mit der höchsten Biodiversität. Doch auch der Klimawandel, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die Umweltverschmutzungen zeichnen Ecuadors Natur und Bevölkerung. Das Nationale Institut für Statistik und Volkszählung (INEC) gibt an, dass das Land etwa 14,4 Tausend Tonnen Abfall pro Tag erzeugt. Darüber hinaus schätzen das INEC und das Ministerium für Umwelt und Wasser (MAE), dass 43 Prozent der Abfälle anorganisch sind – davon 10,6 Prozent Plastik. Laut INEC werden landesweit nur 6 Prozent der kommunalen Abfälle recycelt.
Hier knüpft die Geschichte der 43-jährigen Endkreditnehmerin des Mikrofinanzinstituts Banco Pichincha, María Nelly Chipantasi Maila, an. Sie ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Bereits seit 2003 ist sie Endkreditnehmerin und baute sich mit insgesamt 14 Krediten ihr eigenes Recyclinggeschäft auf. María recycelt Kunststoffe, um sie als Rohstoffe für die Herstellung von Schläuchen zu verkaufen. Mit einem der Darlehen von Banco Pichincha kaufte sie Geräte, die es ihr ermöglichten, das Material zu sortieren und anschließend zu zermahlen. Derzeit verarbeiten María und ihr Team von vier Angestellten etwa 4 Tonnen Plastik pro Woche. Zukünftig möchte sie nicht mehr nur die recycelten Materialien verkaufen, sondern die Schläuche selbst produzieren. Neben dem essenziellen Beitrag zur Umwelt durch das Fördern von Rohstoffkreisläufen legt María auch Wert auf ihren sozialen Beitrag. Sie stellte in ihrem Unternehmen einen 60 Jahre alten Mann ein, der aufgrund seines Alters keine Arbeit mehr fand. Zudem hofft sie, dass sich ihre eigene Selbständigkeit positiv auf ihre Kinder auswirkt und sie dadurch vielleicht ebenfalls zur Selbständigkeit ermutigt werden.
IIV Mikrofinanzfonds
Der IIV Mikrofinanzfonds war per 28. Februar 2025 in 89 Mikrofinanzinstitute in 36 Ländern investiert und ermöglicht aktuell 413.652 Menschen, davon mehr als 80 Prozent Frauen2, von den vergebenen Darlehen zu profitieren. Sie erhalten so einen Zugang zu Finanzdienstleistungen und der Weg, um unternehmerisch tätig werden zu können, wird geebnet.