Die Auswertung vieler Daten durch KI birgt auch für das Asset Management hohe Chancen. Doch sie sollte trotzdem nie zum unkontrollierten Fondsmanager werden, meint Leo Willert.
Künstliche Intelligenz (KI) kann schon heute viel leisten. Mit der jüngeren Entwicklung im Bereich der generativen KI haben sich die Möglichkeiten für die Endnutzer erweitert. Wenn man bedenkt, dass die künstliche Intelligenz hier noch am Beginn eines neuen Entwicklungszyklus steht, scheint das Entwicklungspotenzial von KI nahezu unbegrenzt zu sein.
Dies zeigt sich auch in der Finanzbranche. Hier hat künstliche Intelligenz in Form von traditioneller beziehungsweise prädiktiver KI zur Auswertung und Prognose von Datenreihen schon länger einen festen Platz - man denke zum Beispiel im Risikomonitoring oder bei der Berechnung des optimalen Preises.
Als stark datenorientierte Branche mit einer hohen Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen und langjährigen Datenreihen ist die Finanzbranche prädestiniert dafür, KI zur schnellen und effektiven Auswertung einer großen Masse an Daten einzusetzen. Zum Beispiel können Banken ihre Kundendaten in anonymisierter Form dazu nutzen, um Kundenbedürfnisse zu ermitteln und neue, auf die Kunden zugeschnittene Produkte zu entwickeln.
Mit der generativen künstlichen Intelligenz eröffnen sich neue Möglichkeiten, Prozesse zu optimieren und die KI dabei auch bestmöglich „kreative« Aufgaben übernehmen zu lassen. Dabei müssen die Nutzer nicht mal über Kenntnisse zur Datenauswertung verfügen. Die Large Language Models (LLMs) sind in der Lage, natürliche Sprache zu verarbeiten und dabei auch den Output in natürlicher Sprache wiederzugeben. Für die Datenauswertung kann die KI auch unstrukturierte Daten wie Social Media-Beiträge oder Einträge in Internetforen aus unterschiedlichen Quellen einbeziehen. Dabei ist
das System selbst lernend und versucht den Output mit zunehmendem Datenfeed und Training zu verbessern.
Gefährlich kann es dann werden, wenn Codierzeilen erstellt werden, die auf Basis von nichtgeprüften Internet-Quellen stammen, was beispielhaft für eine Bank, die Finanztransaktionen abwickelt, problematisch sein kann. Es ist daher wichtig, dass eine sorgfältige Validierung der Daten beziehungsweise eine Überwachung der Informationslage sichergestellt wird.
Nach einer ersten Pilotphase im Jahr 2023 sind viele Finanzinstitute im Jahr 2024 dazu übergegangen, generative KI im eigenen Unternehmen im Rahmen von Projekten auszutesten und dabei die besten Einsatzmöglichkeiten zu identifizieren. 2025 dürfte sich der praktische Einsatz von KI im Geschäftsleben weiter etablieren.
KI-Technologie bietet sinnvolle Ergänzung im Fondsmanagement
Auch im Fondsmanagement wird der Einsatz von KI-Modellen diskutiert beziehungsweise hält in gewissem Maße bereits Einzug. So können Fondsmanager beispielsweise Teilaufgaben wie das Marktmonitoring an den Kollegen Computer auslagern. Entsprechende Kennzahlen kann ein computergestütztes System wesentlich schneller und umfassender analysieren als jeder Asset Manager.
Angesichts der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit von künstlicher Intelligenz scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis menschliche Fondsmanager irgendwann obsolet werden und KI deren Jobgroßteils übernehmen kann. Bereits heute gibt es ein paar Fonds, deren Kauf- und Verkaufsentscheidungen durch KI gesteuert werden. Diese liefern jedoch bisher keine bessere Performance als die von Fondsmanagern gemanagten Fonds.
Für den Anleger stellt sich daher die Frage, wem er zukünfoig mehr Vertrauen schenken soll: dem erfahrenen Fondsmanager mit seinen menschlichen Regungen oder dem völlig sachlich agierenden elektronischen Handelssystem, das möglicherweise zusätzlich noch von einer selbstlernenden künstlichen Intelligenz gesteuert wird?
Dass menschliche Anlageentscheidungen auf rein rationalen Erwägungen beruhen, wurde durch die Wissenschaft längst widerlegt. Der wirtschaftswissenschaftliche Zweig der Behavioral Finance hat eine Vielzahl kognitiver Verzerrungen (englisch: Biases) identifiziert, die die Anlageentscheidungen mitbeeinflussen. Auch Emotionen wie Gier oder Angst haben einen großen Einfluss auf die Entscheidungsfindung an der Börse. Die Einbindung von Technologie und quantitative Investmentstrategien mit klar nachvollziehbaren mathematischen Regeln können den menschlichen
"Störfaktor" beim Investieren ausschließen und somit das rationale Investieren ermöglichen. Das spräche durchaus für die "ersatzlose" Streichung des Fondsmanagers.
KI sollte nicht zum unkontrollierten Autopiloten werden
Jedoch wäre es nicht ratsam, künstliche Intelligenz im Asset Management zum Autopiloten werden zu lassen. Denn die Anlageentscheidungen, die durch eine künstliche Intelligenz selbstlernend getroffen werden, können meistens nicht mehr nachvollzogen werden. Deep-Learning-Algorithmen, die auf Basis neuronaler Netze riesige Datenmengen auswerten, verarbeiten Informationen in Zwischenschritten, die dann zum Output - den sichtbaren Ergebnissen - führen.
Die Zwischenschritte der neuronalen Netze werden als "verborgene Schichten" bezeichnet. Beim Ergebnis (Output) kann man nicht ersehen, welche Entscheidungen der Deep-Learning-Algorithmen durch welche Daten ausgelöst wurden. Damit gleicht generative KI einer Black Box mit unkalkulierbaren Ergebnissen. Solch ein Blindflug an den Finanzmärkten birgt unabsehbare Risiken und unterläuft jeden vernünftigen Risikomanagement-Ansatz.
Denn auch künstliche Intelligenz kann Fehler machen und falsche Informationen als Output liefern - Stichwort halluzinierende KI. Da die meisten LLMs wie Chat GPT geschlossene Systeme sind, kann weder geprüft werden, wie die Halluzinationen der KI entstehen, noch können sie ad hoc behoben werden. Auch eine mangelnde Datenqualität kann dazu führen, dass eine KI die falschen Schlüsse zieht und die „Vorurteile« der Daten fortschreibt.
Während beispielsweise die vorurteilsbehaftete Kreditvergabe durch eine KI sich nur für bestimmte Kundengruppen, die Minderheiten angehören, als nachteilig erweisen kann, kann eine halluzinierende KI beim Fondsmanagement zu enormen monetären Schäden führen und mit unkalkulierbaren Haftungsrisiken für die Asset Management-Gesellschaft verbunden sein.
Generative künstliche Intelligenz performt umso besser, je mehr Daten es auswerten kann. Beim Trainieren mit den Daten passt das neuronale Netzwerk laufend seine Entscheidungsfindung an die aktuelle Situation an, um letztgültige Muster und zusammenhänge zu erkennen. Dadurch kann der Output kurzfristig optimiert werden. Dieser Umstand kann sich im Asset Management wiederum als nachteilig erweisen. Die Berücksichtigung immer neuer Parameter und Optimierungen im Investmentprozess mag zwar kurzfristig von Vorteil sein, aber kann sich mittel- und langfristig negativ auf das Risiko und damit die Performance auswirken, da dies oftmals zu negativen Überoptimierungsschritten führt.
KI: Mit Risiken und Nebenwirkungen
Neben der Generierung von Alpha ist ein vernünftiges Risikomanagement im Asset Management unabdingbar. Der Einsatz einer selbstlernenden, als Black Box agierenden KI wäre bei einer aktiven Anlagestrategie vor allem im Sinne des Risikomanagements gegenüber dem Anleger nicht verantwortbar. Denn Anlageentscheidungen sollten jederzeit nachvollziehbar sein und bei fehlerhaftem Output gegebenenfalls revidiert werden können.
Dass traditionelle KI mehr als nur eine Assistenztechnologie für den Fondsmanager ist, beziehungsweise wichtige Dienste leisten kann und daher aus dem Fondsmanagement nicht mehr wegzudenken ist, bleibt unbestritten. Denn künstliche Intelligenz kann in Bereichen Dinge leisten, wo der Mensch beschränkt bleibt: aus einer Masse von Daten in Sekundenschnelle Strukturen und Muster erkennen und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.