Europäische Medien haben während des Wahlkampfs allgemein ein sehr negatives Bild von Donald Trump gezeichnet, und dieses „Trump-Bashing“ hat Ängste geschürt. Wenn Trump eine Bedrohung ist, dann ist sie vor allem wirtschaftlicher Natur. Statt uns über seine Äußerungen, sein Auftreten und seine Exzesse aufzuregen, sollten wir uns eher seine pragmatische Wirtschaftspolitik während seiner ersten Amtszeit und seinen festen Willen vergegenwärtigen, die Administration seines Landes effizienter zu machen. Wer nicht kämpft, hat bereits verloren.
Die fast triumphale Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus hat Umfrageinstitute sehr überrascht, nicht aber die Buchmacher. Sie wird bereits als Versprechen für groß angelegte Veränderungen gewertet, die sich auf Wirtschaft, Geopolitik und Soziologie auswirken werden. Der designierte Präsident hat schon vor seinem Amtsantritt einen großen Teil seiner Staatssekretäre ernannt, die generell die harte Linie des Trumpismus unterstützen. Nachdem die Republikaner auch die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus gewonnen haben, verfügt der künftige Präsident über großen Handlungsspielraum bei der Umsetzung seines Programms, dessen wirtschaftliche Auswirkungen nicht unerheblich sein dürften.
Was steht auf dem Programm?
Wirtschaftlich betrachtet beruht Trumps Wahl auf einem Missverständnis. Zum einen haben die Demokraten die Wahl aufgrund der Inflation und der Wahrnehmung verloren, dass sich der Lebensstandard der Amerikaner dadurch verschlechtert hat. Die Inflation war jedoch ein weltweites Problem, das in den USA durch Lohnerhöhungen für Privathaushalte besser abgefedert wurde als in anderen Teilen der Welt. Zum anderen dürfte die Wirtschaftspolitik von Trump künftig für Inflation sorgen. Denn das Wirtschaftsprogramm ruht auf fünf Säulen, die zuerst zu mehr Wachstum und Preissteigerungen führen dürften.
Die Beschränkung der Migration ist schnell umsetzbar und wird rasch zu einem Anstieg der Löhne führen, den die gesamte Wirtschaft zu spüren bekommen wird. Die Absenkung der Steuern vor allem für Unternehmen und die umfangreichen Deregulierungsmaßnahmen werden die Stimmung der Unternehmenschefs und der Privathaushalte deutlich aufhellen. Diese optimistischere Stimmung ist bereits spürbar und dürfte Investitionen und Konsum ankurbeln. Auch die Erhöhung von Zöllen wird die Preise nach oben treiben, da Einfuhren teurer werden und für heimische Erzeuger weniger Anreiz mehr besteht, die niedrigsten Preise anzubieten. Die geplante Verschlankung des Behördenapparats könnte den US-Wirtschaftsbetrieb effizienter machen und die Kosten deutlich senken. Vielleicht ist es allerdings etwas zu optimistisch, rasch große Effekte zu erwarten, selbst wenn Elon Musk sich der Sache annimmt. Trump geht in seiner Theorie davon aus, dass mit den Zöllen die Steuersenkungen finanziert werden und so eine zusätzliche Belastung der Staatskasse und weiterer Finanzierungsbedarf vermieden werden. Doch die tatsächliche oder als Verhandlungstaktik eingesetzte Erhöhung der Zölle wird erst nach den Steuersenkungen oder gar nicht kommen. Daher darf man mit recht großer Sicherheit davon ausgehen, dass die Wirtschaftspolitik von Trump zuerst zu mehr Wachstum, einem Anstieg der Inflation und einer Verschlechterung der öffentlichen Haushaltslage führen wird.
In geopolitischer Hinsicht ist amerikanischer Isolationismus für Trump durchaus verlockend. Denn dieser Isolationismus hat zu einer besonders friedlichen ersten Amtszeit geführt: Beschluss zum militärischen Rückzug aus Afghanistan, kein neuer Konflikt (nur ein erfolgreicher präziser Angriff gegen den IS), Bemühungen um Frieden mit Nordkorea. Der Isolationismus von Trump ist im Übrigen insofern besonders, als sich Amerika unter Trump nicht weigert, seine Verbündeten zu verteidigen, sondern von ihnen fordert, dass sie sich an den Kosten für den militärischen Schutz der USA beteiligen. Diese Absicht wird regelmäßig geäußert, und ihre Umsetzung wird genau wie die Zölle gestatten, die Ungleichgewichte für Amerika durch eine neue Pax Americana zu finanzieren, bei der ein stärkerer Akzent auf dem Handel liegt als zuvor.
Aus eher konjunktureller Sicht ist damit zu rechnen, dass Trump versuchen wird, den Krieg in der Ukraine schnell zu beenden. Israel könnte er dagegen bedingungsloser unterstützen als Biden, insbesondere wenn es zu einem offeneren Konflikt mit dem Iran kommt. Im ersten Fall würden die Energiepreise langsam sinken, wovon Europa profitieren würde, während sie im zweiten plötzlich fieberhaft steigen könnten. Die USA blieben von Energiepreisschwankungen aufgrund größerer Ereignisse an diesen beiden Fronten weitgehend verschont. Denn Trump wird auf die Förderung fossiler Energien im Land setzen und den Umweltschutz hinten anstellen.
Die Absichten auf sozialer Ebene wurden ganz klar benannt. Die Demokraten haben wegen der Inflation verloren, und Trump hat durch seinen Kampf gegen Wokeness gewonnen. Er verspricht ein Gesetz, das nur zwei Geschlechter in den USA anerkennt. Jede Form von positiver Diskriminierung wäre dann unerwünscht. Das könnte die Spannungen an Universitäten verstärken.
Wirtschaftliche und Finanzielle Folgen
Die ersten wirtschaftlichen Konsequenzen der Umsetzung dieses Programms des künftigen Präsidenten scheinen klar. Der Amerikanische Exzeptionalismus (Wachstum um jeden Preis) wird weitergehen und zu einem Anstieg der Inflation führen. China scheint für den bevorstehenden wirtschaftlichen Kampf besser gewappnet zu sein als Europa. Letztendlich wird das Reich der Mitte aber seine Verbraucher unterstützen müssen, die unter dem anhaltenden Kampf gegen das Platzen der Immobilienblase leiden. Außerdem wird es sich stärker auf seine neuen Freunde im globalen Süden konzentrieren müssen, um ihnen das zu verkaufen, was der Norden mit hohen Zöllen zu belegen droht. Während in den USA die Inflation steigen wird, dürfte der globale Süden im Gegenzug von einem Anstieg der Importe günstiger Waren aus China profitieren. Europa wird bald klare Entscheidungen treffen müssen. Bisher ist allerdings unklar, wer diese Entscheidungen treffen und deren Umsetzung sicherstellen wird. Das friedfertige Europa steht den aggressiven Wirtschaftsmächten China und USA allein und hilflos gegenüber. Zuallererst braucht es mindestens eine verständnisvolle Zentralbank.
An den Finanzmärkten ist bei Prognosen zwar immer Zurückhaltung geboten. Dennoch erscheinen eine weitere Aufwertung des US-Dollars gegenüber den anderen Leitwährungen, eine Verlangsamung und schließlich eine Beendigung der US-Leitzinssenkungen sowie ein schrittweiser Anstieg der Anleihenrenditen und der Inflationserwartung höchstwahrscheinlich. Wirtschaftszweige und Unternehmen, die sich nicht so leicht von einem starken Dollar und höheren Zinsen erschüttern lassen, werden weiter steigen, bis die Auswirkungen der höheren Zinsen auf die Abzinsung künftiger Gewinne ihrer Fähigkeit zu wachsen Grenzen setzen werden, so wie es 2022 der Fall war. Wahrscheinlich wird ein Rückgang der Preise von Vermögenswerten aufgrund zu hoher Zinsen durch einen negativen Reichtumseffekt die nächste Rezession in den USA auslösen. Erst dann werden wir die Revanche der Finanzmärkte der restlichen Welt gegenüber den US-Märkten erwarten können, die eine Abwertung des US-Dollars begünstigen wird. Aber so weit sind wir noch nicht.
Caveat Emptor
Bei Donald Trump muss mehr als bei jedem anderen wichtigen Politiker klar zwischen Worten, die oft taktisch geäußert werden, und Taten unterschieden werden. Trump hört ohne jede Ideologie auf seine Instinkte und ist dadurch besonders flexibel und anpassungsfähig. Vielleicht liegt genau in dieser außergewöhnlichen Resilienz, die für eine gewisse Verankerung sorgt, seine größte Stärke in unserer unsicheren Zeit. Die Unberechenbarkeit dieses Mannes ist verwirrend, entspricht aber unserer Zeit. Ist daher nicht zu erwarten, dass es keine Steuersenkungen, keine neuen Zölle und keine Deportationen illegaler Einwanderer und auch keine drastische Beschränkung der Einwanderung geben wird, weil das alles die Inflation anheizt und die Amerikaner keine Inflation wollen? Sein Instinkt könnte ihn zu diesem Sinneswandel veranlassen.
In diesem Fall würde sein Freund Elon Musk, der genauso unberechenbar ist, das Wirtschaftsprogramm wesentlich gestalten: weniger Staat, weniger Normen, weniger Lasten, weniger unnötige Ausgaben, mehr Tempo, mehr Innovationen, mehr Kreativität, mehr Effizienz, und damit mehr Wachstum und weniger Inflation. Das langfristige Nirwana für die US-Finanzmärkte bedeutet tiefe Verzweiflung für die anderen Finanzmärkte. Die nahe Zukunft dürfte entscheidend sein!