Die Frage, ob es sinnvoller ist, auf Value- oder auf Growth-Titel zu setzen, ist beinahe so alt wie die Börse selbst. Während Value-Investoren auf unterbewertete Aktien setzen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, richten Growth-Investoren ihr Augenmerk auf das Wachstumspotential eines Unternehmens. Nach einer langen Schwächephase gewinnen Value-Titel seit einem guten halben Jahr wieder an Bedeutung. Alistair Wittet und Pierre Lamelin, Portfoliomanager bei der internationalen Fondsgesellschaft Comgest, sprechen sich jedoch für den Wert des Wachstums aus und erläutern, weshalb Qualitätstitel langfristig in der Lage sind, den Inflationsdruck abzufedern:
Unsere Anlage-Erfahrungen der letzten 30 Jahre zeigen, dass sich das Gewinnwachstum (Earnings Per Share, kurz EPS) eines Unternehmens tendenziell in Kurssteigerungen von drei bis fünf Jahren auswirkt. Das langfristige Gewinnwachstum über diese Zeit hinaus ist somit der wichtigste Werttreiber unserer Fonds. Dieses führt auch zu einer raschen Abwertung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV). Denn was auf kurze Sicht teuer wirkt, kann auf lange Sicht sogar günstig werden. Als wir etwa 2017 unsere Position in ASML eröffneten, wurde die Aktie des niederländischen Halbleiterspezialisten mit einem KGV von 32x bewertet. Bezugnehmend auf die Gewinne aus dem Jahr 2020 entspricht unser Einstiegspreis von damals heute einem KGV von 19x. Angesichts unserer Prognosen für 2025, sinkt es sogar auf 7x. So etwas nennen wir den „Wert des Wachstums“. Einer unserer Gründer, Wedig von Gaudecker, pflegte zu sagen: „Billig gekauft ist teuer bezahlt.“ Das ist die umgekehrte Art, diese Wachstumsgleichung auszudrücken. Denn wenn Unternehmen mit wenig oder gar keinem Wachstum billig gekauft werden und billig bleiben – eine Value-Falle – kann das Anleger teuer zu stehen kommen.
Anleger durchschauen Inflationsdruck
Zusätzlich kann der „Wert des Wachstums“ noch eine andere Bedeutung haben – insbesondere, wenn die Inflation weiter steigt und Investoren beginnen, den Kapitalwert des Wachstums zu ermitteln. Der Theorie zufolge müssen Investments mit langer Haltedauer, wie Qualitätswachstumsaktien, einen Bewertungsabschlag hinnehmen, da die Auswirkungen steigender Zinsen auf den aktuellen Nettowert langfristiger Gewinne viel höher sind als auf jenen kurzfristiger Gewinne. Die Bewertungsprämie von Ersteren sollte also reduziert werden. In der Praxis konnten wir diese Entwicklung im vergangenen Jahr, trotz der intensiven Inflationsdebatte, jedoch nicht bestätigen. Vielmehr scheint das Gegenteil einzutreten. Ein Grund dafür könnte sein, dass Anleger den kurzfristigen Inflationsdruck durchschauen und sich daher auf langfristige Trends konzentrieren. Derzeit gibt es starke Inflationstreiber: Die zahlreichen fiskal- und geldpolitischen Stimuli, die weltweit Volkswirtschaften während der Pandemie gestützt haben, der Druck auf die Lieferketten und der plötzliche Nachfrageschub bei Rohstoffen. Nichtsdestotrotz wirken der technologische Fortschritt, die Digitalisierung und der steigende globale Wettbewerb dieser Entwicklung entgegen.
Preissetzungsmacht als Schutzschild
Wir als Bottom-up-Investoren stellen keine Prognosen zur Inflation. Stattdessen verfolgen wir einen anderen Ansatz, um mit makroökonomischen Risiken umzugehen. Wir selektieren Aktien mit starken ökonomischen Burggräben, von denen wir überzeugt sind, dass sie Gegenwind aus dem Umfeld überstehen können. Umgekehrt meiden wir Aktien, die sensibel auf makroökonomische Umstände reagieren, und keine Burggräben aufweisen. In unseren europäischen Strategien haben wir beispielsweise in den letzten 30 Jahren nie in Aktien investiert, die stark auf Zinsen reagieren, wie es bei Banken und Versicherungen oft der Fall ist. Wir sind der Ansicht, dass sich Burggräben in Preissetzungsmacht niederschlagen, die wiederum höhere Gewinne ermöglicht. Ein Beispiel ist hierfür ist der globale Luxuskonzern LVMH. Einige der Mode-Marken von LVMH haben im vergangenen Sommer in verschiedenen Märkten ihre Preise erhöht – beispielsweise schwankten die Preise in der Sparte „Mode und Lederwaren“ im ersten Quartal 2021 zwischen vier und sieben Prozent.
Verschuldungsgrad wird zum Teufelskreis
Eine weitere Auswirkung der Inflation sind steigende Kosten für Verschuldungen. Je höher der Verschuldungsgrad eines Unternehmens, desto stärker wirken sich die steigenden Fremdkapitalkosten auf die Gewinne aus. Daher ist es entscheidend, die Bilanz eines Unternehmens genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Verhältnis von Nettoverschuldung zu EBITDA unseres Comgest Growth Europe Fonds liegt bei 1x, im Vergleich zu 1,8x für den MSCI Europe Index und 2,2x für den MSCI Europe Value Index. Wir sind überzeugt, dass die steigenden Verschuldungskosten unsere Portfoliobestände weit weniger fordern werden als den breiten Markt und insbesondere Value-Werte. Denn viele Unternehmen haben keine starken Burggräben, sodass sie nicht über die Preissetzungsmacht verfügen, um dem Inflationsdruck zu begegnen. In Kombination mit hoher Verschuldung könnte dies rasch zum Teufelskreis werden.
Unserer Meinung nach sind starke Bilanzen und Preissetzungsmacht in der Praxis zwei sehr gute Möglichkeiten, um mit Inflationsdruck umzugehen. Wir ziehen diese Sichtweise einer theoretischen Debatte darüber vor, inwieweit Investments mit langer Haltedauer vor dem Hintergrund der Inflation und steigender Zinsen gefährdet sein könnten. Wir bei Comgest sind überzeugt, dass Qualitätswachstum als Schutzschild gegen die Inflation dafür in den kommenden Jahren ein Paradebeispiel darstellen kann.
Rechtliche Hinweise
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Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Anlageergebnisse. Fonds, die sich auf eine bestimmte Region oder einen Marktbereich spezialisieren, können höhere Risiken bergen als Fonds, deren Anlagen sehr breit gefächert sind. Anleger sollten vor einer Anlageentscheidung die wesentlichen Anlegerinformationen („KIID“) und den Verkaufsprospekt des jeweiligen Fonds lesen, die weitere Informationen zu den Risiken einer Anlage enthalten. Diese Dokumente können in elektronischer Form auf der Webseite www.comgest.de in deutscher Sprache abgerufen werden.