Befürchtungen vor einer Wiederholung der inflationären 1970er-Jahre erscheinen verfrüht. Zumindest bisher sind die Lohnerhöhungen in den USA sehr ungleich verteilt.
Es klingt wie die Lehrbuchversion einer ökonomischen Horrorgeschichte:
Stark steigende Löhne drohen die Verbraucherpreisinflation in Höhen der 1970er Jahren zu treiben. Das wiederum könnte zu noch höheren Lohnforderungen führen. Um die sogenannte Lohn-Preis-Spirale einzudämmen, wird die US-Federal Reserve (Fed) – früher oder später – kaum eine andere Wahl haben. Den Teufelskreis zu durchbrechen erfordert knapperes Geld und könnte die nächste Rezession auslösen. Das behaupten zumindest manche Untergangspropheten.
Der wahre Teil dieser Geschichte ist, dass einige Löhne tatsächlich steigen. Auch erschien es nur eine Frage der Zeit, bis diejenigen widerlegt würden, die die Inflation schon vor Jahrzehnten für tot erklärt hatten. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, wie ungleichmäßig die Lohnerhöhungen in den USA zuletzt verteilt waren. So stieg der durchschnittliche Stundenlohn im Freizeit- und Gastgewerbe in den ersten fünf Monaten des Jahres 2021 auf Jahresbasis um fast 13 Prozent. Aber wie unser Chart der Woche zeigt, ist dies ein deutlicher Ausreißer, auch im Vergleich zu anderen relativ schlecht bezahlten Jobs wie im Einzelhandel.
Christian Scherrmann, US-Ökonom bei der DWS, sieht noch viele andere Kräfte am Werk. „Großzügige steuerliche Unterstützung während der Pandemie; nach wie vor vielerorts hohe Arbeitslosenunterstützungen; pandemiebedingte Verzerrungen des Alltags: All das spielt wohl eine Rolle.“
1Umfragen zufolge haben viele Beschäftigungslose weiter Angst vor der Rückkehr ins Berufsleben, während andere stattdessen nach neuen Karrieremöglichkeiten suchen, diese aber in erreichbarer Nähe ihres Wohnorts nicht finden können.2
Sind also Lohnerhöhungen nach Jahren von moderatem Lohnwachstum wirklich so beängstigend? „Die aktuelle Situation ermöglicht es den Menschen, höhere Löhne zu erzielen“, erklärt Scherrmann. „Wir gehen davon aus, dass dieser Druck nachlassen wird. Im Laufe der Zeit werden immer mehr Menschen in die Beschäftigung zurückkehren, unabhängig davon, ob sie den Beruf wechseln oder nicht.“ Ein gewisser Inflationsdruck kann durchaus entstehen, nicht nur wegen der aktuellen Knappheit an Beschäftigten, sondern auch wegen Unterbrechungen der globalen Lieferketten und hohen Rohstoffpreisen. Angesichts der fiskalischen Interventionen in einem in Friedenszeiten noch nie dagewesenen Ausmaß und unterstützt durch eine äußerst akkommodierende Geldpolitik erscheint dies jedoch nicht überraschend. In Kürze werden wahrscheinlich beide Impulse nachlassen. Das deutet darauf hin, dass die 2020er Jahre keine Wiederholung der 1970er Jahre sein werden.
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DWS Investment GmbH as of 22.06.2021
Fußnoten
1 Weitere Einzelheiten finden Sie in seinem jüngsten U.S. Economic Outlook, siehe Link.
2 siehe Link