Seit Trumps Amtsantritt stürzen US-Aktien ab – seine Zollpolitik irritiert jeden. Jetzt herrschen Wachstumssorgen in den USA, aber Hoffnungen in Europa. Strohfeuer oder Trendwende? Zur Zeit ist wenig gewiss.
“Unser Kernszenario, solides US-Wirtschaftswachstum und zusätzliche Fantasie an den Aktienmärkten durch Donald Trump, erhält viel Gegenwind. Zumal wir nicht mehr unbedingt davon ausgehen können, dass Trump von seinen schädlichsten Vorhaben ablässt, wenn die Märkte nur genügend wackeln. Die Unberechenbarkeit seiner Politk dämpft im eigenen Land die Stimmung bei Firmen und Verbrauchern. Und im Ausland geht man auf Distanz zu den USA. Vieles spricht dafür, dass wir eine Zeitenwende erleben. Die sich aktuell auch darin ausdrückt, dass institutionalle US-Investoren erstmals seit langem wieder für Europäische Aktien interessieren.”
Vincenzo Vedda, Chief Investment Officer
Rund vier Monate nach dem Wahlsieg Donald Trumps hat der S&P 500 rund zwei Prozent verloren, während der Dax rund 20 Prozent vorne liegt.1 Damit dürften die wenigsten Marktteilnehmer gerechnet haben. Galt doch als ausgemacht, dass die von Trump neu entfachten „Animal Spirits“ den ohnehin vom „American Exceptionalism“ beflügelten US-Aktienmarkt in neue Höhen treiben würden. Es kam anders. Der erste Dämpfer erfolgte in Form eines jungen KI-Unternehmens aus China, DeepSeek, welches Ende Januar das KI-Narrativ und seine Preismodelle ins Wanken brachte. Und dann kam Donald Trump. Und enttäuscht die Märkte seitdem. Nicht zuletzt, da mittlerweile neben ihm auch mehrere Kabinettsmitglieder ihre Bereitschaft signalisiert haben, für die angestrebte Neuaufstellung der US-Politik und Wirtschaft die USA sogar in eine Rezession schlittern zu lassen.
Reizüberflutung durch US-Regierung schlägt auch Unternehmen aufs Gemüt
Auch diese Rezessionsgedanken überraschten mal wieder die Öffentlichkeit. Wohinter Kalkül stecken könnte. Denn Ziel der als „flood the zone“2 populär gewordene Strategie der Reizüberflutung ist es, eine Schockstarre beim politischen Gegner zu erzeugen. In die aber auch Unternehmen geraten können, etwa durch die pausenlosen Bekanntmachungen zum Thema Strafzölle. Einführung, Erhöhung, Vertagung, Reduzierung, Abschaffung. Jeden Tag etwas Neues. Das nervt, wie zuletzt auch Umfragen bei kleinen und mittleren Firmen3 ergaben: das Vertrauen sinkt, die Unsicherheit ist auf den zweithöchsten je gemessenen Stand gestiegen. Die Enttäuschung spiegelt sich auch im eingebrochenen Citi Economic Surprise Index4 wider, welcher ökonomische Daten mit Expertenprognosen vergleicht. Auch bei den Verbrauchern trübt sich die Stimmung ein. Nicht zuletzt, da die Inflation, anders als von Trump versprochen, von der neuen Regierung nicht unmittelbar gestoppt wurde. Zuletzt hat sich die schlechte Stimmung sogar bei der Kreditwürdigkeit der USA und den Risikoaufschlägen von Unternehmensanleihen gezeigt.5 Anders gesagt: der Markt zweifelt zunehmend daran, dass sich Trump noch von den Märkten bändigen lässt.
70 Jahre sicherheitspolitische Nachkriegsordnung werden zur Disposition gestellt
So wie sich die bisherige Amtsführung Trumps gestaltet, muss man davon ausgehen, dass fast vier Jahre mit stark reduzierter Visibilität und Planbarkeit drohen. Wie sollen Unternehmen, Investoren oder auch die Regierungschefs anderer Staaten etwa mit folgenden Aussagen des mächtigsten Mannes der Welt umgehen? „I think we're going to have it”, womit er sich auf Grönland bezog. “The U.S. will take over the Gaza Strip and we will do a job with it too”, und in Richtung des direkten Nachbarn und bewährten Verbündeten: “What I’d like to see— Canada becomes our 51st state”. Dazu kommt die im Oval Office coram publicum vollzogene Hinwendung zu Russland auf Kosten der Ukraine und des restlichen Europas. Man muss das in diesem Detail ausführen, da die jetzige US-Regierung sich anschickt, die geopolitische Nachkriegsordnung langfristig umzuwälzen. Mit unmittelbaren Auswirkungen für die Kapitalmärkte. Sei es in Form der erwähnten Wachstumssorgen für die USA samt schwächelnder Börsen. Sei es im Gegenzug zu einer Wiederbelebung Europas, das, allen voran Deutschland, gewaltige Summen in die Hand nimmt, um die eigenen Verteidigungsfähigkeit, und überhaupt die Infrastruktur zu stärken. Was sich wiederum auf Zinsen, Inflation und Wirtschaftswachstum auswirken wird. Mittelbar könnte die US-Politik auch dazu führen, dass andere Staaten bei ihren globalen Handelsaktivitäten einen Bogen um die USA machen werden. Oder dass sich Anleger vermehrt von Dollar und US-Staatsanleihen fernhalten, da sie nie wissen können, ob diese nicht politisch gegen sie eingesetzt werden könnten. Ganz unmittelbare negative Auswirkungen auf die Geschäfte seiner verschiedenen Unternehmungen hat übrigens bereits der Trump-Vertraute Elon Musk erfahren müssen, dem insbesondere ausländische staatliche Akteure nicht mehr hundertprozentig über den Weg trauen,6 weshalb sie Aufträge an seine Firmen stornieren.
Kernszenario steht unter Trump-Vorbehalt
Vor diesem Hintergrund gehen wir mit großer Vorsicht in die kommenden Monate. Es bleibt unser Kernszenario, dass die US-Regierung sich doch noch von Kritik und Märkten beeindrucken lässt, und insbesondere die bisher angekündigten Strafzölle in ihrer Höhe nicht beibehalten wird. Aber unsere Zuversicht in dieses Szenario sinkt, statt dass sie wächst. Unsere größte Sorge ist zudem, dass die Unsicherheit bei den Unternehmen bestehen bleibt, mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre Investitionspläne. Zusammen mit ebenfalls verunsicherten Verbrauchern führt das zu verhaltenen US-Wachstumsaussichten, wir prognostizieren 2,0 Prozent für 2025 und 2026.
Überraschendes Comeback Europas könnte an den Märkten noch weitergespielt werden
Für Europa, wer hätte das noch vor wenigen Wochen gedacht, stellt sich die Ausgangslage genau andersherum dar. Was auch der Tatsache geschuldet ist, dass die USA von einen relativ höheren und Europa von einem recht niedrigen Niveau gestartet sind. Nicht zuletzt dank der deutschen und europäischen Fiskalpakete haben sich die Wachstumsaussichten in Europa verbessert und sehen gerade angelsächsische Investoren die de-facto Aussetzung der deutschen Schuldenbremse als Wendepunkt. Wir schließen uns dieser Meinung mit einem Schuss Skepsis an, da wir einen langen Weg vom Beschluss der Fiskalpakete bis zu ihrem Niederschlag in den Gewinnen der Unternehmen wähnen. Wir haben unsere 2025er Wachstumsschätzungen daher nur von 0,9 auf 1,0 Prozent angehoben. Aber für 2026 von 1 auf 1,5 Prozent.
Breit aufgestelltes Portfolio bleibt unsere Präferenz
Auch wenn einige Sektoren (insbesondere verteidigungs- und bau- und infrastrukturnahe) schon relativ teuer geworden sind, glauben wir, dass anhaltende Umschichtungen vom US- in den Europäischen Markt die Börsen noch weiter treiben könnten (wir sehen den Dax bei 24.000 Punkten bis März 2026). Den S&P 500 sehen wir in zwölf Monaten bei 6300 Punkten, was angesichts der jüngsten Korrektur ein zweistelliges Renditepotenzial verspricht. Das mag im jetzigen Umfeld überraschen. Doch sollte man nicht vergessen, dass der Index deutlich weniger konjunkturanfällig als früher ist. Und dass die großen Technologiefirmen, Stand heute, weiterhin stattliches Gewinnwachstum erzielen dürften. Sollten die USA also wie von uns erwartet, in keine Rezession schlittern, bestünde unserer Ansicht nach das Risiko für US-Aktien weniger im Gewinnrückgang als in rückläufigen Bewertungen (also geringeren KGVs) aufgrund sich eintrübender Stimmung.7
Zentralbanken und Anleiheanleger zwischen Inflations- und Wachstumssorgen
Von der Federal Reserve erwarten wir im Prognosezeitraum (also bis einschließlich März 2026) noch zwei Zinskürzungen. Von der EZB erwarten wir nur noch einen Zinsschritt. Dies trägt, neben dem bereits erwähnten allgemeinen Stimmungsbild dazu bei, dass wir einen schwächeren Dollar (EURUSD bei 1,15 bis März 2026) erwarten. US-Staatsanleihen dürften weiterhin im Spannungsfeld zwischen Wachstums- und Inflationssorgen in einem relativ engen Band handeln. Wir sehen 10-jährige Treasuryrenditen bei 4,5 Prozent in zwölf Monaten. Trotz immenser Fiskalpakete sehen wir Bundrenditen in zwölf Monaten unter der drei-Prozentmarke rentieren, was nicht zuletzt dem geringen deutschen Potenzialwachstum geschuldet ist. Bei Unternehmensanleihen ziehen wir die Titel mit Investmentgrade dem High-Yield Segment vor.
Als institutioneller Anleger müssen wir gut begründete Renditeannahmen für die nahe und weite Zukunft treffen, was wir auch diesmal getan haben. Wir sind uns aber bewusst, dass wir schon in drei Monaten deutliche Änderungen vornehmen könnten, in Abhängigkeit von der US-Politik. Wir denken, dass in diesem Umfeld einmal mehr ein breit aufgestelltes Portfolio die beste Anlagestrategie darstellt, in welchen nicht zuletzt auch Gold einen festen Bestandteil darstellt.