Kennen Sie Deborah Tannens Klassiker "You just don't under- stand"? Die Linguistikprofessorin legte dar, dass Mädchen und Jungen im Westen in recht unterschiedlichen Kulturen aufwachsen, weshalb sie als Erwachsene Sprache unter- schiedlich und mit verschiedener Zielsetzung verwenden. Die Unterhaltung zwischen den Geschlechtern würde so zu einer kulturübergreifenden Kommunikation, die oft zu erheblicher Verwirrung führe.1 Dreißig Jahre später gilt das Gleiche, wenn wir über so fließende Konzepte wie die Geschlechterrollen über Generationen hinweg sprechen. Insbesondere bei so wichtigen Themen wie Female Finance.
Weibliches Geld-Geschick und männliche Überschätzung
Es gibt inzwischen viele gute Ratgeber speziell von Frauen und für Frauen, die zeigen, wie man sich Finanzkenntnisse aneignen kann.2 Auch ein Teil der Finanzindustrie hat inzwischen erkannt, wie sinnvoll und lohnend es sein kann, Geld weiblichen Fondsmanagern anzuvertrauen. Vermögensverwalter, die sich für Vielfalt und die Stärkung der Rolle von Frauen einsetzen, sind im Aufwind.3
Jüngeren Lesern – insbesondere jenen mit Behavioral-Finance-Affinität – mag es seltsam erscheinen, dass dies jemals umstritten war. Sicherlich hat kein Geschlecht ein Monopol auf potenziell teure kognitive Verzerrungen.4 Jedoch scheint vor allem Selbstüberschätzung eine besonders männliche Eigenschaft zu sein.5
Dies hat Auswirkungen auf die Vermögensverwaltung. Vor mehr als 20 Jahren ergab eine Studie, dass Frauen bei den risikobereinigten Nettorenditen etwa 1,4 Prozent besser abschnitten als Männer. Dies lag vor allem daran, dass Männer zu viel handelten – wohl ein Ergebnis der eigenen Selbstüberschätzung.6 Spätere Untersuchungen zeichnen ein differenzierteres Bild. Wie bei vielen Verhaltensmerkmalen gibt es bei den Geschlechtern große Unterschiede, die sowohl auf Lernprozesse als auch auf kulturelle Veränderungen zurückzuführen sind. Veränderungen brauchen Zeit, da Menschen, Unternehmen und andere Institutionen versuchen, vergangene Erfolge durch Nachahmung scheinbar bewährter Muster zu wiederholen.
Wie lässt sich kultureller Wandel herbeiführen?
Beispielsweise führte die wahrgenommene Inkongruenz zwischen traditionellen weiblichen Geschlechterrollen und einer beruflichen Rolle, die traditionell und "idealerweise" männlich war – wie viele der bekanntesten Starinvestoren – tendenziell zu einer weniger vorteilhaften Sichtweise auf Frauen in solchen Rollen.7 Die Frage, inwiefern sich die Kultur in Bezug auf die Geschlechterrollen ändern lässt, ist in vielen Lebensbereichen ein heikles Thema, nicht nur im Finanzwesen.8
"Auch heute haben Frauen nach wie vor unterschiedliche Lebenserfahrungen und Perspektiven. Für die Geldanlage bedeutet das: unterschiedliche Bedürfnisse, Anlagehorizonte und Gewohnheiten", argumentiert Katharina Seiler, Portfoliomanagerin bei der DWS. "Die Einbindung von mehr weiblichen Investoren kommt unserem Geschäft zugute. Und was ebenso wichtig ist: Die Wirtschaft und die Finanzmärkte insgesamt werden davon positiv beeinflusst.“
Verringerung der Tendenz zum Gruppendenken
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Vielfalt zu robusteren Entscheidungsprozessen führen kann, indem sie die Gefahren selektiver Wahrnehmung der gesamten Gruppe verringert und das Risikomanagement verbessert. Dadurch könnten Renditen gesteigert und Ertragsrisiken gesenkt werden.9
Investoren können dabei eine Schlüsselrolle spielen, indem sie die Stärkung der Rolle der Frau auf allen Ebenen fördern.10 Solche Fortschritte können wiederum dazu beitragen, unbewusste Vorurteile auch anderen Gruppen gegenüber zu überwinden, nicht nur in der Finanzbranche.
Entscheidend ist, dass alle Mitglieder einer Gruppe, die beispielsweise über eine Anlagestrategie entscheidet, frei und ohne Angst eine abweichende Meinung äußern können. Dies trägt dazu bei, dass Konflikte nicht unterdrückt, sondern erfolgreich aufgearbeitet werden. Vielfalt kann den Weg zu neuen, kreativen Lösungen ebnen, wenn sie richtig gehandhabt und gefördert wird. Die Überwindung unbewusster Vorurteile kann somit unser gemeinsames Verständnis der Finanzmärkte fördern und eine erfolgreichere Vermögensverwaltung ermöglichen.11
Rechtliche Hinweise
lle Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung von DWS Investment GmbH wieder, die sich ohne vorherige Ankündigung ändern kann.
Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen, Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen, die sich als nicht zutreffend oder nicht korrekt herausstellen können.
Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen.
Fußnoten
1 Tannen, D. (1992, repr. ed.) “You Just Don't Understand: Women and Men in Conversation”; Virago
2 Siehe, insbesondere, Kalee, B. (2023) “Make Money Your Thing: Ditch the Shame and Design your Dream Life”; re:books
3 Investment by women, and in them, is growing (economist.com)
4 Siehe, beispielsweise, Kahneman, D. (2011) Thinking, fast and slow. Farrar, Straus and Giroux and Taleb, N. (2004, 2nd ed.), “Fooled by Randomness: The Hidden Role of Chance in Life and in the Markets”; Texere Publishing
5 Es gibt stichhaltige biologische Gründe für die Annahme, dass unterschiedliche Paarungsstrategien weiterreichende Auswirkungen auf die Entwicklung des menschlichen Denkens und der Kulturen haben, was in den kognitiven Wissenschaften inzwischen weitgehend anerkannt ist. Für einen frühen Überblick, siehe Barkow, J. H., Cosmides, L., & Tooby, J. (Eds.). (1992). “The adapted mind: Evolutionary psychology and the generation of culture”, insbesondere die Teile III und IV; Oxford University Press. Für Beispiele von Selbstüberschätzung und ihre evolutionären Grundlagen sowie für Gründe, menschliche Kulturen in solchen Fragen als recht dynamisch und flexibel anzusehen, siehe insbesondere Peterson, D. & Wrangham, R., (1997) “Demonic Males: Apes and the Origins of Human Violence”; Mariner Books
6 Brad M. Barber, B. & Odean, T. (2001) “Boys will be Boys: Gender, Overconfidence, and Common Stock Investment”; in The Quarterly Journal of Economics, Vol.116:1, Seiten. 261–292; verfügbar auf: BOYS WILL BE BOYS: GENDER, OVERCONFIDENCE, AND COMMON STOCK INVESTMENT (berkeley.edu)
7 Eagly, A. H., and Karau, S. J. (2002) “Role congruity theory of prejudice toward female leaders”, Psychological Review, 109(3), Seiten. 573–598.
8 Siehe, beispielsweise, Chang, E. (2019, repr. ed.) “Brotopia: Breaking Up the Boys’ Club of Silicon Valley”; Penguin Publishing Group; Venture Capitalists Are Using the Wrong Tools to Improve Gender Diversity - Behavioral Scientist und Venture Capital and Entrepreneurship | Harvard Kennedy School
9 Siehe, beispielsweise, I.L. (1982) Groupthink: Psychological Studies of Policy Decisions and Fiascoes. Boston: Houghton Mifflin. Eine gute Einführung in die komplexe, dynamische Natur der Problemlösung in Gruppen in einem breiten Spektrum von Situationen bietet Surowiecki, J. (2004) The Wisdom of Crowds: Why the Many Are Smarter Than the Few and How Collective Wisdom Shapes Business, Economies, Societies and Nations, Little Brown. Für eine kritische Bewertung solcher Erkenntnisse und ihrer praktischen Anwendung, siehe, beispielsweise, Tetlock, P. and Gardner, D. (2015), Superforecasting: The Art and Science of Predictions, Crown Publishers, Seiten 193-211.
10 Siehe, beispielsweise, sp500_board_diversity_snapshot_2022.pdf (spencerstuart.com) und für noch neuere Daten 2023_new_director_-diversity_snapshot.pdf (spencerstuart.com).
11 Einen weiterführenden Überblick über die "Groupthink"- und "Groupfeel"-Forschung sowie einige faszinierende Vorschläge zur Weiterentwicklung dieser Ideen für ein besseres Verständnis der Finanzmärkte finden Sie in Tuckett, D. (2011) Minding the Markets: An Emotional Finance View of Financial Instability”, insbesondere Seiten 66-70