Marktberichte

Flossbach von Storch Marktkommentar von Q1/2024

Die Luft wird dünner

  • Nach fünf Monaten Kursrally sind die Bewertungen an vielen Aktienmärkten stark gestiegen. Eine Marktkorrektur dürfte damit wahrscheinlicher werden.
  • Langfristig bestimmen Gewinn- und Dividendenentwicklung die Chancen. Beim US-Aktienindex S&P 500 erscheint eine Schätzung von sieben Prozent per annum realistisch.

Die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) hob bereits im vergangenen Jahr die Stimmung der Anlegerinnen und Anleger. Auch im ersten Quartal hat der KI-Boom an den Aktienmärkten seine Wirkung entfaltet und dies nicht nur bei den vermeintlich unmittelbaren Gewinnern. Die Bewertung von US-Aktien, die gut zwei Drittel des MSCI World Index ausmachen, ist zuletzt weiter gestiegen und hat mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 23,4 auch im historischen Kontext ein überdurchschnittliches Niveau erreicht.

Nun schauen Aktieninvestoren bekanntlich nach vorne und messen den zu erwartenden Unternehmenserfolgen eine größere Bedeutung bei als den Erträgen des vergangenen Jahres. Da die Analysten bei ihren Gewinnschätzungen von Natur aus zuversichtlich sind, erwarten sie für die Zukunft fast immer steigende Unternehmensgewinne. Aktuell rechnen sie mit einem Anstieg der Unternehmensgewinne von rund neun Prozent für die kommenden zwölf Monate, was ein Rekordniveau bedeutet und nicht zuletzt an den hohen Wachstumserwartungen bei den Indexschwergewichten liegt. Das „Forward-KGV“ liegt damit bei 21,5, was im historischen Kontext immer noch überdurchschnittlich hoch ist.

Dazu passt auch die hohe Konzentration in den Aktienindizes, die am Ende eines langen Kursaufschwungs typischerweise deutlich höher ist als am Anfang. So ist der Anteil der zehn größten S&P 500-Unternehmen (gemessen am Börsenwert) am Index von 18 Prozent im Jahr 2014 auf zuletzt 32 Prozent gestiegen. Am Ende des Technologiebooms zur Jahrtausendwende waren es 27 Prozent.

Die gleichgewichtete Indexvariante (S&P 500 Equal Weighted) hat naturgemäß kein Konzentrationsrisiko und weist mit einem KGV von 17,5
eine deutlich niedrigere Bewertung auf als der börsenwertgewichtete S&P 500 Index. Das bedeutet nicht, dass die Bewertung des S&P 500 Index wieder auf den langjährigen Durchschnitt fallen muss, verdeutlicht aber, dass die Latte für die Unternehmensgewinne hier besonders hoch liegt und die Börsenluft dünner geworden ist.
Nach einem seit fünf Monaten nahezu ununterbrochen Anstieg der Aktienmärkte ist eine Korrektur nicht nur wahrscheinlicher, sondern auch wünschenswert geworden. Sie könnte die Aktien erstklassiger Unternehmen, deren Kurse schon sehr viel Wachstumsoptimismus eingepreist haben, wieder auf attraktivere Bewertungsniveaus fallen lassen und damit Anlageopportunitäten eröffnen.

Über einen längeren Zeitraum ist die Entwicklung der Unternehmensgewinne der mit Abstand wichtigste Faktor für die Kursentwicklung von Aktien. Aber selbst über zehn Jahre können sich Bewertungs- und Währungs- schwankungen spürbar positiv oder negativ auf den Gesamtertrag auswirken. Ein Blick auf die Wertentwicklung des MSCI World Index über die vergangenen zehn Jahre verdeutlicht dies. Der Index konnte inklusive Dividenden in diesem Zeitraum um gut zwölf Prozent p.a. zulegen, obwohl Gewinne und Dividenden nur um sieben Prozent gestiegen sind. 2,5 Prozent sind auf Währungsgewinne zurückzuführen und weitere 2,6 Prozent resultierten aus einem Anstieg der Bewertungen.

Bewertungsgewinne lassen sich aber nicht unendlich fortschreiben. Steigt die Bewertung über ein „normales“ Niveau, geht dies zu Lasten des zukünftigen Performancepotenzials. Bei der Ermittlung der langfristigen Renditeperspektiven von Aktien sollte man deshalb nicht mit einem anhaltenden Rückenwind – sprich einem weiteren Anstieg der Bewertungen – rechnen, sondern eher einen leichten Rückgang einkalkulieren. Langfristige Währungsentwicklungen sind nur schwer prognostizierbar. Ein dauerhaft gegen alle wichtigen Anlagewährungen aufwertender Euro erscheint sehr unwahrscheinlich, weshalb ein globales Aktienportfolio eine sinnvolle Währungsdiversifikation bietet.

Insofern wird das langfristig „planbare“ Renditepotenzial von Aktienanlagen durch die Entwicklung der Unternehmensgewinne und die laufenden Dividendenausschüttungen bestimmt. Als Anhaltspunkt kann die Gewinnentwicklung der Vergangenheit dienen, wobei wir aufgrund der besseren Datenbasis den S&P 500 Index heranziehen. Die im Index enthaltenen Unternehmen haben ihre Gewinne in den vergangenen zehn, zwanzig und dreißig Jahren jeweils im Durchschnitt um gut sieben Prozent p.a. gesteigert. Damit darf ein ähnliches Wachstumstempo für die nächsten zehn Jahre als plausible Schätzung gelten, was in etwa einer Verdopplung der Unternehmensgewinne ergibt. Dies würde bei unveränderter Bewertung auch für die Aktienkurse gelten.

Um auf der vorsichtigen Seite zu sein, sollte für US-Werte ein Rückgang der Bewertung einkalkuliert werden. Bei einem moderateren KGV von 18 würde der S&P 500 Index immer noch um 67 Prozent oder 5,3 Prozent p.a. steigen. Inklusive Dividenden ergäbe dies einen jährlichen Gesamtertrag von rund sieben Prozent (in US-Dollar). Dieser liegt deutlich unter dem jährlichen Gesamtertrag der vergangenen Dekade von gut zwölf Prozent (in US-Dollar). Eine realistische Ertragserwartung für Aktien über die nächsten zehn Jahre liegt also bei rund sieben Prozent per annum. Sie basiert aufsteigenden Unternehmensgewinnen und Dividenden, einem leichten Rückgang der Bewertung und blendet den nicht kalkulierbaren Währungsbeitrag aus.

Bei Anleihen ist die Rechnung vergleichsweise einfach. Wer heute ein Portfolio solider Euroanleihen mit circa zehnjähriger Restlaufzeit erwirbt und diese bis zur Fälligkeit hält, darf bis dahin mit gut drei Prozent Rendite p.a. rechnen, was deutlich mehr ist als das halbe Prozent in der vergangenen Dekade. Einzige Unbekannte ist die Höhe des Wiederanlagezinses auf die jährlichen Kuponzahlungen, wenn man von der unwahrscheinlichen Pleite zahlreicher solider Schuldner einmal absieht.

Für Gold lassen sich keine seriösen Preisprognosen anstellen. In den vergangenen zehn Jahren konnten sich Anleger über einen jährlichen Goldpreisanstieg von mehr als acht Prozent in Euro gerechnet freuen. Dass es nach vorne schauend wieder so viel sein wird, sollte man nicht erwarten. Für uns steht bei der Goldanlage auch nicht die Rendite im Vordergrund, sondern der Versicherungscharakter als Teil einer diversifizierten Anlagestrategie.
Aktien bleiben für langfristig orientierte Investoren die attraktivste Anlageklasse, die zudem einen Schutz gegen eine unerwartet hohe Inflation bietet. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass der Renditevorsprung gegenüber Anleihen in den nächsten zehn Jahren ähnlich hoch wie in der vergangenen Dekade ausfallen wird.

In zehn Jahren werden wir es wissen.


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