- Kurzfristig könnte der Inflationsdruck abnehmen und sich ein Fenster für Zinssenkungen öffnen. Doch eine dauerhafte Rückkehr zu niedrigen Inflationsraten erscheint keineswegs sicher.
- Erweisen sich die Hoffnungen auf einen deutlichen Rückgang der Anleiherenditen als zu optimistisch, dürfte sich dies auf die Aktien einiger hochbewerteter Wachstumsunternehmen auswirken.
Der Rückenwind fallender Anleiherenditen hat den Aktienkursen im vergangenen Jahr zu einer Jahresendrally verholfen. Die größten Profiteure fallender Zinsen sind ironischerweise Aktien am unteren und oberen Ende des Qualitätsspektrums. Hochverschuldete Unternehmen würden bei niedrigen Zinsen von einer geringeren Zinslast und besseren Finanzierungsbedingungen profitieren und Wachstumsunternehmen von einer weiterhin hohen oder gar noch höheren Bewertung. In diesem Jahr könnte die Unterstützung durch den Anleihemarkt aber weniger stark ausfallen, vielleicht sogar ganz ausbleiben. Das wäre für den Aktienmarkt unproblematisch, wenn ein robuster Arbeitsmarkt und eine positive Konjunkturentwicklung die Gründe für den ausbleibenden Renditerückgang sind.
Doch die Aktienmarktentwicklung im vergangenen Jahr stand nicht auf breiten Beinen. Die Kurse der, gemessen am Börsenwert, sieben größten US-Technologieunternehmen (Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Meta, und Tesla) stiegen um durchschnittlich 111 Prozent (marktkapitalisierungsgewichtet waren es 76 Prozent). So ist es nicht verwunderlich, dass die Wertentwicklung des amerikanischen Aktienindex S&P 500 im vergangenen Jahr mit 25,7 Prozent fast doppelt so hoch war, wie die durchschnittliche Entwicklung der 500 im Index enthaltenen Aktien, von denen sich knapp 360, also gut 70 Prozent, schlechter als der Index entwickelt haben. Beim MSCI World Index, der zu mehr als zwei Dritteln aus US-Aktien besteht, lag die gleichgewichtete Wertentwicklung mit 13 Prozent ebenfalls deutlich unter den 19,6 Prozent des „offiziellen“ Index.
Damit war 2023 das Jahr mit der höchsten Outperformance des S&P 500 Index gegenüber seinem gleichgewichteten Pendant seit 1998. Damals hatte die weltweite Technologieeuphorie die Börsenwerte von Unternehmen wie Microsoft, Cisco oder Intel in die Höhe katapultiert und zu einem immer größeren Gewicht in den Indizes verholfen.
Als damals die Euphorie verflog, gerieten die Kurse der hochbewerteten Schwergewichte besonders unter Druck. Der S&P 500 Index verlor in nur einem Jahr seinen Performancevorsprung von rund 50 Prozentpunkten gegenüber seinem gleichgewichteten Pendant. Natürlich lässt sich daraus nicht ableiten, dass sich dieses Kursmuster wiederholen muss, weder in Bezug auf den gesamten Aktienmarkt noch auf die überproportionalen Kursverluste der Mega-Caps. Die größten Indexwerte sind aktuell zwar hoch bewertet, aber bei weitem nicht so extrem wie zur Jahrtausendwende.
Die Kurse sind allerdings in den vergangenen Jahren stärker als die Gewinne gestiegen und haben den Aktien zu einem immer höheren Anteil an den einschlägigen Indizes verholfen. So ist der Anteil der zehn größten Unternehmen (nach Börsenwert) am globalen Aktienindex MSCI World jüngst auf ein Rekordniveau von 21 Prozent gestiegen. Eine solche Konzentration hat es bei diesem rund 1.500 Titel umfassenden Index zuletzt im Jahr 2000 gegeben, bevor der Börsenboom mit dem Platzen der Technologieblase ein vorläufiges Ende nahm.
Die gute wirtschaftliche Entwicklung und Bekanntheit der großen Indexwerte und die noch bessere Entwicklung ihrer Aktien haben eine enorme Sogkraft erzeugt und immer mehr Anleger angezogen, sei es in Form direkter Aktienkäufe oder durch den Erwerb von ETFs, in denen diese Titel prominent vertreten sind. Immer mehr Portfoliomanager wollen und können es sich deshalb nicht mehr leisten, auf diese Titel zu verzichten, die zunehmend den Charakter von „Wohlfühlaktien“ erlangt haben, mit denen man scheinbar nichts falsch machen kann.
Diese Entwicklung ist kein reines US-Phänomen oder nur auf den Technologiesektor beschränkt, sondern auch in anderen Bereichen anzutreffen. Im Pharmasektor stechen die beiden „Schlankmacher“ Eli Lilly (USA) und Novo Nordisk (Dänemark) heraus, deren Aktien das 50- beziehungsweise 33-fache des Gewinns kosten und es damit auf einen Börsenwert von 600 beziehungsweise 480 Milliarden US-Dollar bringen. Auch die Aktien der europäischen Luxusgüterproduzenten L’Oréal und Hermès handeln mit dem 33- bis 44-Fachen der erwarteten Gewinne in luftigen Bewertungsregionen.
Angesichts der vergleichsweisen hohen Bewertung der Indexschwergewichte verwundert es nicht, dass Indizes, die anhand des Börsengewichts zusammengesetzt sind, eine höhere Bewertung als der Durchschnitt aller Indexaktien aufweisen. Während der „offizielle“ S&P 500 Index mit einem Anteil der zehn größten Unternehmen am MSCI World gemessen an der Marktkapitalisierung mit einem Gewinnmultiplikator von 20 ins neue Jahr startet, beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis des gleichgewichteten Pendants nur 17. Mit anderen Worten: Der gesamte Aktienmarkt ist nicht so teuer, wie es ein Blick auf den S&P 500 vermuten lässt.
Wenn Aktien, basierend auf den aktuellen Gewinnen, hoch bewertet sind, heißt dies aber nicht zwangsläufig, dass sie auch zu teuer sind. Ein nachhaltig hohes Wachstum kann dies kompensieren und die heute als zu hoch erscheinende Bewertung rückblickend relativieren. Allerdings muss das Unternehmen die hochgesteckten Erwartungen dann auch erfüllen. Enttäuschende Quartalszahlen oder ein verhaltener Ausblick des Managements lassen Zweifel am langfristig erwarteten Wachstumspotenzial aufkommen und führen zu empfindlichen Kursverlusten, die dann am Nimbus „Wohlfühlaktie“ rütteln.
Insofern ist es nicht ratsam, die Historie einfach fortzuschreiben, sondern die Qualität eines Unternehmens zu prüfen, um eine Vorstellung zu erlangen, welchen Preis man dafür zahlen möchte. Denn auch wenn Qualität einen deutlichen Preisaufschlag rechtfertigt, heißt das noch nicht jeden. Deshalb bleiben wir geduldig und warten, bis die Bewertungen der Qualitätsunternehmen unserer Kaufliste wieder in einem attraktiveren Verhältnis zum Preis der Aktien stehen.
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