Marktberichte

Greiffbar - Investments zum Anfassen vom 11.03.2022

Utopia, Dystopia, Realita

Utopia

In einer perfekten Welt leben Menschen ohne Krieg, in einer freien Gesellschaft, friedlich und zufrieden miteinander. Mit seinem Roman Utopia hat Thomas Morus 1516 das literarische Genre für diese Fiktion geschaffen. In der Utopie herrschen Vernunft und Einsicht und der Wunsch nach einer besseren Welt. Eine Welt, in der ein Ex-Bundeskanzler nach Moskau reist, um dem dortigen Kriegsherren die Leviten zu lesen. Anschließend den Frieden zu verkünden und als gefeierter Held und mit Zweitambitionen auf das Kanzleramt zurückzukehren. In einer Welt, die daraufhin nur noch steigende Wertpapierkurse kennt. Dax Anstiege von mehr als 1000 Punkten an einem einzigen Tag. Eine Welt voller Geld für jedermann, das unbegrenzt zur Verfügung steht – in der keine Lieferengpässe oder inflationäre Preissteigerungen mehr existieren. Eine Welt voller Bildung, tiefen Benzinpreisen, pünktlichen Bundesbahnen und schrumpfenden Wehretats. Eine Welt, die nachhaltig ergrünt, Beziehungen nicht nur online stattfinden und Donald Trump den buddhistischen Rang eines Arhat erreicht. Eine Welt, in der der Dirk Müller Premium Fonds performt und Frank Thelen seine DNA verzehnfacht. Kurzum, eine Utopie! Aber davon zu träumen ist allemal mehr wert als das Gegenteil:

Dystopia

Die Anti-Utopie, die uns vor allem gerne die Medien erzählen: Eine düstere, nicht lebenswerte Zukunft. Eine Kakotopie, wie sie uns die Klimabewegung täglich vor Augen führt. Eine Mätopie der Endzeit zivilisierten Lebens, wie es uns der Krieg in der Ukraine zeigt. Eine dystope Gesellschaft schöpft keinen Mut mehr, keine Innovationen und damit keinen Fortschritt. Lassen wir uns nicht in diesen Sog des Negativen bringen. Sind wir lieber der Klavierspieler an der polnisch ukrainischen Grenze, der Flüchtenden Sekunden der Sicherheit gibt. Sind wir lieber das kleine, singende Mädchen im Bunker, welches in sekundenstille den Menschen den Klang von Hoffnung zeigt. Sind wir lieber Menschen mit Mut, an eine positivere Zukunft zu glauben, denn dann können wir sie auch gestalten. Es gibt keinen Fatalismus mehr, sobald man das Heft des Handelns ergreift. Und in diesem Sinne ist der Glaube an die Dystopie wohl ebenso unsinnig, wie die heile Welt der Utopie. Doch was bleibt uns dann?

Realita

Ich weiß nicht einmal, ob es diesen Begriff überhaupt gibt. Aber ich weiß, dass ein guter Glaube an die Utopie und der Unglaube an die Dystopie eine Arbeitsbasis für die Realität schafft. Die Realität der Börse ist es quasi, als Fieberthermometer den Wohlstand zu messen. Dieser war in der aktuellen Woche nicht nur wortwörtlich durch Russlands Krieg unter Beschuss, sondern auch durch die damit verbundenen weiter steigenden Inflationszahlen. 7,9% meldeten die USA für den Februar. Das ist so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr. Realzinsen damit auf Allzeittief! Und selbst wenn die Zinsen steigen, wovon ich fest ausgehe, wird es doch real, also nach Inflation, lange Zeit negativ bleiben. Und ja, auch die Zinsen in Europa werden steigen, auch wenn dies einige bezweifeln. Die europäische Notenbank wartet zu lange damit und wird die nötigen Anpassungen damit aus meiner Sicht nur verschärfen. Immerhin hat man diese Woche bekannt gegeben, dass man das Anleiheaufkaufprogramm schneller zurückführen will. So sehen Entscheidungen aus, wenn einem die Realität einholt. Das könnte in den kommenden Wochen auch den „buy the dip“ Aktionären drohen, wenn sie feststellen, dass die Erholung am Aktienmarkt länger auf sich warten lässt, als ihnen ihre eigene Utopie gerade weismachen will. Die sind mir aber immer noch lieber, als die selbsternannten dystopischen Crashpropheten, deren Fondsergebnisse einem Realitätsvergleich zu ihrem eigenen Ego kaum standhalten.

Ihr Volker Schilling


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