Zeugma
Ich heiße Volker Schilling und Sie herzlich willkommen zur heutigen Ausgabe meiner Kolumne. Wenn Ihnen dieser Satz brachial vorkommt, dann liegt es wahrscheinlich an einer Unterform der Brachylogie, dem Zeugma. Einem rhetorischen Stilmittel, mit dem sogar einem Fondsmanager im Gespräch mit mir die Stunde der Erkenntnis schlagen kann, aber er trotzdem nicht seinen Index. Ich kann mich zwar seiner erbarmen, aber die Performancemessung nicht und so sitzt zwar sein Anzug korrekt, ich ihm aber gegenüber eher skeptisch. Ich werfe einen Blick auf unsere Analyse seines Fonds und nach unserem Gespräch seine Präsentation in den Schredder. Das Zeugma ist die rhetorische Figur der Worteinsparung. Eine rhetorische Figur, bei der ein Verb oder eine Präposition auf mehrere Satzteile angewendet wird, obwohl es grammatikalisch nur auf einen Teil angewendet werden kann. Und bei vielen Fonds ist das ähnlich. Man kann sich diese einsparen, insbesondere dann, wenn der Fondsmanager nur an seinem Index schmust und nicht am Erfolg. Solche Fonds sollten Sie nicht anwenden, nicht einmal rhetorisch. Wir arbeiten dazu gerade an unserer neuen Fondsstudie zur Aktivität und Erfolg von aktiven Managern, die im Sommer publiziert wird. Sie dürfen gespannt sein.
Dogma
Im Gegensatz zum Zeugma hat das Dogma den Anspruch, eine allgemeingültige und unumstößliche Wahrheitsaussage zu sein. So wie die unumstößliche Wahrheit, dass auf hohe Inflationszahlen unweigerlich Zinserhöhungen folgen müssen. Dieses Notenbankdogma gerät ins Wanken, wenn der Grenzschaden von weiteren Zinserhöhungen, den Grenznutzen der Inflationsreduzierung deutlich übersteigt. So könnten die Notenbanken bei ihrer nächsten Zinserhöhung genau an diesem Punkt angekommen sein. Die Inflation, diese Woche in den USA mit 5% gemeldet, ist zwar rückläufig, aber noch nicht unter dem 2%-Ziel. Weitere Zinserhöhungen würden aber dem Finanzsystem derart Schaden zufügen, dass man davon ausgehen muss, dass die Notenbanken das Dogma neu definieren werden. Dies könnte beispielsweise so lauten: Inflationszahlen, die unterhalb des Zinsniveaus liegen, werden akzeptiert, auch wenn sie oberhalb der 2%-Marke sind. Damit würde man zumindest den Realzins über Wasser halten und die Wirtschaft hat die Chance trotzdem zu wachsen. Allerdings erhöht sich dadurch das Sigma:
Sigma
In der Statistik beschreibt das Sigma die Standardabweichung, folglich die Schwankungsintensität. Und die Schwankungen an den globalen Kapitalmärkten sind in der Zins- und Zeitenwende unberechenbarer geworden. Unsicherheiten brodeln wie Magma unter der Oberfläche. Selbst der Internationale Währungsfonds und die Weltbank, die nicht das Stigma eines Weltuntergangspropheten tragen, sind sehr vorsichtig mit Aussagen zum aktuellen Zustand. Derweil sind die Short-Positionen der Profis so hoch wie zuletzt in der Finanzkrise 2008, während die meisten Privatinvestoren eher gelassen sind. Und da es die Enigma zur Entschlüsselung der Börsenentwicklung nicht gibt, gilt weiterhin das alliterarische Tagma: Diversifikation, Dividende, Disziplin, und Duldsamkeit führen am Ende zur finanziellen Freiheit. Da „sagma“ einer die griechische Sprache hätte keinen Einfluss auf unsere Kultur. Apropos, die Griechen feiern erst kommendes Wochenende das orthodoxe Osterfest „Ágio Páscha“ und damit in diesem Jahr eine Woche zeitversetzt zu unserem Ostern. In diesem Sinne „Kalí anástasi“.
Ihr Volker Schilling
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