tot
Ich befürchte diese Ausgabe wird eine ziemlich morbide Angelegenheit. Vielleicht sollte ich einen Warnhinweis anbringen, der Zeitgeist verlangt das, da man scheinbar kaum noch jemandem etwas zumuten darf. Es geht um den Boandlkramer, den Gevatter, den Sensenmann, der diese Woche den Boxer und Frauenversteher René Weller ebenso heimgesucht hat, wie Putins Koch Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin. Letzterer soll bei einem Flugzeugabschuss – Verzeihung -absturz – ums Leben gekommen sein. Ob dies eine gezielte Beseitigungs- oder eine gekonnte Verschleierungsaktion war, lässt sich noch nicht beantworten. Prigoschin wurde in der Vergangenheit schon öfters für tot erklärt, um dann wieder in Erscheinung zu treten. Bei René Weller dagegen herrscht Gewissheit, der Mann mit dem legendären Satz „Wo ich bin, ist oben und falls ich mal unten bin, ist unten oben“ verstarb zuhause nach einer Demenzerkrankung. Unklar ist indessen, ob er jetzt oben oder unten gelandet ist. Kommen wir zu den Lebenden:
untot
Obwohl? Wenn man einen Blick auf den aktuellen US-Wahlkampf wirft, dann muss man leider attestieren, dass die mutmaßlichen Spitzenkandidaten für das Oval Office mehr scheintot als lebendig sind. Ein 80-jähriger Amtsinhaber, dessen sprachliche und motorische Aussetzer Anlass zur Besorgnis geben, trifft auf einen 77-jährigen Ex-Präsidenten, der seine notorischen Lügen nur noch durch seine Entgleisungen toppt. Hat doch diese Woche tatsächlich einer der republikanischen Kandidaten den Vorschlag gemacht, das Wahlalter in den USA auf 25 Jahre hoch zu setzen, da die Jungen zu progressiv und zu demokratisch wählen würden. Das zeugt von einem tiefen Demokratieverständnis. Ich hätte da einen anderen Vorschlag: Wie wäre es, wenn die Amerikaner das maximale Alter für einen Präsidentschaftskandidaten runter setzen würden? So spart man sich künftig ein Duell der Untoten, die mehr ihre eigene Lebensleistung krönen wollen und schafft mehr Raum für die Generation dahinter, die vielleicht wieder versteht, dass es nur miteinander und nicht gegeneinander funktioniert. Ich befürchte aber, dass man solche Vorschläge schnell mundtot macht.
hirntot
Manch einem westlichen Bündnis wurde ja in der Vergangenheit bereits der Hirntot attestiert, ganz anders hier: Die BRICS-Staaten tagten in dieser Woche in Südafrika und sind sich einig, das Bündnis vital zu halten. Aus BRICS wird BRICSplus: Saudi-Arabien, der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Argentinien, Ägypten und Äthiopien stoßen ab 2024 dazu. Geopolitisch und wirtschaftlich sicher ein weiterer Schritt mit Wirkung. Aber auch die Unterschiede des Fortschritts sind zutage getreten: Symbolisch diese Woche am besten verkörpert in den Mondmissionen der beiden Nationen Russland und Indien. Bruch- und Bilderbuchlandung liegen manchmal eben nahe beieinander. BRICS an der Börse war bisher auch ein Rohrkrepierer, womit wir wieder beim Dahinscheiden wären. Ich scheide jetzt ebenfalls dahin, aber nur in den Urlaub. Nach derart schwermütigem Stoff brauche ich erst einmal eine Auszeit und bin in der übernächsten Woche wieder für Sie da. Wenn ich wieder aus meinem Urlaubsloch herausgekrochen bin, erzähle ich Ihnen dann auch, was in einem anderen bekannten Loch diese Woche noch passiert ist. Die Rede ist von Jackson Hole, dort tagen gerade die internationalen Notenbanker, um über die „strukturellen Veränderungen in der Weltwirtschaft“ zu sprechen.
Ihr Volker Schilling
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