Ein Interview mit Fondsmanagerin Birgit Havlik
Das Risiko, in Armut zu leben und von Altersarmut betroffen zu sein, ist nicht nur für Frauen in Industrieländern, sondern auch für Frauen in Schwellen- und Entwicklungsländern höher als für Männer.
Mangelnder Zugang zu Bildung, eine geringere Beschäftigungsquote und eine patriarchalisch geprägte Rollenverteilung in den Familien, in denen Frauen die gesamte Care-Arbeit für die Kinder übernehmen, sind Faktoren, die wesentlich zum Armutsrisiko beitragen. Aber auch der Ausschluss von finanziellen Ressourcen ist ein Grund für das höhere Armutsrisiko von Frauen. Hinzu kommt, dass Frauen, wenn sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen, in einkommensschwachen Ländern zu 90% im informellen Sektor, d.h. in schlecht bezahlten Tätigkeiten ohne soziale Absicherung, beschäftigt sind.
Hoher Bedarf an Krediten durch weibliche Kreditnehmer
Ein Hebel, um den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen und einen Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter, dem UN-Nachhaltigkeitsziel Nr. 5, zu leisten, ist die Bereitstellung finanzieller Unterstützung. Das Konzept der Mikrokredite basiert auf dem Gedanken der Hilfe zur Selbsthilfe. Frauen, die mit den Mikrokrediten ein bestimmtes wirtschaftliches Ziel verfolgen, wie z.B. die Gründung oder den Ausbau eines Kleinunternehmens, werden unterstützt und damit der Gedanke der Hilfe zur Selbsthilfe aktiv umgesetzt. Der hohe Anteil weiblicher Kreditnehmer bei Mikrokrediten - beim I-AM Vision Microfinance Fonds betrug der Anteil weiblicher Kreditnehmer an allen durch den Fonds erreichten Kreditnehmern im Jahr 2023 84% - verdeutlicht den großen Bedarf an Krediten bei Frauen. Mikrokredite können den Weg zu weiblichem Unternehmertum ebnen und damit zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Befreiung aus wirtschaftlicher Abhängigkeit beitragen.
Auf die Auswahl der Mikrofinanzinstitute kommt es an
Anleger können zur finanziellen Unabhängigkeit von Frauen (und Männern) in Schwellen- und Entwicklungsländern beitragen, indem sie in Mikrofinanzfonds investieren. Diese bündeln Investitionen in Mikrofinanzinstitutionen (MFI) aus verschiedenen Regionen der Welt, die vor der Aufnahme ins Portfolio einer sorgfältigen Analyse unterzogen werden. Die Mikrofinanzinstitute sind die Ansprechpartner für die Kreditnehmer in den investierten Ländern und wickeln die Kreditvergabe ab. Nur MFIs, die strenge Auswahlkriterien erfüllen, werden in das Portfolio aufgenommen. Die Investition in einen Mikrofinanzfonds verbindet für den Anleger soziale Nachhaltigkeit mit einer stabilen Rendite, die sich weitgehend unabhängig von den Anleihen- und Aktienmärkten entwickelt.
Gute Mikrofinanzinstitute zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass sie ihren Kunden auf Augenhöhe begegnen, sondern auch dadurch, dass sie sich als lokale Informations- und Förderzentren für wichtige Themen verstehen. Die gemeinnützige MFI Crecer in Bolivien beispielsweise vergibt nicht nur Mikrokredite an die ländliche und städtische Bevölkerung, sondern bietet auch Kurse zur finanziellen Bildung an. Außerdem bietet Crecer den Frauen in der Region Vorsorgeuntersuchungen auf Gebärmutterhalskrebs an. Bolivien gehört zu den Ländern mit der höchsten Sterblichkeit an Gebärmutterhalskrebs, so dass die Vorsorgeuntersuchungen eine wichtige Präventionsmaßnahme darstellen.
Im Rahmen meiner diesjährigen Due-Diligence-Reise in die Mongolei konnte ich mir erneut ein persönliches Bild von der Bedeutung der Mikrofinanzkredite für weibliche Kreditnehmer machen. Unter anderem besuchten wir das Seifenlabel Savana. Die Firmengründerin kam nach mehreren Krankheitsfällen in ihrer Familie auf die Idee, ein Unternehmen für Seifen mit natürlichen Inhaltsstoffen zu gründen. Heute ist Savana ein erfolgreiches und nachhaltiges Unternehmen mit neun Mitarbeitern und guten Wachstumsaussichten.
Dieses Praxisbeispiel und viele weitere aus unserem Portfolio zeigen, wie Mikrokredite für Frauen in Schwellen- und Entwicklungsländern ein Sprungbrett in die wirtschaftliche und finanzielle Unabhängigkeit sein können.