Inflationsraten wie lange nicht mehr halten spätestens seit dem Ukrainekrieg Anleger in Atem. Und die neuesten Monatswerte markierten in den USA mit 8,6%1 und in Deutschland mit 7,9% wieder Höchststände.2 Damit ist längst Realität, was vor Jahresfrist für viele noch undenkbar war und gerade von den großen westlichen Notenbanken und insbesondere in der Eurozone als mögliche Entwicklung bestritten wurde. Die Hoffnung, Inflationsraten könnten nur kurzfristig und vorübergehend über dem Stabilitätsziel von rund 2% liegen, hegt angesichts der eingetretenen Realität und ihrer Hintergründe wohl niemand mehr.
Inflationstreiber werden breiter
Die Lieferkettenprobleme erweisen sich als hartnäckig und verschärfen sich sogar seit Monaten.3 Und auch wenn die Energiepreise teilweise wieder etwas gesunken sind, die Kosten der Unternehmen steigen weiter. Mit einem Plus von 33,6% gegenüber dem Mai 2021 verzeichneten zum Beispiel die Erzeugerpreise in Deutschland den höchsten Zuwachs seit Beginn der Aufzeichnungen 1949.4 Hauptpreistreiber waren Vorleistungsgüter, vor allem Metalle, Dünge- und Futtermittel sowie Industriegase und Verpackungsmittel aus Holz. Die Preisanstiege für die Unternehmen kommen also auf breiter Front.
Preisauftrieb bei Erzeugerpreisen: längst nicht mehr nur Energie
Seit 2021 steigen die gesamten Erzeugerpreise nahezu genauso wie die der Energieträger - zeigt das Statistische Bundesamt. Diesen Anstieg schiebt die deutsche Volkswirtschaft als mächtige Bugwelle vor sich her. Denn was bedeuten die höheren Kosten von Unternehmen, die Waren herstellen, die wir im nächsten Schritt konsumieren? Wenn Unternehmen in der Lage sind, ihre um rund ein Drittel (!) gestiegenen Kosten auch nur teilweise an ihre Kunden weiterzugeben, ist das eine mächtige Dynamik für die Verbraucherpreisinflation.
Inflation ist und bleibt also (nicht nur in Deutschland) auf absehbare Zeit ein Faktum, mit dem Anleger leben müssen – und können. Das unterstreichen auch führende Wirtschaftsforschungsinstitute, die ihre Inflationserwartungen jüngst nach oben angepasst haben. So rechnet das Ifo-Institut mit einem Verbraucherpreisanstieg in Deutschland von 6,8 % für 2022. Das Institut für Wirtschaftsforschung (IfW) erwartet in diesem Jahr sogar noch eine Teuerungsrate von 7,4%, selbst im nächsten Jahr soll sie nach Meinung der Experten noch über 4% liegen.5 Beide liegen damit über den Schätzungen der Europäischen Kommission, die für 2022 in Deutschland eine Rate von 6,5%, für 2023 immerhin einen Wert von 3,1% prognostiziert.6 Aber kann man diesen doch recht positiven Inflationseinschätzungen für 2023 vor dem faktischen Hintergrund dramatisch gestiegener Erzeugerpreise wirklich Vertrauen schenken? Zweifel sind erlaubt.
Neuer Fokus: Hält die Konjunktur?
Die Hauptsorge an den Märkten gilt allerdings immer weniger der Inflation. Das Bedauern darüber, dass die FED und die EZB mit ihren realen und angekündigten Leitzinserhöhungen zu spät seien, um die Inflation zu stoppen, mischt sich immer mehr mit resigniertem Schulterzucken: Letztlich sind die Möglichkeiten der Zentralbanken tatsächlich beschränkt. Denn die Inflation ist eher von externen Kostenfaktoren und einer Verknappung und Verteuerung auf der Angebotsseite bestimmt. Effektiven Einfluss hätten Zinserhöhungen nur auf der Nachfrageseite.
Mehr und mehr rückt an den Anlagemärkten die Sorge ins Zentrum, ob die Konjunktur hält. Im selben Atemzug mit der Erhöhung der Inflationsaussichten haben Ifo und IfW ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum in diesem Monat noch einmal gesenkt. Statt 3,1% in diesem Jahr rechnet das Ifo-Institut nur noch mit 2,5 %. Das IfW hält sogar 2022 nur 2,1 % für Deutschland erreichbar und senkte seine Prognose für das Folgejahr von 3,5 % auf 3,3 %.7
Weltweit sehen die IfW-Forscher aus Kiel eine ähnliche Entwicklung: Von den bislang angenommen 3,5% weltweiten Wirtschaftswachstums bleiben nach jüngsten Schätzungen in diesem Jahr noch 3%. Die Aussichten im nächsten Jahr verringern sich nach ihrer Meinung um 0,4 Prozentpunkte auf 3,2%.
US-Konjunktur zeigt wunde Punkte
In den USA ist die Situation besonders brisant: Die FED hat inzwischen einige sehr deutliche Zinsschritte gesetzt. Gleichzeitig offenbart die US-Konjunktur ungewohnte Schwächen. Um 0,4% sank die Wirtschaftsleistung von Januar bis März gegenüber dem Vorquartal.8 Zwar unterstellt der Internationale Währungsfonds (IWF) noch ein Wachstum von über 3% auf das Jahr 2022 gerechnet – doch das könnte zunehmend am seidenen Faden hängen. Auch die FED hat ihre Prognose von ehemals rund 3% auf jetzt 1,7 % zurückgeschraubt.9
Die USA als größte Wirtschaftsmacht stehen damit – offen diskutiert – am Rande einer Rezession. Es gibt auch einige positive Indikatoren, darunter starke Arbeitsmarktzahlen. Ob sie den Ausschlag geben können, bleibt abzuwarten. Wenn die Dinge so auf Messers Schneide stehen, sind auch die Experten zunehmend ratlos: „Ökonomen sind nicht gut darin, Rezessionen vorherzusagen. Wir sollten uns nicht auf Prognosen verlassen, die genau vorhersagen, wann die Wirtschaft in den Abschwung kommt, wie lange er anhält und wie weit es abwärts gehen wird“, gab Tara Sinclair jüngst zu Protokoll.10 Die Wirtschaftsprofessorin an der George Washington University muss es wissen. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit Prognosen und mathematischer Modellierung von Konjunkturentwicklung.
Kurzfristige Konjunkturprognosen: Vorsicht geboten
Die Zurückhaltung von Professor Sinclair lässt sich bei einem kurzen Blick in die Historie noch besser verstehen. Nehmen wir zum Beispiel die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes Deutschlands in den letzten 10 Jahren: Für die Konjunkturentwicklung hierzulande sind der ifo-Geschäftsklimaindex und der Einkaufsmanagerindex (EMI) oft zitierte Frühindikatoren. Sie sollen also einen Beitrag zur Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung leisten. Allerdings: Für die genaue Vorhersage kurzfristiger Entwicklungen in unklaren Umfeldern haben sie begrenzte Aussagekraft – die folgende Grafik belegt das.
Kurzfristig von unklarem Prognosewert: konjunkturelle Frühindikatoren
Der Einkaufsmanagerindex (EMI) stieg in 2020 nach der Corona-Basse wieder stark an und sinkt seit 2021 auf 52 Punkte (Juni 2022), während der ifo Geschäftsklimaindex starr unter 100 Punkten bleibt. Unser BIP (preis- und saisonbereinigt) entwickelt sich in den einzelnen Quartalen seit 2020 sehr unterschiedlich. Die Werte lassen Prognosen nur schlecht zu. Dennoch sind Indikatoren und Prognosen von Expertenteams immer noch das beste Hilfsmittel, das wir zur Einschätzung künftiger konjunktureller Entwicklungen haben. Zeitweise haben sie in der Vergangenheit auch wertvolle Fingerzeige geben können. Eine interessante animierte Darstellung zum Verhältnis der BIP-Entwicklung zu einer Auswahl von Indikatoren bietet das Statistische Bundesamt mit seinem Konjunkturmonitor.
Anleger-Fazit: Alle Augen auf die Konjunkturentwicklung
In einem Wirtschaftsumfeld, in dem künftige Zentralbankentscheidungen aber auch viele unvorhergesehene externe Faktoren wie Kriegsfolgen oder Lieferkettenprobleme das sprichwörtliche „Zünglein an der Waage“ sein können, gilt es die aktuellen Entwicklungen genau zu beobachten. Denn die nächsten Wochen könnten entscheiden, ob die Weltwirtschaft in eine Rezession rutscht, oder noch einmal davonkommt. Das schon lange befürchtete Szenario einer Stagflation, wird jedenfalls nicht unwahrscheinlicher. Besser, die Portfolios Ihrer Kunden sind auf Stagflation vorbereitet. Denn Inflation – als der eine Bestandteil einer Stagflation – ist eigentlich keine offene Frage mehr. Sie ist da und bleibt wohl auf unbestimmbare Zeit.
Sie suchen eine kostengünstige Möglichkeit, in den aktuell günstigen Markt einzusteigen? Kaufen Sie Fonds günstiger!
- 100% Rabatt auf den Ausgabeaufschlag
- 0 € Depotgebühr schon ab 1.500 € Depotwert
- 0 € Transaktionskosten
Haben Sie noch Fragen? Kommen Sie gerne auf uns zu - entweder per E-Mail oder unter 0800 744 744 2.
Ihr Team der INFOS AG
Quellen:
1 tageschau.de, 10.06.2022
2 Statistisches Bundesamt, 14.06.2022
3 DIHK, Umfrage März 2022
4 Statistisches Bundesamt, 20.06.2022
5 Deutsche Welle, 15.06.2022
6 Europäische Kommission, Mai 2022
7 Deutsche Welle, 15.06.2022
8 Statistisches Bundesamt, 25.05,.2022
9 WiWo.de, 20.06.2022
10 WiWo.de, 20.06.2022