In den vergangenen Jahren und insbesondere während der Coronakrise haben die Zentralbanken für den Markt – und den größten Optimisten zufolge für die Wirtschaft allgemein – stets die Rolle des Retters in der Not gespielt. Doch nun positionieren sie sich fast alle gegen den Markt und damit auch gegen die Konsequenzen ihres eigenen Handelns. Das lässt turbulente Phasen an den weltweiten Börsen erahnen.
Turbulenzen in Sicht: Die britische Zentralbank legt sich Steine in den Weg
Jüngstes Beispiel: die Bank of England. Während sie bereits Ende 2021 mit der Anhebung ihrer Leitzinsen begann und damit der Europäischen Zentralbank und sogar der US-Notenbank (Fed) voraus war, kündigte sie am 28. September zur allgemeinen Überraschung ein Kaufprogramm für langlaufende britische Staatsanleihen mit einem voraussichtlichen Volumen von insgesamt 65 Milliarden Pfund an (fast 75 Milliarden Euro). Sie will damit dem Anstieg der langfristigen Zinsen entgegenwirken. Und zwar obwohl sie eigentlich geplant hatte, ihre Bilanz zu verkürzen – was somit erst einmal auf später verschoben wurde. Das Ziel besteht darin, die äußerst negativen Auswirkungen der von der neuen Premierministerin Liz Truss angekündigten fiskalpolitischen Maßnahmen auf die Zinsen abzumildern. Die neue Staatschefin hat das Misstrauen des Marktes geschürt, da sie eine massive Verschuldung des Staates plant, um den Schutz der Haushalte vor den hohen Energiekosten und die Ankurbelung des Wachstums zu finanzieren. Weniger Einnahmen, mehr Ausgaben! Das konnte der Markt nicht gutheißen. Der Einbruch des britischen Pfunds war vorprogrammiert und war spektakulär, denn die Währung fiel gegenüber dem Dollar auf die niedrigsten Niveaus in der Geschichte. Um gegen das Misstrauen des Marktes anzugehen, krempelte die Zentralbank ihre eigene Zinserhöhungspolitik um, indem sie die Renditen langlaufender Papiere senkte. Doch mit den Zinserhöhungen soll ja eigentlich die Inflation bekämpft werden – das Hauptziel der Regierung. So legt sich die Zentralbank selbst Steine in den Weg – und ebenso der Regierung, deren Irrfahrt sie ja eigentlich korrigieren will.
Extrem starker Dollar: Die US-Notenbank Fed gibt das Tempo vor
Die Bank of England ist nicht die einzige Zentralbank, die gegen den Markt agiert. Die Bank of Japan hält eisern an ihren Zinsen fest, die quasi bei null liegen – während sich ganz langsam die Inflation breitmacht und der Yen in schwindelerregendem Tempo gegenüber dem Dollar einbricht. Ergebnis: Sie muss Dollar für Yen verkaufen, um die Währung zu stützen. Doch dies führt praktisch zu nichts, solange eine weniger akkommodierende Geldpolitik ausbleibt. Im Kampf gegen den Devisenmarkt scheint die BoJ im Moment nicht allzu gut gerüstet zu sein.
Im Grunde genommen hat ganz Asien mit dem zu starken Dollar zu kämpfen. Taiwan führt derzeit eine Währungskontrolle ein und auch Indonesien und Indien ergreifen Maßnahmen zur Stützung ihrer Währungen. Stärkere systemische Bedeutung hat allerdings die Schwäche des Yuan, der gegenüber dem Dollar auf seinen tiefsten Ständen seit 2008 tendiert. Die chinesische Zentralbank muss einen Wechselkurs festlegen, der über den Erwartungen des Marktes liegt, und das zum fünfundzwanzigsten Mal in Folge. Doch indem sie amerikanische Staatsanleihen für Yuan verkauft, um den Abwärtsdruck auf ihre Währung zu mindern, trägt sie zum Anstieg der Renditen von US-Anleihen bei – was das Zinsgefälle zugunsten des Dollars noch verstärkt! Auch hier richtet sich die geldpolitische Maßnahme zum Teil gegen sich selbst.
Das Verhältnis zwischen Zentralbanken und Markt ist also völlig zerrüttet. Hauptakteur ist natürlich die Fed. Diese treibt unerbittlich ihre Zinserhöhungspolitik und damit die Stärkung des Dollars voran, um die Konjunktur zu bremsen und die Inflation zurückzudrängen. Es wird ihr gelingen. Denn die Inflation befindet sich zwar noch auf ihrem Höchststand, aber bestimmte Vorzeichen deuten auf ein Nachlassen hin, insbesondere im amerikanischen Immobiliensektor. Doch die Sparer leiden, die Unternehmen leiden – und werden es schwer haben, sich zu refinanzieren – und ganz allgemein leidet die gesamte nicht-amerikanische Welt unter einem sehr starken Dollar, der Rohstoffimporteure belastet und die Inflation in diesen Ländern weiter antreibt, vor allem in der Eurozone.
Die Fed als Retterin des Marktes?
Doch wenngleich sich die Fed im Krieg gegen den Markt befindet, ist das – so sagt sie – zu seinem langfristigen Wohl, weil die Inflation die Realeinkommen aus Arbeit und Finanzanlagen vernichtet. Auf lange Sicht bekommt dieser Kreuzzug der Fed einen Sinn. Sie könnte also zur Retterin des Marktes werden.
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