Marktberichte

LFDE Marktkommentar vom 19.09.2023

Zentralbanken in der Schwebe: Ist der Zinsgipfel erreicht?

„Der EZB-Rat ist der Auffassung, dass die EZB-Leitzinsen ein Niveau erreicht haben, das – wenn es lange genug aufrechterhalten wird – einen erheblichen Beitrag zu einer zeitnahen Rückkehr der Inflation auf den Zielwert leisten wird.“ Mit diesem Satz in ihrer Pressemitteilung zu ihrer jüngsten geldpolitischen Entscheidung bestätigt die Europäische Zentralbank die Annahme, dass die Zinsanhebung um 0,25 % am 14. September höchstwahrscheinlich die letzte im jüngsten Zinsanhebungszyklus bleiben wird. Von diesem Punkt dürfte auch die US-Notenbank Fed nicht weit entfernt sein. Die Fed, deren nächste Sitzung diese Woche am 19. und 20. September stattfinden wird, dürfte ihre Zinsen bei dieser Gelegenheit nicht anheben. Bezüglich der Novembersitzung bestehen noch letzte Zweifel, doch es ist angesichts der jüngsten makroökonomischen Daten wahrscheinlich, dass der Zinsanhebungszyklus in den USA bereits beendet ist. Die Bank of Australia hat ihren Leitzins zu Monatsbeginn zum dritten Mal in Folge unverändert gelassen und scheint das Kapitel der geldpolitischen Straffung abgeschlossen zu haben. Und diese Liste ist noch nicht komplett. Nach ihrem eineinhalb Jahre währenden Aufstieg scheinen die großen Schatzmeister der Welt den Zinsgipfel endlich erreicht zu haben.

Zentralbanken halten Leitzins auf hohem Niveau

Die Kletterpartie ist allerdings noch nicht zu Ende. Zunächst einmal werden die Zentralbanken die Leitzinsen auf dem hohen Niveau belassen, auf das sie sie gehievt haben. Es handelt sich dabei um einen echten Balanceakt, der durchgehalten werden muss, bis klar ist, ob sich der Sturm der Inflation tatsächlich gelegt hat. Die sich aktuell zuspitzende Konjunkturschwäche sorgt dabei für Turbulenzen, von denen sich die Währungshüter nicht aus der Bahn werfen lassen dürfen. Das ist eine unangenehme Situation, mit der die EZB, die ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum für 2023 und 2024 deutlich nach unten korrigiert hat, möglicherweise schon bald auseinandersetzen muss. Der Wirtschaftsmotor Deutschland ist im zweiten Quartal in eine Rezession geraten, der Konsum der Privathaushalte ist in der gesamten Eurozone auf Halbmast gesetzt, und die Konjunkturaussichten sind trotz eines nach wie vor soliden Arbeitsmarktes bescheiden.

US-Wirtschaft: Trügerische Stabilität

Jenseits des Atlantiks scheint die Fed auf den ersten Blick in einer angenehmeren Lage zu sein. Die Mehrheit der Anleger rechnet damit, dass es der Notenbank gelingen wird, die Inflation zu bändigen und dabei der Wirtschaft eine sanfte Landung zu ermöglichen. Doch in Wahrheit sind die Aussichten für die US-Wirtschaft alles andere als stabil. Nachdem sie dank der massiven Konjunkturprogramme nach der Coronakrise die höchsten Gipfel erklommen hat, zeichnet sich nun eine dreifache Problematik ab: Der Konsum dürfte sich in den kommenden Monaten stark abschwächen, die haushaltspolitische Unterstützung wird geringer ausfallen und das Bild des intakten Arbeitsmarktes bekommt allmählich Risse.

Zentralbanken stehen vor unsicheren Zeiten

Angesichts dieser am ökonomischen Horizont aufziehenden Wolken werden die Zentralbanken schnell eine letzte Etappe ins Auge fassen müssen, um nicht auf dem Gipfel vom Schneesturm erwischt zu werden: den Abstieg. Hierfür sind zwei Fälle denkbar. Der erste wäre ein ideales Szenario, in dem die Inflation weiter nachgibt, ohne dass die Wirtschaft zu heftig ausgebremst wird. Die Zentralbanken könnten sich dabei sicher am Hang abseilen, indem sie nach und nach die Zinsen senken und dabei die Realzinssätze dicht am neutralen Niveau halten. Im zweiten Fall würde uns ein pessimistischeres Szenario erwarten, in dem die Wirtschaft abrutscht. Die Zentralbanken müssten dann wieder ihre Rolle als Absicherer spielen und die Talfahrt mithilfe von Ad-hoc-Mechanismen verlangsamen, damit die Landung so wenig hart wie möglich ausfällt.


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