Der September hat seiner Reputation alle Ehre gemacht und eine Korrektur an den Börsen gezeitigt. Sie war überfällig, nachdem zuvor monatelang jedwede Unbill am Aktienmarkt ohne weitere Kenntnisnahme abprallte. Vor allem Veränderungen in China haben aber zuletzt für Nachdenklichkeit gesorgt. Manches spricht dafür, dass im Reich der Mitte die Phase des marktwirtschaftlichen Aufbaus nunmehr einer Rückbesinnung auf sozialistische Werte weichen muss. Es sieht so aus, als wolle die kommunistische Partei um Staatspräsident Xi die Kontrollzügel gegenüber der Wirtschaft deutlich anziehen.
Prominente Unternehmen wie Alibaba, Tencent und Didi Global wurden öffentlich von der KP angegangen. In Folge der Veränderungen erlebten nicht nur die genannten Aktien eine Sommerbaisse. Firmen aus dem privaten Bildungssektor gerieten in den Abwärtsstrudel, nachdem diesen Bildungsinstitutionen die Geschäftsbasis entzogen wurde.
Zur gleichen Zeit zeichnet sich in China die Insolvenz des großen Immobilienentwicklers mit dem Namen China Evergrande ab. Angesichts der hohen Nettoverschuldung von ca. achtzig Milliarden Euro besteht die Gefahr eines Domino-Effektes. Zudem ist China Evergrande keineswegs das einzige Immobilienunternehmen, das von Gerüchten über Zahlungsunfähigkeit umgeben wird.
Gleichfalls verstörend sind Meldungen über Stromabschaltungen bei etlichen Betrieben. Dem Vernehmen nach führen Knappheit und hohe Preise zu Erzeugungsdefiziten. Möglicherweise haben die stark angestiegenen Preise für Kohle und Erdgas zu den Friktionen beigetragen. Obendrein ist das Verhältnis zu Australien, von woher traditionell ein beträchtlicher Teil der importierten Kohle stammt, seit Monaten angespannt und gereizt.
Per Saldo wirken die geschilderten Entwicklungen dämpfend auf das chinesische Wirtschaftswachstum. Und tatsächlich wurden aus Peking zuletzt schwächere Wirtschaftszahlen gemeldet. Angesichts der mittlerweile erreichten Größe der chinesischen Volkswirtschaft wird die westliche Welt von der Verlangsamung nicht untangiert bleiben. Volkswirte schraubten in den letzten Tagen ihre Wachstumserwartungen für die Vereinigten Staaten aber auch für Deutschland herunter.
Es mag zu früh sein, um eine neue Ära in der bewegten Historie Chinas auszurufen. Ohne Zweifel aber stellt der neu eingeführte Patriotismus-Unterricht an den Schulen das Signum einer neuen Zeitrechnung dar. In Hong Kong hat man die Zäsur bereits zu spüren bekommen. Nicht nur über dem Südchinesischen Meer und Taiwan brauen sich dunkle Wolken zusammen.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns
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