Marktberichte

Loys Capital Kolumne vom 14.11.2023

Neue Normalität am Aktienmarkt?

Nach der großen Finanzkrise, die in ihrem Ursprung eine amerikanische Immobilien- und Bankenkrise war, brachten die Notenbanken eine Dauerniedrigzinsphase auf den Weg. Der Ausdruck des ´New Normal´ machte, wie immer ausgehend von den USA, weltweit die Runde.

Gemeint war damit ein neues und dauerhaftes Niedrigzinsregime. Heute, fünfzehn Jahre nach dem Untergang von Lehman Brothers und der beinahe Pleite aller großen US-Banken, weiß man, dass die extreme Niedrigzinsphase zwar lange (viel zu lange!) angedauert hat, aber nicht zur dauerhaften Einrichtung wurde. Vielmehr lässt sich rückblickend sagen, dass es sich um eine experimentelle Ausnahmephase handelte, die schließlich jäh in einer Geldentwertungseruption endete. Die Bürger haben das kolossale Nullzinsexperiment der Notenbanken mit einem erheblichen Kaufkraft- und Vermögensverlust bezahlt. Mittlerweile haben sich die Zinsen wieder in ihre historischen Bandbreiten begeben. Alte Traditionen sind am Finanzmarkt zurückgekehrt.

Wie aber sieht es auf dem Aktienmarkt aus? Auch hier kann man den Eindruck gewinnen, dass eine neue Normalität in den letzten Jahren Platz gegriffen hat. Diese neue und inzwischen seit vielen Jahren anhaltende Normalität besteht darin, dass der Großteil der Marktwertzuwächse an den Börsen sich überwiegend auf ca. zehn große amerikanische Unternehmen aus dem Technologiesektor konzentriert. Angesichts der von diesen Unternehmen geschaffenen Marktpositionen, die mitunter Oligopol- bzw. Monopolstrukturen ähneln, gehen die meisten Börsenbeobachter von einer Fortsetzung des Siegeszuges dieser Aktien aus. Die Beliebtheit von Indexfonds auf wichtige Börsenbarometer wie S&P 500, Nasdaq 100 und MSCI Welt sorgen für stetigen Geld-Zufluss in die gemeinten Titel. Derweil bleibt der Rest des Börsentrosses zurück, zumal wenn er bezüglich seiner Marktkapitalisierung so klein ist, dass er von vielen Kapitalsammelstellen als gar nicht mehr betrachtungswürdig eingestuft wird. Dazu haben in Europa übrigens auch die verunglückten MiFID-Regeln beigetragen.

Besteht also die neue Normalität am Aktienmarkt darin, dass man nur noch die wenigen amerikanischen Großunternehmen benötigt, um dauerhaft erfolgreich positioniert zu sein? Gerade aus europäischer Sicht scheint dieser Befund zutreffend zu sein, zumal die Einheitswährung Euro in den letzten zwanzig Jahren deutlich gegenüber dem US-Dollar abgewertet hat.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Marktteilnehmer diesbezüglich bereits entschieden haben, zumal gegen den scheinbaren Dauererfolgslauf der Big 7 kaum zu argumentieren ist. Gewisse Risiken (Konzentrations-, Bewertungs-, ETF-Zufluss- und juristische Risiken), die mit der Erfolgsgeschichte in Zusammenhang stehen, werden seit Jahren geflissentlich weitgehend ignoriert. Man wird sehen, ob diese neue Aktienmarktnormalität länger anhält als jene des Zinsmarktes.

Aus Chicago

Ihr
Dr. Christoph Bruns


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