Marktberichte

Loys Capital Kolumne vom 20.02.2024

Wirtschaftspolitischer Aschermittwoch

Auf die närrische deutsche Wirtschaftspolitik der letzten zwanzig Jahre ist ein verkaterter Aschermittwoch gefolgt. Die Vorteile der Agenda 2010 sind gänzlich aufgebraucht. Eine törichte Energiepolitik, naive Verteidigungspolitik, kontraproduktive Migrationspolitik, quotenbasierte Personalpolitik, Bildungszerrüttung, Bürokratiewahn, hohe Abgaben- und Steuerlasten sowie das Ignorieren des demographischen Wandels haben zu einem bösen Erwachen geführt.

Inzwischen ist der allgemeine Bildungsnotstand an der Personaldecke der Parteien abzulesen. Die Führung eines Staates kommt nicht ohne Eliten aus, sofern eine kluge Staatslenkung im Sinne der Wohlfahrt der Bürger angestrebt wird. Dabei reicht guter Wille nicht aus. Ohne theoretische und praktische Kenntnisse gepaart mit einschlägigen Erfahrungen gebricht es in aller Regel an Urteilskraft, die unserer Politik in den letzten zwanzig Jahren abhandengekommen ist. Die Bundesrepublik muss einen Weg finden, stärkere Persönlichkeiten für die Parlamente und hohe Staatsämter zu gewinnen. Diese Mängel der Demokratie sind spätestens seit der Zeit der Athener Polis bekannt und kein anderer als Platon hat sie schonungslos analysiert. Gleichwohl tut man gut daran, sich einen Satz des französischen Philosophen Joseph de Maistre vor das geistige Auge zu bringen: „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient“.

Es ist noch nicht lange her, dass Frau Merkel, nicht zuletzt hofiert durch die nationalen und internationalen Medien, auf einer Welle aus Jubel und Zustimmung ritt. Die uninformierten Launen von Völkern sind wohldokumentiert, z. B. in dem epochalen Werk ´Psychologie der Massen´ von Gustave Le Bon. Wir Deutschen sollten aus unserer eigenen Geschichte wissen, dass eine Neigung zur Verführbarkeit uns nicht fremd ist. Umso wichtiger ist es, dass die Bürger eine konstruktiv kritische Distanz zum Staat einnehmen und sich nicht durch Rhetorik (´Unsere Freiheit wird am Hindukusch verteidigt`, `Wir schaffen das!`, `Scheitert der Euro, scheitert Europa`, ´Das ist die Bazooka, mit der wir das Notwendige tun´, `Zeitenwende mit Doppel-Wums´ etc.) über die Realitäten täuschen lassen. Wenn die Menschen ihrer staatsbürgerlichen Pflicht, sich zu informieren, nicht nachkommen, dann müssen sie sich nicht wundern über die Fehlentscheidungen, die von Regierung und Parlament getroffen werden.

Am Finanzmarkt kann man paradigmatisch ablesen, was passiert, wenn ein Thema nicht verstanden und sodann vernachlässigt wird. Wir Deutschen sind ein Land der Mieter und Zinsanleger. Wohneigentum und gar Miteigentum an der Wirtschaft qua Aktienbesitz sind in Politik und Bevölkerung keine Prioritäten und mitunter sogar verpönt. Die an der deutschen Börse notierten Aktien gehören überwiegend ausländischen Investoren. Einzelne amerikanische Aktien sind an der Börse inzwischen mehr wert als der gesamte deutsche Aktienmarkt. Derweil ergeht sich die deutsche und europäische Politik – getrieben von Zeloten der Agora Finanzwende – in immer neuen Regulierungen. Der MiFID- und ESG-Murks lässt grüßen. Resultat: Enorme Bürokratiekosten und schwache Wohlstandsentwicklung hierzulande. Es steht zu befürchten, dass die Bundesrepublik den wirtschaftlichen Kipppunkt in den Abstieg hinter sich gelassen hat. Nirgendwo in der Politik ist ein Orpheus zu sehen, der die in der Unterwelt gefallene Eurydike dort herausholen könnte. Ein erster Schritt könnte die sofortige Abschaffung des elenden Solidaritätszuschlages sein. Diese Sonderabgabe, die nur für ein Jahr erhoben werden sollte und mittlerweile seit 33 Jahren erhoben wird, ist ein schillerndes Symbol für das Versagen der deutschen Politik.

Aus Chicago

Ihr
Dr. Christoph Bruns


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