In der Welt entfaltet sich ein Finanzmarktcrash mit erratischen Zügen. Nahezu alle klassischen Anlagegattungen sind von den Kursrückgängen betroffen. Besonders stark tangiert sind indessen die neuen Spekulationsfelder wie z.B. Kryptomünzen, SPACs und Börsenneulinge.
Während aber Aktienanleger im Umgang mit Kurseinbrüchen einigermaßen geübt sind, befinden sich Anleiheinvestoren in einem gänzlich ungewohnten Szenario. Festverzinsliche Wertpapiere – zumal von staatlichen Emittenten – galten stets als besonders sicher. Mitunter wird auch der verführerische Ausdruck eines ´sicheren Hafens´ für derlei Anlagen verwendet. Umso erstaunter dürften viele Bondbesitzer sein, mit welcher Geschwindigkeit ihre Papiere an Wert verlieren. Hatte die hundertjährige Österreich Anleihe mit Tilgung im Jahr 2120 noch vor einigen Monaten über 100 notiert, so kann das Papier mittlerweile zu 40 eingekauft werden. Ein deutlicher Warnhinweis an alle diejenigen Zinssparer, die meinen, langlaufende Anleihen wiesen nur geringe Risiken auf. Man darf sicher sein, daß der gegenwärtige Anleihecrash weitreichende Auswirkungen auf die Realwirtschaft und vor allem auf die Altersvorsorgesysteme entwickeln wird. Besonders pikant ist der Krach am Bondmarkt vor allem dadurch, daß der größte Marktteilnehmer, die Notenbanken, die zunächst die Endphase der fast vierzigjährigen Superhausse mit enormen Aufkäufen befeuerten und jetzt als Nachfrager ausfallen werden. Für die Kurse ist es niemals eine gute Nachricht, wenn der absolut größte Käufer sich zurückzieht. Die starken Risikoaufschläge für Anleihen aus Italien und Griechenland gegenüber Bundesanleihen geben einen Vorgeschmack darauf, was kommen mag.
Auch der Immobilienmarkt dürfte nicht immun gegenüber den rasch steigenden Zinsen bleiben. Angesichts des traditionell hohen Fremdkapitaleinsatzes beim Erwerb von Immobilien droht hier Refinanzierungs-Ungemach. Immerhin ist die Mietsituation recht stabil und nicht sonderlich gefährdet, zumindest im Wohnimmobiliensektor.
Am Aktienmarkt ist man hingegen in der Bewältigung von Kummer gut eingeübt, nachdem die letzten Jahrzehnte mehrfach Kurseinbrüche (dot.com, Sept. 11, Subprime, Euro-Krise, Pandemie, etc.) zu gewärtigen hatten. Zudem ist der Aktienmarkt im Vergleich zum Zinsmarkt viel sauberer, denn es fehlt dort an dem dominanten Marktteilnehmer mit Namen Fed und EZB. Auch ist es für Anleger mit Markterfahrung alles andere als überraschend, daß die vormals überbeliebten Technologieaktien nunmehr die Karavane nach unten anführen. Ärgerlich ist nur, daß die meisten Aktien in Sippenhaft genommen werden und gleich mitverkauft werden. Aber das hat im Börsenkrach Tradition. Freilich bleibt richtig, daß steigende Zinsen überwiegend schlecht für Aktien sind. Ungeachtet dessen bietet auch dieses Mal die Baisse dem langfristig arbeitenden Investor großartige Einstiegschancen. Aber der Hauptunterschied zu den vorangegangenen Baissen besteht darin, daß heute nicht mehr mit einer akkomodativen Geldpolitik zu rechnen ist.
Demgegenüber geht es auf den Rohstoffmärkten wesentlich differenzierter zu. Konjunktursensible Güter wie z.B. Kupfer und Aluminium leiden unter den verschlechterten Wachstumsaussichten, während die jahrelange Unterinvestition in Energieförderung nebst den verabredeten Sanktionen dort zu anhaltend hohen Preisen geführt hat.
Am schärfsten geht es indes am Markt für Kryptomünzen her. Angesichts schwerlich erkennbarer Substanz dieser Spekulationsobjekte werden wir Zeuge eines gewaltigen Kurseinbruchs. Viele und vor allem junge Anleger werden hier Lehrgeld zahlen müssen.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns
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