Mit den Staatsschulden steht es so, wie Arthur Schopenhauer es über das Geld im Allgemeinen gesagt hat: Sie gleichen dem Seewasser. Je mehr davon getrunken wird, desto durstiger wird man.
Allerorten sind die staatlichen Schulden gestiegen und die Lösung auftretender Probleme und Krisen jedweder Natur lautet: Zusätzliche Schulden machen! Angesichts der Beendigung des großen Notenbankexperiments einer langen Nullzinspolitik und der notwendig gewordenen Normalisierung des Zinsniveaus steigt der Zinsanteil an den öffentlichen Haushalten stark an. Für das Jahr 2023 belaufen sich die staatlichen amerikanischen Zinsausgaben auf ungefähr 708 Milliarden US-Dollar. Die vergleichbare Zinslast Italiens liegt in diesem Jahr bei ca. 80 Milliarden EUR. In Entwicklungsländern wie Pakistan und Ägypten betragen die Zinslasten ungefähr die Hälfte der staatlichen Einnahmen.
Zudem werden Schulden von nahezu allen politischen Parteien gemacht. Es macht in der Schuldenpraxis keinen großen Unterschied, ob es sich um linke oder rechte Regierungen handelt. Und die Bürger wählen mit schöner Regelmäßigkeit die Schuldenmacher, weshalb der amerikanische Ökonom Milton Friedman etwas provokativ meinte, die Bürger bekämen, was sie verdienten (wählten!). Jedenfalls lassen sich Wahlen nicht mit Entschuldungs- und Budgetkürzungsversprechen gewinnen. An dieser Stelle ist der Machtinstinkt der Politiker, wie ihn Max Weber in seiner berühmt gewordenen Vorlesung über die ´Politik als Beruf´ beschreibt, ganz zutreffend. Hohe Staatshaushalte verleihen denjenigen Macht, die über deren Verwendung entscheiden dürfen. Die Haushaltssouveränität ist die größte Macht in unserer parlamentarischen Demokratie. Demgegenüber sind Haushaltsdisziplin und Vertrags- bzw. Gesetzestreue eher seltene Tugenden. Mit Tricksereien und Täuschungen wird versucht, zusätzliche Geldausgabemöglichkeiten zu schaffen. Dies jedenfalls hat das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts allzu deutlich gemacht. Und es ist sehr zu begrüßen, dass sich das Karlsruher Gericht keinen weiteren Kotau vor der Politik geleistet hat, nachdem man bei der Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank und der Grundrechtsaussetzung während Corona jeweils die Augen zugedrückt hatte.
Eigentlich wäre jetzt die Zeit für die politischen Eliten gekommen, sich ehrlich zu machen. Aber die Lebenserfahrung legt eher den Schluss nahe, dass die Politik in Bund und Ländern einmal mehr eine Notlage erklären und so die Schuldenorgie fortsetzen wird. Das Fabrizieren von Notlagen und Ausnahmesituation ist, wie wir von Carl Schmitt, dem juristischen Vordenker der Nazis wissen, ein probates Mittel, um sich über die Begrenzungen der Verfassung hinwegzusetzen.
Man könnte sich etwa gut vorstellen, dass nach der zu einem guten Teil selbstverschuldeten Energiepreisnotlage nunmehr eine Zinssteigerungsnotlage ausgerufen wird. Denn die Zinssätze haben sich in den letzten Monaten noch stärker nach oben entwickelt als vormals die Strom- und Erdgaspreise. Vergessen wir nicht, dass die kurzfristigen Zinsen in der Eurozone eine rasche Vervierfachung erlebt haben. Man darf gespannt sein, mit welchen fadenscheinigen Begründungen dieses Mal die Notlage und damit die fortgesetzte exzessive Schuldenmacherei gerechtfertigt wird. Wenn man an Wortschöpfungen wie ´Gute-KiTa-Gesetz´, `Sondervermögen` oder ´Wachstumschancengesetz´ denkt, dann muss einem um die diesbezügliche rhetorische Fantasie unserer Politiker nicht bange sein.
Ich stimme der Auffassung des großen Humanisten Johann Gottfried Seume zu, der in seinem 1803 veröffentlichten und zu selten gelesenen `Spaziergang nach Syrakus´ schrieb:
„Jede Staatsschuld ist eine Krücke, und Krücken sind nur für Lahme.“
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns
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