Editorial von Thomas Meier und Christos Sitounis
Die Euphorie der globalen Anleger über die Rückkehr des Zinses gleicht dem eines Wüstenwanderers mit Blick auf die langersehnte Oase. Das Geldvermögen der privaten Haushalte wächst laut Bundesbank. Im ersten Quartal 2024 wurde der größte Zuwachs in einem Quartal bei Termineinlagen seit 1991 verzeichnet, dem Beginn der Datenerhebung. Und dies ist nicht nur ein deutsches Phänomen.
Geldflut in sichere Häfen: BILLIONEN auf der Suche nach Sicherheit
In den zurückliegenden Jahren sind global enorme Summen in zinstragende Anlagen investiert worden. Dies umfasst rekordhohe Zuflüsse in Geldmarktfonds. In den vergangenen fünf Jahren haben sich die Mittelzuflüsse mehr als verdoppelt. Allein in den USA wurden mehr als 8 Billionen Dollar in Geldmarktfonds angelegt und in Europa sind es nahezu 2 Billionen Euro. Im Kontrast zu den volatileren Aktienmärkten haben die globalen Anleger deutliche Mittelaufkommen in vermeintlich sichere Häfen gesteuert. Betrachtet man die Vermögensallokation insgesamt, so nehmen Bargeld und Einlagen laut Bundesbank 41 % des Geldvermögens der privaten Haushalte in Deutschland ein. Dabei sind die Deutschen aber nicht allein, in der Eurozone liegt dieser Schnitt bei rund 35 %. Zieht man in Deutschland ferner die Versicherungs-, Alterssicherung- und Standardgarantiesysteme hinzu, welche regulatorisch bedingt im Wesentlichen in zinstragenden Investments angelegt sind, so beläuft sich das Vermögen in festverzinslichen Anlagen bei rund drei Viertel der Geldanlage. Nicht nur die Allokation bleibt konservativ, es wird auch weiterhin viel gespart. Insbesondere in Europa sind die Sparquoten auf einem neuen Höchstwert von über dreizehn Prozent geklettert, ein Wert, der nur während der Pandemiephase zu beobachten war.
Schwindende Attraktivität: „sichere Häfen“ unter der Lupe
Die sicheren Häfen bieten zwar vor dem Hintergrund der anhaltenden globalen Konflikte und der Unsicherheit mit Bezug auf die US-Wahl kurzfristig eine attraktive Investitionsumgebung. Die eingeleitete Zinswende der EZB und FED sowie der anhaltende disinflationäre Druck aus China nimmt den sicheren Häfen einen signifikanten Teil ihrer Attraktivität gegenüber den Aktienmärkten. Investoren sehen sich erneut einer Anlagewelt ausgesetzt, die real(-listisch) betrachtet einer Illusion gleicht. Die zehnjährige deutsche Staatsanleihe wirft eine Rendite von 2,3 % ab, wohingegen die Eidgenossen mit 0,4 % rentieren. Real betrachtet, nach Abzug der Inflation, bleibt einem Investor in Deutschland 0,6 % und in der Schweiz -0,4 % an Zinszuwachs. Ein ähnlich mageres Bild zeichnet sich auch in den USA ab. Vor dem Hintergrund von schwächeren globalen Wachstumsraten, zwar aktuell fallenden Teuerungsraten sowie abnehmenden Zinsniveaus ergibt sich ein unzureichendes Investitionsprofil zum realen Vermögenserhalt. Zumal davon auszugehen ist, dass sich aufgrund der demografischen Entwicklung, drohenden Zollkonflikten sowie nachhaltig steigenden Kosten bei Rohstoffen die Inflation strukturell auf einem erhöhten Niveau verharren wird. Früher oder später wird den Investoren immer klarer, dass die Allokation trotz erhöhter Sparbemühungen geändert werden muss, um allein ein Sparziel, Erhaltung der Vermögenskaufkraft, erreichen zu können.
Zeit für einen Kurswechsel
Es ist zu erwarten, dass die Investoren trotz der globalen Konflikte einen Teil ihrer zinstragenden Anlagen erneut in Aktien umschichten, insbesondere aus Geldmarktfonds und Tagesgeldguthaben. Diese enormen Anlagesummen werden bei fortschreitender monetärer Lockerung durch die Notenbanken einem Investitionsdruck unterliegen und dies dürfte die Aktienmärkte positiv beeinflussen. Hierbei werden mitunter Dividendentitel bzw. -fonds profitieren. Der konservative Ansatz von Dividendenfonds im Vergleich zum breiten Aktienmarkt in Kombination mit Ausschüttungen, die oberhalb des Inflationstrends und Zinsniveaus liegen, wird erneut an Attraktivität gewinnen.
Dividendenfonds: der Weg zu stabilen Erträgen
Dividendenfonds bieten den Vorteil von zahlungsstarken Unternehmen meist aus defensiven Sektoren. Darüber hinaus haben die meisten Unternehmen nach der Pandemie ihre Bilanzen saniert und sind ihre Kostenstrukturen im Rahmen der Inflationsentwicklung angegangen. Marktteilnehmer verweisen zwar auf hohe Aktienbarometer, aber diese werden meist von wenigen Titeln dominiert. Die derzeitige hohe Marktkonzentration einiger Aktien speziell aus dem Technologiebereich werden in den USA durch die „Magnificent 7“ oder in Europa durch die“ GRANOLAS“-Aktien dargestellt. Wir erwarten im Zuge einer wirtschaftlichen Normalisierung in den USA und Europa eine breitere Aktienkursentwicklung, die abgestrafte Segmente wie klein- und mittelgroßkapitalisierte Unternehmen (SMEs) fördern wird.
Für die Anleger ist wichtig, eine langfristige Allokation unter der realen, d.h. inflationsbereinigten Ertragserwartungen zu berücksichtigen und sich nicht der Nominalzinsillusion vollends hinzugeben.