Das für viele Unvorstellbare ist wahr geworden: In Europa herrscht wieder Krieg. Einmal mehr hat Carl von Clausewitz Recht behalten: „Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Kriege sind wesentliche Weichenstellungen in der Menschheitsgeschichte. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wird mindestens Europa merklich verändern. In Deutschland kommt es gar zu einer drastischen Neuorientierung. Die seit mehr als zwei Jahrzehnten unter verschiedenen Bundeskanzlern vorangetriebene Sicherheits- und Energiepolitik muss neu konstruiert werden. Lebenslügen und Illusionen entlarven sich jetzt als solche.
Trotz alledem müssen wir als Fondsmanager den Blick nach vorne wenden. Ohne Zweifel werden die Ereignisse wesentlichen Einfluss auf Zinsen, Preise, Wirtschaftswachstum und Verschuldung haben. Die Börsen haben bereits deutliche Signale ausgesendet, welche Veränderungen erwartet werden. Auffällig ist die Flucht in amerikanische Wertpapiere und damit auch den US-Dollar. Auch der japanische Yen tendierte zuletzt höher. Da es sich um einen Krieg in Europa handelt kann es nicht verwundern, dass die Einheitswährung Euro unter Druck steht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Inflation tendenziell hoch bleiben wird. Die kriegerischen Ereignisse werden mitunter zu Lieferengpässen führen, wie wir es bereits bei Kabelbäumen für die PKW-Produktion sehen. Jedenfalls haben VW und BMW Teilstilllegungen ihrer Produktion angekündigt, weil Vorprodukte aus der Ukraine fehlen. An den Rohstoffmärkten hat Putins Attacke auf die Ukraine zu starken Preissprüngen geführt, vor allem bei Energieträgern. Dies überrascht nicht, denn der Ukraine-Krieg schürt die Angst vor Einschränkungen russischer Erdgas- und Erdöllieferungen. Ausweislich der Daten kommen ca. 10% des täglichen weltweiten Erdgas- und Erdölbedarfs aus russischen Quellen. Diese Mengen lassen sich nicht durch andere Lieferanten substituieren, schon gar nicht kurzfristig. Der seitens der Politik behauptete Ersatz durch Flüssiggas ist eine Selbsttäuschung. Bei Kohle ist die Situation keineswegs gemütlicher. Seit Jahresbeginn legten die Notierungen für den Brennstoff um knapp 70% zu. Verbraucher sollten sich also auf weiter steigende Strom- und Treibstoffpreise einstellen.
Etwas weniger klar ist, wie sich der Krieg in Osteuropa auf die Zinsentwicklung auswirken wird. Während wir im Hause LOYS davon ausgehen, dass die amerikanische Notenbank die Zinswende im März vollziehen wird, spricht manches für eine fortgesetzt zögerliche Gangart der Europäischen Zentralbank. Ungeachtet der galoppierenden Inflation erhöht der Krieg die Finanzierungsnotwendigkeiten der Staaten recht wesentlich. Allein Deutschland hat angekündigt, zusätzliche 100 Milliarden Euro in die Landesverteidigung zu stecken. Zudem steht eine neue Flüchtlingswelle ins Haus. Die EZB wird im Zweifel zusätzliches Geld drucken. Für die konjunkturelle Entwicklung dürfte der Optimismus folglich abnehmen. Eine Rezession ist nicht mehr auszuschließen.
Und die Aktienmärkte? Auch die Aktienmärkte stehen unter dem Schock des Kriegsausbruchs. Emotionalität und erste Spuren von Irrationalität sind erkennbar, die tägliche Volatilität ist hoch. Ohne eine Beruhigung in der ukrainischen Front dürfte sich das Bild nicht aufhellen. Gleichwohl werden sich im Rahmen der Aktienselektion auch interessante Möglichkeiten bieten, zumal für den längerfristig denkenden Anleger. Einstweilen aber dominiert die ins Negative gedrehte Stimmung die Marktkurse.
Ihre
Fondsmanager und Mitinvestoren
Dr. Christoph Bruns & Ufuk Boydak
Chicago, Frankfurt a.M. am 28.02.2022
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