Zu den Hauptaufgaben der Zinsmärkte gehört die permanente Überprüfung der Bonität von Emittenten. Dabei bilden sich die Marktteilnehmer eine Meinung über die Rückzahlungsfähigkeit und -wahrscheinlichkeit von Schuldnern.
Die größten Schuldner an den Zinsmärkten sind Nationalstaaten. Ein Blick auf die aktuellen Kurse für Staatsanleihen offenbart ein heterogenes Bild bezüglich der Zinsen, die von Staaten für ihre Verschuldung aufzubringen sind. Grundsätzlich gilt, dass die geforderten Zinsen weitgehend eine Funktion der Staatsfinanzen sind. Mit anderen Worten: Je höher Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit sind, desto teurer ist es, diese Schulden an den Finanzmärkten zu finanzieren.
Im Oktober sind die Zinsen für zehnjährige amerikanische Staatsanleihen über die vier Prozentmarke gestiegen. Zu Beginn des Jahres waren es lediglich 1,5%. Bei zwei- und dreijährigen Papieren liegen die Renditen inzwischen oberhalb von 4,5%, während sie am Jahresanfang noch deutlich unterhalb von 1% lagen. An diesen Zahlen zeigt sich, wie rasch sich die im Gang befindliche Zinswende vollzieht. Es steht zu erwarten, dass viele Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß erwischt worden sind.
Besonders spannend entwickelt sich der Zinsanstieg in Großbritannien. Als die gerade ins Amt gelangte Regierung um Liz Truss ihre Steuersenkungspläne verkündete, kam es zu Panikverkäufen britischer Staatsanleihen und die Notenbank musste als Käuferin beispringen. Hier offenbart sich die disziplinierende Rolle der Finanzmärkte. Leichtsinniges Schuldenmachen, wie es landauf landab gang und gäbe ist, hat nämlich ganz reale Konsequenzen. De facto haben die Finanzmärkte die Regierung Truss zu Fall gebracht.
Steigende Zinsen plagen auch die Regierungen auf dem europäischen Kontinent. Während die Europäische Zentralbank den Zinssteigerungszyklus zunächst verschlafen hat, fordern die Marktteilnehmer nahezu täglich höhere Zinsen von den Staaten. Griechenland muss mittlerweile wieder mehr als 4,5% für zehnjährige Staatsanleihen zahlen und Italien ist davon nicht weit entfernt. Deutschland muss sich auf substanziell höhere Zinszahlungen im Bundeshaushalt einstellen, denn erstens schnellt die Verschuldung sprunghaft nach oben und zweitens sind die Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen auf ca. 2,1% angesprungen. Zum Vergleich: Am Jahresanfang lag der Vergleichszins noch im negativen Bereich bei minus 0,2%.
Wesentlich besser steht die reiche Schweiz da. Dort liegen die Zehnjahreszinsen lediglich bei 1%. Offenbar honorieren die Finanzmarktteilnehmer die fiskalische Solidität der Eidgenossen. Ebenso sind in Japan keine bedeutsamen Zinserhöhungen zu verzeichnen. Dort sorgt die Notenbank mit einer Zinsobergrenze von 0,25% für zehnjährige Staatsanleihen für Stabilität. Im Gegenzug ist aber der japanische Yen angesichts der unattraktiven Zinsen in Nippon stark gefallen. Ein Schicksal, welches der Schweizer Franken nicht teilt.
Zinsen spielen für die Wirtschaft eine große Rolle. Die Kurseinbrüche an den Zinsmärkten verfehlen ihre Auswirkungen auf die Realwirtschaft und den Aktienmarkt nicht. Für viele Unternehmen verteuert sich die Finanzierung. Daher wird der Bilanzanalyse heutzutage wieder größerer Platz eingeräumt. Eine gute Bilanz mit recht geringer Nettoverschuldung kann sich zu einem wesentlichen Wettbewerbsvorteil entwickeln. Für das Fondsmanagement der LOYS AG ist das keine Neuigkeit. Vielmehr war Bilanzanalyse stets von zentraler Bedeutung für die Beurteilung der Attraktivität von Aktien. Nur hat das in den Zeiten billigen Geldes am Markt kaum eine Rolle gespielt. Das ändert sich nun, weshalb wir einigermaßen zuversichtlich in die Zukunft blicken.
Ihre
Fondsmanager und Mitinvestoren
Dr. Christoph Bruns & Ufuk Boydak
Chicago, Frankfurt a.M. am 31.10.2022
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