Marktberichte

OVID "GollitsKonkret" Mai 2022

Von Lieferketten bis Inflation - Das Ende der goldenen Jahrzehnte des Wirtschaftens

Das Idealportfolio der vergangenen 35 Jahre bestand grob zu 30 Prozent aus Aktien und 70 Prozent aus langlaufenden Anleihen. Anleihen hatten dank sinkender Zinsen kräftig an Wert gewonnen und Schlaglöcher am Aktienmarkt abgefedert. Seit der Finanzkrise 2008 haben Negativzinsen einen massiven Boom bei Wachstumswerten ausgelöst. Hohe Gewinne in der fernen Zukunft waren bei Nullzinsen genauso wertvoll, wie Gewinne in der Gegenwart. In den nächsten Dekaden jedoch werden optimale Portfolien und Anlagestrategien deutlich anders aussehen.

Das Ende vermeintlicher Gewissheiten - Die Weltwirtschaft erfindet sich neu

Die Corona Pandemie mit ihren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft ist noch nicht ausgestanden, da führt der Ukraine Krieg zu einem erneuten Konjunkturschock. Dieser wird über Generationen hinweg Auswirkungen auf den Wohlstand haben. Vermeintliche Gewissheiten, die unser Weltbild einer global vernetzten Gemeinschaft prägten, werden sich im schlimmsten Fall in das Gegenteil verdrehen. Seit den späten 80 er Jahren war die Welt von Trends geprägt, die allesamt zu einer globalen Wohlstandsmehrung und zu Stabilität beitrugen. Es begann mit der Zähmung der Inflation durch die Zentralbanken, nachdem diese Anfang der 80 er Jahre in den USA bis auf 14 Prozent geschossen war. Ein Katalysator war die Abrüstungspolitik und der Zerfall der Sowjetunion. Die Welt verdiente dadurch die "Friedensdividende". Kapital wurde nun für Investitionen frei und trug zur globalen Wohlfahrt bei.

Zur Friedensdividende gesellen sich Globalisierungsgewinne

Gleichzeitig entdeckte China die Vorzüge der Marktwirtschaft China und Asien wurden eine preisgünstige Werkbank für den Westen. Die Einnahmen und das Wissen aus dem Westen wurden intelligent reinvestiert und in dieser Region wuchs der Wohlstand. Im Westen veränderte sich die Wirtschaftsstruktur und verlagerte sich weg vom zyklischen verarbeitenden Gewerbe zum stabileren Dienstleistungsgeschäft. Eine starke Zunahme von Zeitarbeitern und Überstunden bremsten Lohnzuwächse. Dank verbesserter Absatzprognosen und Lagerverwaltungen sanken Lagerkosten. Just in Time war das neue Zauberwort. In dieser neuen Welt sank die Inflation weiter, die Konjunktur schwankte weniger, die Unternehmensgewinne waren stabiler, die Zinsen sanken und die Aktien stiegen. Bei dieser Stabilität wuchs in allen Bereichen die Bereitschaft sich zu verschulden.

Das Ende der sinkenden Zinsen und steigenden Kurse

Diese über Jahrzehnte andauernden Trends finden nun ein Ende.  Das Auftaktquartal 2022, eines  der schlechtesten Quartale seit 1980, ist das Fanal. Es ist weniger das Ausmaß der Verluste, sondern deren Breite. US-Staatsanleihen erlebten den schärfsten Kursrückgang seit 40 Jahren. Kurzfristig besteht die Gefahr einer globalen Stagflation. Die ist die ungünstigste Kombination aus einem Konjunkturabschwung bei gleichzeitig steigender Inflation. Schnell wird dann aus einer Stagnation eine Rezession.

Die Weltwirtschaft wird zur Großbaustelle

Viel tiefgreifender sind die langfristigen Folgen. Hier bekommt der ohnehin angeschobene Wandel einen neuen Twist. Dreht bereits Corona die Globalisierung zurück, da man Lieferketten verkürzt und die Produktion näher zum Kunden bringt, so wächst die Bereitschaft, sich vollständig aus Wirtschaftsblöcken zurückzuziehen. Künftig werden Demokratie und verlässliche Rechtsstaatlichkeit für Investitionen eine größere Rolle spielen. Für Entwicklungsländer wird nicht nur die Knappheit bei Grundnahrungsmitteln zur Bedrohung, sondern auch die steigende Zinslast. Seit 2010 steigt der Schuldendienst dieser Länder und die Flüchtlingsströme.

Mehr Staat - weniger Effizienz

Es wächst im Westen der Wunsch nach einem starken Staat. Dieser Haltung förderlich ist der Klimawandel und die sich weiter öffnende Schere bei den Vermögen. Gebildete, aber sozial abgehängte Milieus sehen hier die Brechstange zu einer Umverteilung. Mit dem nun begonnenen Wirtschaftskrieg wird die Rolle des Staates gefestigt und ausgebaut. Mehr Staat steht auch für weniger Effizienz, die Folge daraus sind Inflation und weniger Produktivität. Kapital wird stärker unproduktiv in nationale Verteidigungshaushalte fließen. Was bedeutet das? Die Globalisierung hat sich seit 2007 verlangsamt. Die Bildung neuer politischer und wirtschaftlicher Blöcke wird Teile der Globalisierungsgewinne auffressen. Der Produktionsfaktor Arbeit wird wieder mehr Verhandlungsmacht bekommen, wie bei der energetischen Grundsanierung der Wirtschaft. Der Ukraine Krieg hat die Abhängigkeit bei der Rohstoffversorgung von Staaten verdeutlicht, die nicht westliche Ideen von Rechtsstaatlichkeit teilen.


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