Die Nervosität an den Börsen ist zurück. Der US-Technologieindex Nasdaq ist kürzlich erst um mehrere Prozent eingeknickt, und auch für den deutschen Dax, den Nikkei in Japan oder den europäischen Euro STOXX ging es nach unten. Doch in der vergangenen Woche kam dann die Trendwende: Plötzlich ist die Stimmung wieder gut.
Nervosität kehrt zurück
Seit Anfang November haben nicht nur viele Einzelwerte, sondern auch einige Indizes um mehr als 30 Prozent zugelegt. Das passierte auch im Hinblick auf die bevorstehende Zinswende. Die scheint nun später zu beginnen und eine geringere Dynamik zu haben. Genau so etwas ist dann der Nährboden für eine leichte Korrektur an den Börsen und die haben wir zuletzt auch gesehen. Grundsätzlich ist das Gesamtbild aber noch in Ordnung, in den vergangenen Tagen ging es ja bereits wieder aufwärts. Dennoch ist eine gewisse Nervosität spürbar. Traditionell treten die Märkte ab Mai eher in eine schwächere Phase ein – und genau so etwas kann auch jetzt wieder passieren. Immerhin haben wir in nur wenigen Monaten zum Teil massive Zuwächse erlebt.
Aktien: Was fallende Zinsen am Markt auslösen können
Und was ist in diesem Umfeld mit den Zinsen? Hier gilt: Zinsen sind nun einmal der Preis für das Geld. Frisches Kapital ist der Treibstoff für die Börse. Die Aussicht auf wieder sinkende Zinsen ist somit positiv für die Aktienmärkte. Dass die Zinswende später kommt als erwartet, hat die Anleger aber eben etwas enttäuscht. Zudem befinden wir uns nun schon seit Juli 2023 auf dem Zinsplateau, zumindest in den USA. In den vergangenen Zinszyklen haben solche Phasen selten länger als 12 Monate angedauert. Der wahrscheinlichste Beginn für eine Zinssenkung in den USA ist Marktumfragen zufolge aber jetzt schon der September. Damit würde das aktuelle Zinsplateau dann schon rund 14 Monate bestehen – ein im historischen Vergleich hoher Wert.
Einfluss der Zinssenkung auf Technologiewerte
Sollte die Zinswende nun später beginnen, müssen die Technologiewerte noch längere Zeit im Umfeld der höheren Zinsen agieren. In der Regel sind Technologieunternehmen viel mehr auf Fremdkapital durch Kredite angewiesen als beispielsweise etablierte Industriekonzerne. Deshalb trifft es sie besonders, wenn die Zinswende später beginnt und vorsichtiger ausfällt als erwartet.
Zusätzlich stehen Technologiewerte schon seit Anfang 2023 im Fokus der Investoren – Stichwort Magnificent Seven. Doch gerade im ersten Quartal haben Apple, Tesla und Co. bereits einiges von dem Glanz des Vorjahres eingebüßt. Im März schnitten die sieben Technologietitel im Durchschnitt sogar schwächer ab als der Gesamtmarkt gemessen am S&P 500. Daran sieht man: Auch bei diesen Börsengiganten wachsen die Bäume nicht in den Himmel.
Unternehmenszahlen wieder im Fokus
Unternehmensgewinne sind neben der Zinsentwicklung der zweite wichtige Faktor für die langfristige Entwicklung der Aktienkurse. Bei den im US-Aktienindex S&P 500 gelisteten Unternehmen, die bisher ihre Zahlen zum ersten Quartal vorgelegt haben, sind die Gewinne um 4,5 Prozent gestiegen. Beim Umsatz ging es im Durchschnitt um knapp vier Prozent nach oben. Das liegt im Rahmen der Erwartungen. Diese Datenbasis ist durchaus aussagekräftig, denn bislang haben schon fast 50 Prozent der Indexmitglieder die Zahlen vorgelegt.
Zinssenkungen in Europa – ein Plus für europäische Aktien?
Eine mögliche vorgezogene europäische Zinswende wäre für europäische Aktien zunächst positiv. Aber: Die USA sind der wichtigste Börsenplatz der Welt. Wie enorm wichtig er ist, sieht man daran, dass die dort gelisteten Unternehmen im Weltaktienindex MSCI World ein Gewicht von fast 70 Prozent haben. Insofern gibt die Wall Street schlicht und einfach den Takt vor und bestimmt letztendlich die Stimmung an den Börsen – auch für europäische Aktien.
Gleichwohl sind aber die Bewertungen in Europa deutlich niedriger als in den USA. Als Value-Investoren ist das für uns ein wichtiger Faktor. Das ist eine wichtige Kennzahl für die Einschätzung der weiteren Investmentchancen. So haben wir in den vergangenen Monaten ganz klar die Gewichtung in Europa erhöht. Gleichzeitig haben wir den Anteil der nordamerikanischen Aktien zurückgefahren. Als Spezialisten für den europäischen Markt haben wir hier wirklich attraktive Bewertungsniveaus erkannt. Die wollen wir jetzt für unsere Portfolien nutzen.
Nahost-Konflikt, US-Wahlen und Co.
Neben den reinen Kapitalmarktfaktoren bestimmen auch externe Themen die Börsen. Dabei gilt: 2023 war ein Jahr der Resilienz an den Börsen. Da haben die vielen geopolitischen Konflikte wie der in der Ukraine oder die brenzlige Lage in Taiwan einfach keine nennenswerte Rolle gespielt. Bislang sieht es auch 2024 so aus, als ob sich dieser Trend trotz der Eskalation des Nahost-Konfliktes grundsätzlich fortsetzt – auch wenn viele Indizes zuletzt etwas verloren haben. Doch das ist, wie schon gesagt, eine normale Korrektur, wie sie an den Märkten immer wieder vorkommt, nachdem die Kurse zuvor so stark gestiegen sind wie zuletzt in den vergangenen sechs Monaten.
Politische Aspekte könnten im weiteren Jahresverlauf aber durchaus noch eine Rolle spielen. Stichwort US-Präsidentenwahl. Der Wahlkampf hat noch gar nicht begonnen. Dennoch hat das Duell Trump vs. Biden genug Potenzial für Turbulenzen. Das gilt auch für die Kapitalmärkte. Kurzfristig mag das Wahlergebnis kaum Auswirkungen haben. In den USA stehen aber einige grundlegende Dinge zur Diskussion. Dazu zählt beispielsweise die Anerkennung einer Niederlage. Bis heute haben viele Republikaner aus dem Trump-Lager das Ergebnis der letzten Wahl noch immer nicht anerkannt. Hier ergibt sich im Falle einer Niederlage von Donald Trump auf jeden Fall Konfliktpotenzial – mit jetzt noch unbekanntem Ausgang. Daher werden die langfristigen Folgen von Wahlen speziell im aktuellen Umfeld der USA leicht unterschätzt.
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